Leitsatz (amtlich)
Ordnet ein Erblasser letztwillig eine Testamentsvollstreckung zur Verwaltung eines von ihm betriebenen Handelsgeschäfts an, so kann der Testamentsvollstrecker diese Anordnung dadurch ausführen, dass er im eigenen Namen unter persönlicher Haftung als Treuhänder für den Erben das Geschäft betreibt; er kann aber auch das Geschäft als Bevollmächtigter des Erben in dessen Namen und unter dessen persönlicher Haftung führen, sofern eine derartige Ermächtigung der letztwilligen Anordnung zu entnehmen ist.
Gibt ein Testamentsvollstrecker entgegen den Bestimmungen des Testaments einen Nachlaßgegenstand irrtümlich dem Erben frei, so kann er die Herstellung seines Verwaltungsrechts wieder verlangen.
Normenkette
BGB §§ 2206, 2208 Abs. 2, §§ 2216, 2219; HGB §§ 25, 27; BBG §§ 812, 2217
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 09.04.1953) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 9. April 1953 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der am 14. Januar 1947 verstorbene Kaufmann Walter B. hat in einem öffentlichen Testament unter Beschränkung seiner Ehefrau auf den Pflichtteil die Klägerin, seine am 21. Februar 1939 geborene Tochter, als seine Alleinerbin eingesetzt. Gleichzeitig hat er bis zur Vollendung ihres 25. Lebensjahres den Beklagten zum Testamentsvollstrecker, einen Herrn Kurt J. zum Geschäftsführer seiner kaufmännischen und industriellen Unternehmungen und den Steuerberater Otto S. zu deren Beaufsichtigung bestimmt, mit der Maßgabe, dass J. und S., solange die Testamentsvollstreckung dauere, nur aus wichtigem Grunde gekündigt werden könne. Der Nachlass besteht im wesentlichen aus den unter der im Handelsregister eingetragenen Firma des Erblassers betriebenen Br.-Werken. Als ihre Inhaberin steht im Handelsregister auf Grund einer Anmeldung der Parteien seit dem 21. Dezember 1949 die Klägerin eingetragen. Das Geschäft selbst ist seit dem Tode des Erblassers durch den Beklagten geführt worden.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Beklagte infolge ihrer Eintragung als Geschäftsinhaberin die Firma nicht weiterführen könne und dass er deshalb das Handelsgeschäft des Erblassers nicht mehr zur Erfüllung seiner Obliegenheiten als Testamentsvollstrecker benötige; ausserdem läge in ihrer Eintragung als Inhaberin eine Freigabe des Handelsgeschäfts. Da der Beklagte sich weigert, das Geschäft der Klägerin zu übergeben, verlangt sie vom Beklagten eine Überlassung des Geschäfts auf sie zur freien Verfügung.
Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, um deren Zurückweisung der Beklagte bittet, verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Mit seiner letztwilligen Verfügung hat der Erblasser eine Testamentsvollstreckung solange angeordnet, bis seine als Alleinerbin eingesetzte Tochter das 25. Lebensjahr vollendet hat. Hierbei sollte nach der rechtlich bedenkenfreien und von der Revision auch nicht beanstandeten Auslegung dieser letztwilligen Verfügung durch das Berufungsgericht die Testamentsvollstreckung vor allem auch das Handelsgeschäft des Erblassers erfassen. Trotzdem glaubt die Revision einen Anspruch auf Freigabe des Handelsgeschäfts auf Grund des § 2217 BGB geltend machen zu können, einmal weil ein Testamentsvollstrecker ein Handelsgeschäft nicht führen könne und sodann, weil die Klägerin bereits als Inhaberin des Handelsgeschäfts im Handelsregister eingetragen sei.
Die Auffassung der Revision ist rechtsirrig. Zwar hat nach § 2217 BGB der Testamentsvollstrecker Nachlassgegenstände den Erben zur freien Verfügung zu überlassen, wenn er dieser zur Erfüllung seiner Obliegenheiten offenbar nicht bedarf, und es ist rechtlich bedenkenfrei, zu derartigen Gegenständen auch solche zu rechnen, die ein Testamentsvollstrecker aus Rechtsgründen nicht verwalten könnte.
