Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen der Bank an den Gemeinschuldner mit befreiender Wirkung bei fehlender Kennntnis von Verfügungsbeschränkungen. Zurechenbarkeit der Kenntnis eines vertretungsberechtigten Organmitglieds. Obliegenheitspflicht der Bank zu organisatorischen Maßnahmen, die sicher stellen, dass Informationen über die Eröffnung von Insolvenzverfahren oder Sicherungsmaßnahmen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden. Vermutungswirkung der öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt, nicht jedoch bei weiteren Veröffentlichungen
Leitsatz (amtlich)
Eine Bank kann auf Weisung des Schuldners dessen kreditorisches Konto mit befreiender Wirkung belasten, falls sie keine Kenntnis davon hat, dass auf Anordnung des Insolvenzgerichts ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt worden ist, welcher der Verfügung nicht zugestimmt hat.
b) Eine Bank muss organisatorisch Vorsorge treffen, damit ihre Kunden betreffende Informationen über die Eröffnung von Insolvenzverfahren oder Sicherungsmaßnahmen im Vorfeld der Insolvenzeröffnung von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden. Wird sie dieser Obliegenheit nicht gerecht, muss sie sich Kenntnisse, die bei einem zur Vornahme von Rechtsgeschäften bestellten und ermächtigten Bediensteten vorhanden sind, als ihr bekannt zurechnen lassen.
c) Die Vermutung, dass derjenige, der vor der öffentlichen Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung oder einer Sicherungsmaßnahme etwas an den Schuldner geleistet hat, die gerichtliche Anordnung nicht gekannt hat, knüpft an die dem Regelfall entsprechende öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt an. Weitere Veröffentlichungen, die der Regel-Veröffentlichung vorausgegangen sind, haben diese Vermutungswirkung nicht.
Normenkette
InsO § 9 Abs. 1-2, § 21 Abs. 2 Nr. 2, § 24 Abs. 1, § 82
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird - unter Zurückweisung im Übrigen - das Urteil des 31. Zivilsenats des OLG Hamm v. 30.6.2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung gegen die Klageabweisung i.H.v. 43.817,91 EUR zurückgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Nachdem ein Gläubiger Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des in Detmold geschäftsansässigen R. G. (fortan: Schuldner) gestellt hatte, bestellte das AG - Insolvenzgericht - Detmold mit Beschluss v. 9.1.2001 den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter; zugleich ordnete es an, Verfügungen des Schuldners seien nur noch mit Zustimmung des Klägers wirksam (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO). Der Beschluss wurde am 13.1.2001 in der Lippischen Landeszeitung, am 15.1.2001 in der Lippischen Rundschau und am 22.1.2001 im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Detmold (fortan: Amtsblatt) veröffentlicht. Am 1.3.2001 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der entsprechende Beschluss wurde am 6.3.2001 in der Lippischen Landeszeitung und am 9.3.2001 im Amtsblatt veröffentlicht.
Am 17.1.2001 eröffnete der Schuldner ohne Wissen des Klägers ein Girokonto bei der verklagten Bank in Bielefeld, Zweigstelle Stieghorst. In der Zeit v. 18.1.bis 9.3.2001 verfügte er - teils durch Barabhebungen, teils durch Überweisungsaufträge - über die auf das Konto gelangenden Beträge, ohne dass der Kläger dies wusste. Die Beklagte erbrachte auf diese Weise Leistungen i.H.v. 64.770,28 EUR an den Schuldner.
Der Kläger hat die Beklagte auf Rückzahlung dieses Betrages in Anspruch genommen. In den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt - unter Zurückweisung im Übrigen - teilweise zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat zwischen den Verfügungen vor dem Wirksam-werden der öffentlichen Bekanntmachung der Verfügungsbeschränkung und denen danach unterschieden. Als öffentliche Bekanntmachung hat es ausschließlich die Veröffentlichung im Amtsblatt angesehen. Diese sei am dritten Tage nach der Veröffentlichung wirksam geworden. Wegen der bis zum 24.1.2001 (diesen Tag eingeschlossen) erfolgten Verfügungen, die sich auf einen Betrag von 20.932,63 EUR summierten, komme der Beklagten die Vermutung zugute, dass sie die Verfügungsbeschränkung nicht gekannt habe (§ 82 S. 2 InsO). Diese Vermutung habe der Kläger nicht entkräftet. Auch die danach abverfügten Beträge i.H.v. insgesamt 43.817,91 EUR müsse die Beklagte nicht zurückzahlen. Denn sie habe bewiesen, weder die Verfügungsbeschränkung noch die am 1.3.2001 erfolgte Insolvenzeröffnung gekannt zu haben (§ 82 S. 1 InsO). Hierbei komme es allein auf den Kenntnisstand der Filiale Stieghorst als der kontoführenden Stelle an.
