Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung ist ein Minderwertausgleich beim Kfz-Leasing nicht umsatzsteuerpflichtig
Leitsatz (amtlich)
Ein Minderwertausgleich, den der Leasinggeber nach regulärem Vertragsablauf wegen einer über normale Verschleißerscheinungen hinausgehenden Verschlechterung der zurückzugebenden Leasingsache vom Leasingnehmer beanspruchen kann, ist ohne Umsatzsteuer zu berechnen, weil ihm eine steuerbare Leistung des Leasinggebers (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) nicht gegenübersteht und der Leasinggeber deshalb darauf keine Umsatzsteuer zu entrichten hat (Fortführung des Senatsurteils v. 14.3.2007 - VIII ZR 68/06, WM 2007, 990).
Leitsatz (redaktionell)
1. Umsatzsteuerpflichtige Leistung des Leasinggebers ist die Gebrauchsüberlassung der Leasingsache auf Zeit. Ist der Vertrag wegen Zahlungsverzugs des Leasingnehmers oder einer anderen Pflichtverletzung des Leasingnehmers gekündigt und die Leasingsache deswegen an den Leasinggeber zurückgegeben oder verwertet worden, ist die vertragliche Hauptleistungspflicht des Leasinggebers beendet. Eine Schadensersatzzahlung, die der Leasingnehmer für den Ausfall seiner Leasingraten zu erbringen hat, steht deshalb nicht mehr im Austauschverhältnis mit einer Leistung des Leasinggebers und begründet für diesen keinen steuerpflichtigen Umsatz.
2. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG bedarf es nicht, weil nach der dargestellten Rechtsprechung des Gerichtshofs die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt und die Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte der Mitgliedstaaten gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV entfällt.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 2, 6, 11; UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9, § 10 Abs. 1; AEUV Art. 267 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Stuttgart vom 5.10.2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin, eine Leasinggesellschaft, schloss im März 2006 mit dem Beklagten für eine Vertragsdauer von 36 Monaten und einer jährlichen Fahrleistung von 20.000 Kilometern mit darüber hinausgehender Kilometerabrechnung einen Leasingvertrag über einen Pkw Audi Q7. Die dem Vertrag zugrunde gelegten Leasingbedingungen bestimmen unter Abschnitt XVI. zur Rückgabe des Fahrzeugs u.a. Folgendes:
"2. Bei Rückgabe muss das Fahrzeug in einem dem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand, frei von Schäden sowie verkehrs- und betriebssicher sein. Normale Verschleißerscheinungen gelten nicht als Schaden. ... 3. Bei Rückgabe des Fahrzeugs nach Ablauf der bei Vertragsschluss vereinbarten Leasing-Zeit gilt folgende Regelung: Entspricht das Fahrzeug ... nicht dem Zustand gem. Ziff. 2 Abs. 1, ist der Leasingnehmer zum Ersatz des entsprechenden Schadens verpflichtet ..."
Zu den Halterpflichten heißt es in Abschnitt IX. den Leasingbedingungen u.a.:
"3. Der Leasingnehmer hat dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nach den Vorschriften der Betriebsanleitung des Herstellers behandelt wird. Das Fahrzeug ist im Rahmen des vertraglichen Verwendungszwecks schonend zu behandeln und stets im betriebs- und verkehrssicheren Zustand zu halten."