Zu diesen Gegenständen kann aber das vom Erblasser betriebene Handelsgeschäft nicht gerechnet werden. Die Revision beruft sich für ihre gegenteilige Ansicht auf die in Rechtsprechung und Rechtslehre überwiegend vertretene Auffassung, dass nach den Vorschriften des Handelsrechts, denen gemäss Art. 2 EGHGB der Vorrang vor den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts einzuräumen sei, für die Führung einer Einzelfirma eine unbeschränkte Haftung ihres Inhabers erforderlich sei und sich etwas Derartiges nicht mit der Rechtsstellung eines Testamentsvollstreckers vereinbaren lasse, der gemäss § 2206 BGB Verbindlichkeiten nur für den Nachlass eingehen könne (vgl. hierzu insbesondere RGZ 132, 138 f [144]; KG in JW 1937, 2599 und Anm von Bondi in JW 1931, 3073). Es besteht aber, wie die Revision auch nicht verkennt, einmal die Möglichkeit, dass der Testamentsvollstrecker das Geschäft in eigenem Namen und unter eigener persönlicher Haftung als Treuhänder für Rechnung des Erben führt (so auch RG a.a.O. S 142; KG in JW 1936, 1137 und JFG 18, 276 f). Es ist aber weiter möglich, dass der Testamentsvollstrecker wie jeder andere Bevollmächtigte das Geschäft unter dem Namen des Erben und dessen persönlicher Haftung führt (vgl. Hueck in ZHandR 108, 29 und ZG JFG 14, 428 f). Dass hierbei der Testamentsvollstrecker im Handelsregister nicht eingetragen wird, ist unerheblich, ebenso wie dies bei einem Generalbevollmächtigten des Geschäftsinhabers oder seines gesetzlichen Vertreters der Fall ist.
Welchen dieser beiden Wege ein Testamentsvollstrecker einschlägt, bleibt, soweit der Erblasser nicht besondere Anordnungen getroffen hat, grundsätzlich seinem pflichtgemässen Ermessen überlassen. In dem hier vorliegenden Fall hat der Beklagte den zweiten Weg gewählt. Ob er sich jetzt noch selbst als Inhaber eintragen lassen und eine persönliche Haftung übernehmen könnte, was das Berufungsgericht für zulässig, die Revision jedoch für unzulässig hält, weil die Klägerin ausdrücklich erklärt habe, dass sie als eingetragene Inhaberin des Geschäfts die zu einer Umschreibung erforderliche Zustimmung nicht erteilen werde, bedarf keiner Entscheidung, da das vom Beklagten eingeschlagene Verfahren rechtlich bedenkenfrei ist.
Dadurch, dass der Beklagte und die Klägerin, vertreten durch den ihr zu diesem Zwecke vom Vormundschaftsgericht bestellten Pfleger, ihre Eintragung als Geschäftsinhaberin bewilligt haben, hat das Handelsgeschäft eine den Vorschriften des Handelsgesetzbuches entsprechende Inhaberin erhalten, die für alle Verbindlichkeiten aus dem Geschäft unbeschränkt haftet. Die Berechtigung des Beklagten zur Fortführung des Geschäfts für die Klägerin ergibt sich aus den Bestimmungen des Testaments Diesen ist die Klägerin, da sie die Erbschaft nach diesen Bestimmungen nicht ausgeschlagen hat, unterworfen. Wenn auch ein Testamentsvollstrecker grundsätzlich nur die Befugnis hat, Verpflichtungen für den Nachlass einzugehen, so ist es rechtlich doch möglich, dass der Erblasser durch letztwillige Anordnung einer entsprechenden Bedingung oder Auflage den Erben verpflichten kann, dem Testamentsvollstrecker die Befugnis einzuräumen, auch über den Rahmen des § 2206 BGB hinaus persönliche Verpflichtungen für den Erben einzugehen (so auch Kipp-Coing § 125 III 1 b a. E. S 480 und Donner in DNotZ 1944, 143 f [145]; anders Bondi JW 1931, 3073 Anm). Gemäss §§ 2208 Abs. 2, 2194 BGB kann daher der Testamentsvollstrecker von den Erben die Vollziehung der Bedingung oder Auflage verlangen (vgl RGZ 172, 199 f [205, 