II.
Die Revision ist unbeschränkt zugelassen. Der Urteilsausspruch enthält insoweit keine Einschränkungen. Solche können sich zwar auch aus den Entscheidungsgründen ergeben (BGH v. 29.1.2003 - XII ZR 92/01, BGHZ 153, 358 [360] = MDR 2003, 695 = BGHReport 2003, 536 m. Anm. Kühner; Urt. v. 23.9.2004 - IX ZR 137/03, BGHReport 2005, 344 = MDR 2005, 435 = NJW-RR 2005, 494). Dafür ist jedoch erforderlich, dass sich diesen mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt, das Berufungsgericht habe die revisionsrechtliche Nachprüfung nur wegen eines abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröffnen wollen (BGH, Urt. v. 12.6.2000 - XII ZR 159/98, MDR 2000, 1233 = WM 2000, 1967 [1968]; v. 20.5.2003 - XI ZR 248/02, MDR 2003, 1190 = BGHReport 2003, 961 = NJW 2003, 2529). Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Frage, unter welchen Umständen einer juristischen Person Kenntnisse nach § 82 S. 1 InsO zuzurechnen seien, höchstrichterlich noch nicht geklärt sei. Diese Frage stellt sich hier für die Verfügungen bis zum 24.1.2001 und danach in gleicher Weise.
III.
Hinsichtlich der Beträge (43.817,91 EUR), die der Schuldner nach dem 24.1.2001 abverfügt hat, ist die Klage derzeit nicht abweisungsreif.
1. Bei dem Guthaben auf dem von dem Schuldner bei der Beklagten eingerichteten Konto handelte es sich um einen Gegenstand der Insolvenzmasse (§ 81 Abs. 1 S. 1 InsO). Ob die Beklagte dadurch, dass sie die Verfügungen (Barabhebungen und Überweisungsaufträge) des Schuldners ausgeführt hat, von ihren Verpflichtungen aus dem Giroverhältnis frei geworden ist oder von dem Kläger auf nochmalige Leistung in Anspruch genommen werden kann, beurteilt sich nach § 82 S. 1 InsO. Diese Vorschrift ist auch anwendbar, wenn der Schuldner mit seinen Verfügungen einer Verfügungsbeschränkung nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO zuwidergehandelt hat.
a) Im Schrifttum wird teilweise angenommen, mit der absoluten Wirkung der Verfügungsbeschränkungen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO sei der Ausschluss jeglichen Gutglaubensschutzes verbunden (Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 23 Rz. 2). Diese Ansicht steht jedoch mit § 24 Abs. 1 InsO im Widerspruch, wonach in einem solchen Fall die §§ 81, 82 InsO entsprechend anwendbar sind. Demgemäß geht die herrschende Meinung zutreffend davon aus, dass die in § 23 InsO vorgeschriebene Bekanntmachung der Verfügungsbeschränkungen den - sonst möglichen - gutgläubigen Erwerb einschränken soll (Haarmeyer in MünchKomm/InsO, § 23 Rz. 2; Kirchhof in HK-InsO, 3. Aufl., § 23 Rz. 2; Pape in Kübler/Prütting, InsO, § 23 Rz. 3; Mönning in Nerlich/Römermann, InsO, § 23 Rz. 8; Braun/Kind, InsO, 2. Aufl., § 23 Rz. 2; Gerhardt in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung 2. Aufl., S. 213 Rz. 42; BGH v. 12.11.1998 - IX ZR 145/98, BGHZ 140, 54 [56 ff., 60]).