Rz. 3
An dem zum Ablauf der vereinbarten Leasingdauer zurückgegebenen Fahrzeug stellte die Klägerin über normale Verschleißspuren hinausgehende (Unfall-)Schäden fest, deren Beseitigungskosten/Minderwert ein von ihr beauftragter Sachverständiger auf 6.817,54 EUR netto schätzte. Ihre auf Ausgleich dieses Minderwerts zzgl. Umsatzsteuer i.H.v. 1.295,33 EUR gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen nur hinsichtlich des Nettobetrages Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klagebegehren hinsichtlich des aberkannten Umsatzsteuerbetrages weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Rz. 6
Leasingtypische Ausgleichsansprüche wie der vorliegend geltend gemachte Minderwertausgleich seien nicht nur bei vorzeitiger, sondern auch bei ordentlicher Beendigung des Leasingverhältnisses nach Ablauf der vereinbarten Leasingdauer ohne Umsatzsteuer zu berechnen, weil ihnen eine steuerbare Leistung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG nicht gegenüberstehe und der Leasinggeber deshalb Umsatzsteuer auf sie nicht zu entrichten habe. Insbesondere handele es sich nicht um eine steuerbare sonstige Leistung, welche nach Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (ABl. EG Nr. L 145 vom 13.6.1977, S. 1; im Folgenden: Umsatzsteuer-Richtlinie) in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften voraussetze, dass zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehe, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die vom Leistungsempfänger erbrachte Leistung bildet.
Rz. 7
An einer solchen inneren Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung fehle es nicht nur bei Entschädigungen oder Schadensersatzzahlungen, sondern auch bei leasingtypischen Ausgleichsansprüchen im Falle der ordentlichen Beendigung des Leasingvertrages durch Zeitablauf. Zwar handele es sich bei diesem Anspruch auf Ausgleich des Fahrzeugminderwertes um einen vertraglichen Erfüllungsanspruch. Die zivilrechtliche Einordnung des Anspruchs sei jedoch für die Frage der Steuerbarkeit schon deshalb unerheblich, weil die Frage der Umsatzsteuerpflichtigkeit nach Maßgabe der Umsatzsteuerrichtlinie in allen Mitgliedstaaten einheitlich beantwortet werden müsse. Es sei deshalb entscheidend, dass der Ausgleichszahlung - nicht anders als einer Schadensersatzzahlung - nach Beendigung des Leasingvertrages und Rückgabe, Verlust oder Untergang der Leasingsache keine steuerbare Leistung des Leasinggebers mehr gegenüberstehe. Dessen steuerpflichtige Leistung bestehe in der Gebrauchsüberlassung der Leasingsache auf Zeit. Nach Ablauf der vereinbarten Leasingzeit habe er seine vertragliche Hauptleistungspflicht hingegen erfüllt. Dementsprechend erbringe auch der Leasingnehmer die von ihm noch geschuldete Ausgleichszahlung nicht, um eine Leistung zu erhalten, sondern weil er vertraglich hierzu verpflichtet sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin lasse sich insoweit auch aus dem Inhalt des Leasingvertrages nichts anderes herleiten. Insbesondere sei ihm nicht - auch nicht konkludent - zu entnehmen, dass die Leistung der Klägerin als Leasinggeberin in der Duldung einer Nutzung des Leasingfahrzeugs über den vertraglich vereinbarten Gebrauch hinaus bestehe und Gegenstand ihrer Leistungspflicht eine vertraglich gerade nicht erlaubte Nutzung des Leasinggegenstandes habe sein sollen. Derartiges liege im Gegenteil fern.
II.
Rz. 8
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
Rz. 9
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur die Frage, ob der Beklagte der Klägerin auf den unstreitigen Nettobetrag des geltend gemachten Fahrzeugminderwerts auch Umsatzsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG i.H.v. 1.295,33 EUR zu erstatten hat. Diese Frage ist mit dem Berufungsgericht zu verneinen, weil die Klägerin selbst insoweit keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen hat.
Rz. 10
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Sonstige Leistungen sind gem. § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind. Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer bei Lieferungen und sonstigen Leistungen ist das vereinbarte Entgelt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzgl. der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Diese Vorschriften beruhen auf den Bestimmungen der Umsatzsteuer-Richtlinie. Gemäß deren Art. 2 Nr. 1 unterliegen der Mehrwertsteuer Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt. Als Dienstleistung gilt nach Art. 6 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Richtlinie jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands i.S.d. Art. 5 ist. Besteuerungsgrundlage ist bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen gem. Art. 11 Abs. 1 Buchst. a der Umsatzsteuer-Richtlinie alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll.