207]). Mit einer derartigen Rechtsauslegung sind auch keine dem Erben nicht zumutbare Gefahren verbunden. Einmal kann der Erbe, wenn er das in einer derartigen Ermächtigung des Testamentsvollstreckers liegende Risiko vermeiden will, die Erbschaft ausschlagen. Sodann haftet der Testamentsvollstrecker gemäss § 2219 BGB dem Erben für jegliches Verschulden, eine Haftung, von der nach § 2220 BGB der Erblasser den Testamentsvollstrecker niemals befreien kann. Der Erbe ist auch nach § 2218 BGB berechtigt, von dem Testamentsvollstrecker Auskünfte und eine regelmässige Rechnungslegung zu verlangen; er ist damit in der Lage, die Geschäftsführung des Testamentsvollstreckers zu beaufsichtigen. Wichtige Gründe, insbesondere grobe Pflichtverletzung geben ihm nach § 2227 BGB das Recht, die Absetzung des Testamentsvollstreckers vom Nachlassgericht zu verlangen. Schliesslich bedeutet, wirtschaftlich betrachtet, die Führung eines Handelsgeschäfts durch den Testamentsvollstrecker im Namen des Erben für diesen keine grössere Belastung als die treuhänderische Führung unter dem Namen des Testamentsvollstreckers; denn auch bei dieser dürfte dem Testamentsvollstrecker als Treuhänder, des Erben gemäss § 670 BGB ein Anspruch auf Befreiung von seiner unbeschränkten Haftung an den Erben zuzubilligen sein (so auch insbes. Donner a.a.O.).
Voraussetzung für die Annahme einer solchen Bedingung oder Auflage für den Erben ist allerdings, dass sich etwas Derartiges aus dem Testament des Erblassers entnehmen lässt. Das ist aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu bejahen. Dass die in diesem Sinne zu verstehende Testamentsbestimmung, die im Interesse der im Jahre 1939 geborenen Tochter getroffen ist, eine zu starke Bindung der Tochter enthielte und deshalb als gegen die guten Sitten verstossend nichtig sei, lässt sich bei der gegebenen Lage des Falles nicht sagen. Die Klägerin ist daher grundsätzlich auch nicht berechtigt, nachdem sie als Inhaberin des Geschäfts eingetragen worden ist, dem Beklagten die Befugnis zur Geschäftsführung zu entziehen, und diesem ist es daher möglich, das Geschäft entsprechend der Vorschrift des § 2216 Abs. 1 BGB zu führen.
Allerdings ist es möglich, dass ein Testamentsvollstrecker – auch entgegen der ihm vom Erblasser auferlegten Verpflichtung – einen Nachlassgegenstand aus seiner Verwaltung freigibt, eine Freigabe, die zur Folge hat, dass damit nach § 2217 Abs. 1 Satz 2 BGB sein Recht zur Verwaltung erlischt (vgl Kipp-Coing § 130 II 4 S 499; Planck-Flad Anm 4 zu § 2217 S 675 und KG in JFG 20, 263). Eine Freigabe ist aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erfolgt. Der Beklagte hat vielmehr bisher trotz der Eintragung der Klägerin im Handelsregister die Verwaltung des Geschäfts unverändert fortgeführt. Aus der Eintragung der Erbin im Handelsregister allein kann eine Freigabe nicht entnommen werden (so auch Donner a.a.O.). Abgesehen hiervon würde, wenn man in dem Verhalten des Beklagten eine Freigabe erblicken wollte, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts diese irrtümlich geschehen sein, so dass der Beklagte gemäss § 812 BGB die Wiederherstellung seines Verwaltungsrechts verlangen könnte (vgl Kipp-Going a.a.O. Anm 13; Planck-Flad Anm 4 zu § 2217 S 675 – anderer, nicht begründeter Ansicht BGB RGRK Anm 2 zu § 2217 S 300).
Das Berufungsurteil ist somit im Ergebnis zutreffend. Die Revision der Klägerin musste daher gemäss § 97 ZPO auf ihre Kosten zurückgewiesen werden.
Unterschriften
Schmidt, Johannsen, Kregel, v. Werner, Wüstenberg
Fundstellen