b) Von anderen wird für die Anwendung des § 82 InsO eine wirksame Leistungsbeziehung zwischen dem Schuldner und dem Leistenden vorausgesetzt. Fehle es von vornherein an einer wirksamen Anweisung zur Leistung, könne diese nicht der (künftigen) Masse zugerechnet werden. Das Rückabwicklungsrisiko müsse demgemäß der Bank zur Last fallen (Ott in MünchKomm/InsO, § 82 Rz. 22). Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Obwohl Überweisungsaufträge Verfügungscharakter haben (Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 50 Rz. 35) und Verfügungen des Schuldners, denen der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO) nicht zugestimmt hat, absolut unwirksam sind, konnte die verklagte Bank, falls sie keine Kenntnis von der Verfügungsbeschränkung hatte, das kreditorische Konto des Schuldners mit befreiender Wirkung belasten (Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 50 Rz. 36; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 5. Aufl., Rz. 3.11). Denn das Giroverhältnis wurde durch die Verfügungsbeschränkung nicht beendet (Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 50 Rz. 35); es erlischt erst mit der Verfahrenseröffnung (BGHZ 58, 108 [111]; BGHZ 70, 86 [93]; BGH, Beschl. v. 21.3.1995 - XI ZR 189/94, MDR 1995, 592 = NJW 1995, 1483). Das Überweisungsgesetz v. 21.7.1999 (BGBl. I, 1642) ist im vorliegenden Fall noch nicht anwendbar, weil es Inlandsüberweisungen erst ab dem 1.1.2002 erfasst.
c) Soweit es sich bei den Leistungen der Beklagten um Barauszahlungen gehandelt hat, ist § 82 InsO ohne weiteres anwendbar. Eine Bank, die von den in der Person des Kunden bestehenden Verfügungsbeschränkungen keine Kenntnis hat, kann an jenen mit befreiender Wirkung aus dem vorhandenen Guthaben leisten (Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 6. Aufl., Rz. 3.572). Für Saldierungen nach Maßgabe des weiterhin wirksamen Girovertrages kann dies nicht anders sein, solange § 82 InsO den guten Glauben der Bank - auch in Bezug auf einen nach § 24 Abs. 1, § 81 Abs. 1 S. 1 InsO unwirksamen Überweisungsauftrag - schützt.
2. Indes hat im vorliegenden Fall die Beklagte, welche die Darlegungs- und Beweislast trifft (Ott in MünchKomm/InsO, § 82 Rz. 15; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 82 Rz. 13; Eickmann in HK-InsO, 3. Aufl., § 82 Rz. 11; Lüke in Kübler/Prütting, InsO, § 82 Rz. 8; Braun/Kroth, InsO, 2. Aufl., § 82 Rz. 9), bislang nicht nachgewiesen, dass sie zur Zeit der Leistung die Verfügungsbeschränkung ihres Kunden nicht gekannt hat.
Insoweit schadet bereits die Kenntnis eines Mitglieds eines Organs einer juristischen Person, auch wenn es mit dem operativen Geschäft an der Basis nicht unmittelbar etwas zu tun hat (BGH, Urt. v. 1.3.1984 - IX ZR 34/83, MDR 1984, 934 = NJW 1984, 1953 [1954]; für § 82 InsO zustimmend Ott in MünchKomm/InsO, § 82 Rz. 14; Lüke in Kübler/Prütting, InsO, § 82 Rz. 22; Wittkowski in Nerlich/Römermann, § 82 InsO Rz. 19; für Banken ebenso Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 50 Rz. 17). Das Wissen eines vertretungsberechtigten Organmitglieds ist als Wissen des Organs anzusehen und damit auch der juristischen Person zuzurechnen (BGH v. 8.12.1989 - V ZR 246/87, BGHZ 109, 327 [331] = MDR 1990, 323). Darüber hinaus muss jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation sicherstellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können. Sie muss es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten (BGH v. 24.1.1992 - V ZR 262/90, BGHZ 117, 104 [106 f.] = MDR 1992, 480; v. 12.11.1998 - IX ZR 145/ 98, BGHZ 140, 54 [62]; Ott in MünchKomm/InsO, § 82 Rz. 14; Wittkowski in Nerlich/Römermann, § 82 InsO Rz. 19; Eickmann in HK-InsO, 3. Aufl., § 82 Rz. 6). Hieraus folgt für eine Bank die Notwendigkeit eines internen Informationsaustauschs (Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 50 Rz. 17). Informationen, die auf der Führungsebene vorhanden sind, müssen - soweit sie für diejenigen bedeutsam sind, welche im direkten Kontakt mit den Kunden für die Bank Rechtsgeschäfte vornehmen - an diese weitergegeben werden; erforderlich ist also ein Informationsfluss von oben nach unten. Umgekehrt müssen Erkenntnisse, die