Rz. 11
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union wird eine Leistung nur dann i.S.v. Art. 2 Nr. 1 der Umsatzsteuer-Richtlinie gegen Entgelt erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Leistung bildet (zuletzt Urt. v. 16.12.2010 - Rs. C-270/09 DStR 2011, 119 Rz. 16 m.w.N. - Mcdonald Resort Ltd.). Dem haben sich der BFH (zuletzt BFH DStR 2010, 2184, 2185 m.w.N.) und der BGH (zuletzt BGH, Urt. v. 14.3.2007 - VIII ZR 68/06, WM 2007, 990 Rz. 12 m.w.N.) angeschlossen. Dazu muss zwischen der Leistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen (EuGH, Urt. v. 18.7.2007 - Rs. C-277/05, Slg. 2007, I-6415 Rz. 19 m.w.N. - Société thermale d'Eugénie-les-Bains), wobei sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis bestimmt, ob die Leistung des Unternehmers derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet (BFH, a.a.O., m.w.N.).
Rz. 12
Demgegenüber sind sog. Entschädigungen oder Schadensersatzzahlungen kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlenden erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für einen Schaden und seine Folgen einzustehen hat (BGH, Urt. v. 14.3.2007 - VIII ZR 68/06, a.a.O., Rz. 13 m.w.N.; BFH, a.a.O.). Die Entscheidung darüber, ob es sich steuerrechtlich um nicht umsatzsteuerpflichtigen echten Schadensersatz oder um eine steuerbare sonstige Leistung handelt, hängt davon ab, ob die Zahlung mit einer Leistung des Steuerpflichtigen in Wechselbeziehung steht, ob also ein Leistungsaustausch stattgefunden hat. Grundlage des Leistungsaustauschs ist dabei eine innere Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung im Sinne eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Leistung und dem erhaltenen Gegenwert. Maßgebend ist insoweit der tatsächliche Geschehensablauf. Lässt dieser erkennen, dass die "Ersatzleistung" die Gegenleistung für eine empfangene Lieferung oder sonstige Leistung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG darstellt, liegt keine nichtsteuerbare Schadensersatzleistung, sondern steuerpflichtiges Entgelt vor (BGH, Urt. v. 14.3.2007 - VIII ZR 68/06, a.a.O., m.w.N.).
Rz. 13
2. In Übereinstimmung damit wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung angenommen, dass Schadensersatzleistungen, die der Leasingnehmer nach außerordentlicher Kündigung des Leasingvertrages zu erbringen hat, ohne Umsatzsteuer zu berechnen sind, weil ihnen - infolge der durch die Kündigung des Leasingvertrages bewirkten Beendigung der vertraglichen Hauptleistungspflicht des Leasinggebers - eine steuerbare Leistung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG nicht gegenübersteht und der Leasinggeber deshalb Umsatzsteuer auf sie nicht zu entrichten hat (BGH, Urt. v. 11.2.1987 - VIII ZR 27/86, WM 1986, 562 unter 1c; v. 11.5.1988 - VIII ZR 96/87, BGHZ 104, 285, 291; v. 22.10.1997 - XII ZR 142/95, WM 1998, 609 unter II 1b bb; v. 14.3.2007 - VIII ZR 68/06, a.a.O., Rz. 14 f. m.w.N. zum Meinungsstand; BFHE 178, 485, 489 f.). Denn der Schadensersatz, den der Leasingnehmer nach einer von ihm schuldhaft veranlassten außerordentlichen Kündigung des Leasingvertrags durch den Leasinggeber zu leisten hat, stellt nicht die Vergütung für eine vom Leasinggeber bereits tatsächlich erbrachte Leistung dar. Steuerpflichtige Leistung des Leasinggebers i.S.v. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Nr. 9 UStG ist die Gebrauchsüberlassung der Leasingsache auf Zeit. Ist der Vertrag wegen Zahlungsverzugs des Leasingnehmers oder einer anderen Pflichtverletzung des Leasingnehmers gekündigt und die Leasingsache deswegen an den Leasinggeber zurückgegeben oder verwertet worden, ist die vertragliche Hauptleistungspflicht des Leasinggebers beendet. Eine Schadensersatzzahlung, die der Leasingnehmer für den Ausfall seiner Leasingraten zu erbringen hat, steht deshalb nicht mehr im Austauschverhältnis mit einer Leistung des Leasinggebers und begründet für diesen, wie bereits ausgeführt, keinen steuerpflichtigen Umsatz (BGH vom 11.2.1987 - VIII ZR 27/86, a.a.O.; v. 14.3.2007 - VIII ZR 68/06, a.a.O., Rz. 16).
Rz. 14
Nichts anderes gilt nach der Rechtsprechung des Senats für eine Schadensersatzzahlung, die der Leasingnehmer in diesem Zusammenhang für den Minderwert der zurückgegebenen Leasingsache zu leisten hat. Daran ändert nichts, dass die Schadensersatzzahlung auch dem Ausgleich der noch nicht amortisierten Anschaffungs- und Finanzierungskosten des Leasinggebers dient. Zwar besteht die Vertragsleistung des Leasinggebers leasingtypisch nicht nur in der zeitweiligen Gebrauchsüberlassung eines Sachgutes, sondern - wirtschaftlich gesehen - auch in der Bereitstellung des dafür erforderlichen Kapitals auf Zeit mit dem Ziel einer Amortisation dieses Kapitaleinsatzes durch die vom Leasinggeber zu erbringenden Leistungen (BGH, Urt. v. 22.1.1986 - VIII ZR 318/84, BGHZ 97, 65, 72 f.; v. 19.3.1986 - VIII ZR 81/85, WM 1986, 673 unter III 3b; v. 1.3.2000 - VIII ZR 177/99, WM 2000, 1009 unter II 2c; vgl. auch BGH, Urt. v. 3.6.1992 - VIII ZR 138/91, BGHZ 118, 282, 290). Wird der Vertrag jedoch vorzeitig beendet und die Leasingsache zurückgegeben oder verwertet, ist dem Leasingnehmer nicht nur der weitere Sachgebrauch, sondern auch die mittelbare Kapitalnutzung entzogen (vgl. BGH, Urt. v. 19.3.1986 - VIII ZR 81/85, a.a.O.). Der Leasinggeber führt, soweit durch eine ihm zu erbringende Schadensersatzzahlung noch nicht gedeckte Anschaffungs- und Finanzierungskosten ausgeglichen werden sollen, daher keine der Umsatzsteuer unterliegende Leistung mehr aus.
Rz. 15
So verhält es sich auch bei dem leasingtypischen Ausgleichsanspruch des Leasinggebers, der nach der ständigen Senatsrechtsprechung auf Ausgleich seines noch nicht amortisierten Gesamtaufwandes zum Zeitpunkt einer ordentlichen Kündigung, einer nicht durch den Leasingnehmer schuldhaft veranlassten außerordentlichen Kündigung oder einer einvernehmlichen vorzeitigen Beendigung des Leasingvertrages gerichtet ist (BGH, Urt. v. 14.3.2007 - VIII ZR 68/06, a.a.O., Rz. 16 f. m.w.N.). Zwar handelt es sich dabei nach der Senatsrechtsprechung um einen vertraglichen Erfüllungsanspruch (BGH, Urt. v. 22.1.1986 - VIII ZR 318/84, a.a.O., S. 72, 78; v. 10.7.1996 - VIII ZR 282/95, WM 1996, 1690 unter III 2; v. 1.3.2000 - VIII ZR 177/99, a.a.O., unter II 2d). Für die umsatzsteuerliche Beurteilung kommt es jedoch auf die zivilrechtliche Einordnung als Schadensersatz- oder Ausgleichsanspruch nicht entscheidend an. Diese Einordnung kann schon deswegen nicht entscheidend sein, weil die Frage der Umsatzsteuerpflichtigkeit nach Maßgabe der Umsatzsteuer-Richtlinie in allen Mitgliedsstaaten einheitlich zu beantworten ist. Insoweit ist vielmehr maßgebend, dass der Ausgleichszahlung, nicht anders als der Schadensersatzzahlung, nach Beendigung des Leasingvertrages und Rückgabe, Verlust oder Untergang der Leasingsache keine steuerbare Leistung des Leasinggebers mehr gegenübersteht (BGH vom 14.3.2007 - VIII ZR 68/06, a.a.O., Rz. 18 m.w.N.).