von einzelnen Angestellten gewonnen werden, jedoch auch für andere Mitarbeiter und spätere Geschäftsvorgänge erheblich sind, die erforderliche Breitenwirkung erzielen. Dazu kann ein Informationsfluss von unten nach oben, aber auch ein horizontaler, filialübergreifender Austausch erforderlich sein (BGH, Urt. v. 1.6.1989 - III ZR 261/87, WM 1989, 1364 [1367]; v. 1.6.1989 - III ZR 277/87, WM 1989, 1368 [1369 f.]; v. 15.1.2004 - IX ZR 152/00, WM 2004, 720 [722]). Die Notwendigkeit eines Informationsaustauschs innerhalb der Bank bedingt entsprechende organisatorische Maßnahmen. Solche sind wegen des möglichen Zugriffs auf Datenspeicher zumutbar (Lüke in Kübler/Prütting, InsO, § 82 Rz. 22; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 50 Rz. 17). Jedenfalls dann, wenn es an derartigen organisatorischen Maßnahmen fehlt, muss sich die Bank das Wissen einzelner Mitarbeiter - auf welcher Ebene auch immer diese angesiedelt sind - zurechnen lassen (LG Dortmund v. 10.10.1996 - 2 O 221/96, ZIP 1997, 206 [207]; Ott in MünchKomm/InsO, § 82 Rz. 14; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 82 InsO Rz. 13; Wittkowski in Nerlich/Römermann, § 82 InsO Rz. 19; Smid, InsO, 2. Aufl., § 82 Rz. 9). Dass sich, wie das Berufungsgericht unter Berufung auf Eickmann (Eickmann in HK-InsO, 3. Aufl., § 82 Rz. 16) gemeint hat, die Frage der Kenntnis allein nach der Wissenslage der kontoführenden Stelle beurteile (diese Auffassung hat Eickmann in der 3. Aufl. aufgegeben; anders nur noch Hess, InsO, 2. Aufl., § 82 Rz. 31), ist danach unzutreffend.
Die Beklagte - die selbst davon ausgeht, sie müsse in ihrem Geschäftsbereich die Entwicklung des Wirtschaftslebens unter Einbeziehung von Insolvenzen beobachten - hat mithin darzulegen, welche Organisationsstrukturen sie geschaffen hat, um entsprechende Informationen aufzunehmen und intern weiterzugeben. Daran fehlt es bisher. Die Beklagte hat nur vorgetragen, was sie nicht getan hat, etwa dass das Amtsblatt nicht bezogen worden sei. Daher ist für die revisionsrechtliche Beurteilung gemäß der Behauptung des Klägers davon auszugehen, dass Vorstandsmitglieder und andere Wissensvertreter der Beklagten von den gegen G. verhängten Sicherungsmaßnahmen Kenntnis hatten.
IV.
Soweit der Kläger die Rückzahlung der bis einschließlich 24.1.2001 an den Schuldner erbrachten Leistungen (20.932,63 EUR) begehrt, bleibt die Revision ohne Erfolg, weil sich die Beklagte auf die Vermutung des § 82 S. 2 InsO berufen kann. Diese Leistungen hat die Beklagte vor der amtlichen Bekanntmachung erbracht. Dass sie gleichwohl die Verfügungsbeschränkung gekannt habe, hat der Kläger - den insoweit die Beweislast trifft (Ott in MünchKomm/InsO, § 82 Rz. 15; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 82 Rz. 12) - nicht bewiesen.
Das für die amtlichen Bekanntmachungen des AG - Insolvenzgerichts - Detmold bestimmte Blatt i.S.v. § 9 Abs. 1 S. 1 InsO war das Amtsblatt für den Regierungsbezirk Detmold. Die Vorschrift geht auf eine Initiative des Rechtsausschusses zurück, der insoweit die Regelung der Konkursordnung beibehalten wollte (BT-Drucks. 12/7302, 156). Welches Blatt für die amtlichen Bekanntmachungen eines Gerichts bestimmt ist, richtet sich damit - nicht anders als unter der Geltung des § 76 KO (Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 76 Rz. 2) - nach Landesrecht (Ganter in MünchKomm/InsO, § 9 Rz. 11; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 9 Rz. 3; Prütting in Kübler/Prütting, InsO, § 9 Rz. 5b; Kirchhof in HK-InsO, 3. Aufl., § 9 Rz. 4; Becker in Nerlich/Römermann, InsO, § 9 Rz. 9). Im Frühjahr 2001 waren in Nordrhein-Westfalen noch die Richtlinien für das Regierungsamtsblatt (RV des Justizministeriums v. 22.10.1999, 1243 - I D. 34, MBl. NRW 1999, 1094) in Kraft. Danach galt als Amtsblatt das jeweilige Amtsblatt für den Regierungsbezirk. Demgemäß wurden in dem Amtsblatt für den Regierungsbezirk Detmold die Beschlüsse und Anordnungen in Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzsachen für die Landgerichtsbezirke Bielefeld (zum Regierungsbezirk Detmold gehört auch die kreisfreie Stadt Bielefeld), Detmold und Paderborn veröffentlicht. Dagegen wendet sich der Kläger nicht.
Er macht lediglich geltend, dass das Insolvenzgericht von der durch § 9 Abs. 2 S. 1 InsO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, weitere oder wiederholte Veröffentlichungen zu veranlassen. Es habe - entsprechend einer zu Beginn des Geschäftsjahres getroffenen Festlegung - die gegen den Schuldner angeordneten Sicherungsmaßnahmen auch in Lippischen Tageszeitungen bekannt gemacht, und zwar bereits vor der Veröffentlichung im Amtsblatt. Eine Bekanntmachung nach § 9 Abs. 2 S. 1 InsO stehe derjenigen im Amtsblatt rangmäßig nicht nach, so dass die Vermutungswirkung nach § 82 S. 2 InsO weit früher eingesetzt habe, als vom Berufungsgericht angenommen.
Diese Ansicht ist unzutreffend. Fraglich ist bereits, ob die vom Insolvenzgericht nach § 9 Abs. 2 S. 1 InsO angeordneten weiteren Veröffentlichungen in den Tageszeitungen "öffentliche Bekanntmachungen" sind (abl. Henckel/Gerhardt, InsO, 9 Rz. 3; Becker in Nerlich/Römermann, InsO, § 9 Rz. 13 f.; Eickmann in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 31 Rz. 98; ebenso Ganter in MünchKomm/InsO, § 9 Rz. 13 für den Fall, dass die weiteren Veröffentlichungen der Regel-Veröffentlichung vorausgehen). Jedenfalls kommt die Vermutungswirkung nach § 82 S. 2 InsO lediglich der dem Regelfall entsprechenden öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt gem. § 9 Abs. 1 InsO zu (Ott in MünchKomm/InsO, § 82 Rz. 15 a.E.; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 82 Rz. 13; Eickmann in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 31 Rz. 98). Da die weiteren Veröffentlichungen nicht dieselbe Aufmerksamkeit des Publikums erwarten lassen wie die Regel-Veröffentlichung im Amtsblatt, haben sie nicht die Wirkung des § 9 Abs. 3 InsO (Henckel/Gerhardt, InsO, § 9 Rz. 9; Ganter in MünchKomm/InsO, § 9 Rz. 23; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 9 Rz. 5; Becker in Nerlich/Römermann, InsO, § 9 Rz. 14; FK-InsO/Schmerbach, 3. Aufl., § 9 Rz. 17). Wenn sie gleichzeitig mit der Regel-Veröffentlichung erfolgen oder dieser nachfolgen, kommt es darauf zwar nicht an, weil die Wirkung des § 9 Abs. 3 InsO bereits durch die Regel-Veröffentlichung ausgelöst wird. Erfolgen die weiteren Veröffentlichungen vor der Regel-Veröffentlichung, entsteht die Wirkung des § 9 Abs. 3 InsO jedoch erst durch diese. Dann ist es konsequent, den weiteren Veröffentlichungen auch die Vermutungswirkung zu versagen.
Die Ansicht des Klägers, es könne nicht angehen, dass niemand Sicherungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO trotz erfolgter Veröffentlichung der gerichtlichen Anordnung in einer Tageszeitung beachten müsse, geht fehl. Auch eine der öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt vorausgehende Veröffentlichung in einer Tageszeitung kann den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis eines Schuldners beseitigen. Dies setzt aber voraus, dass die Kenntnis von dieser Veröffentlichung bewiesen wird. Die Möglichkeit dieser Beweisführung erschwert mithin die Entkräftung der mit der Regel-Veröffentlichung verbundenen Vermutung.
V.
Das Berufungsurteil ist somit teilweise aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). In diesem Umfang ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), damit die bisher fehlenden Feststellungen nachgeholt, insb. die zur Unkenntnis der Wissensvertreter angetretenen Beweise erhoben werden.
Fundstellen
Haufe-Index 1471678 |
DB 2006, 213 |
DStZ 2006, 172 |