Rz. 16
3. Das gilt entgegen der Auffassung der Revision auch für einen Minderwertausgleich, den der Leasinggeber nach regulärem Vertragsablauf wegen einer über normale Verschleißerscheinungen hinausgehenden Verschlechterung der zurückzugebenden Leasingsache beanspruchen kann.
Rz. 17
a) Allerdings vertritt die Finanzverwaltung (BMF, Schr. v. 22.5.2008 - IV B 8-S 7100/07/10007, 2008/0260780, BStBl. I S. 632 unter 2; Abschn. 3 Abs. 9 Nr. 3 UStR 2008 zu § 1 UStG; ebenso Köhler in Plückebaum/Widmann, Umsatzsteuergesetz, Stand 2010, § 4 Rz. 91) die Auffassung, es handele sich bei Zahlungen zum Ausgleich eines Minderwerts um Entgelt für eine bereits erfolgte Leistung des Leasinggebers in Form der Gebrauchsüberlassung und Duldung der Nutzung über den vertragsgemäßen Gebrauch hinaus. Im Rahmen der Mischkalkulation, wie sie für einen auf volle Amortisation abzielenden Leasingvertrag typisch sei, stelle der Minderwertausgleich eine leasingtypische vertragliche Gegenleistung für die Überlassung des Leasinggegenstands durch den Leasinggeber dar. Dementsprechend habe der Leasingnehmer - anders als der Mieter - auch für diejenigen Veränderungen und Verschlechterungen einzutreten, die auf Zufall und höherer Gewalt beruhten. Der für den Leasingnehmer verbrauchbare Vorteil liege in der "übervertraglichen" substanzbeeinträchtigenden Nutzung. Der erforderliche Leistungswille des Leasinggebers ergebe sich insofern aus der vertraglichen Wertminderungsklausel. In dieser sei die konkludente Zustimmung zu dem entsprechenden "übervertraglichen Gebrauch" zu sehen. Das gelte auch im Falle des planmäßigen Verlaufs eines Leasingvertrags.
Rz. 18
b) In der zivilgerichtlichen Instanzrechtsprechung herrscht demgegenüber die Auffassung vor, der Minderwertausgleich unterliege weder in der im Senatsurteil vom 14.3.2007 (VIII ZR 68/06, a.a.O.) entschiedenen Fallkonstellation noch im Falle einer regulären Vertragsbeendigung nach Ablauf der vereinbarten Leasingzeit der Umsatzsteuer (OLG Stuttgart, JurBüro 2010, 209; DStRE 2010, 1514 f.; OLG Koblenz, NJW-RR 2010, 778 f.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.9.2010 - 24 U 15/10, juris Rz. 6; LG München I, DAR 2008, 591; ebenso auch FG Hannover, Schaden-Praxis 2011, 163 sowie das überwiegende Schrifttum: Rau/Dürrwächter/Schuhmann, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, Stand 2008, § 10 Anm. 65 "Leasing" unter Hinweis auf Klenk, DB 2006, 1180, 1181 f.; Müller-Sarnowski, DAR 2007, 519, 520; de Weerth, DStR 2008, 392, 393; Moseschus, EWiR 2007, 649, 650; Hartmann/Metzenmacher/Probst, Umsatzsteuergesetz, Stand 2009, E § 10 Rz. 84.1; zweifelnd Flückinger/Georgy in Plückebaum/Widmann, a.a.O., § 1 Rz. 483).
Rz. 19
c) Allein die letztgenannte Auffassung wird den Anforderungen gerecht, die an den erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang der Leistung - hier des Leasinggebers in Gestalt einer zeitweiligen Gebrauchsüberlassung des Fahrzeugs und wirtschaftlich gesehen auch in Gestalt der Bereitstellung des dafür erforderlichen Kapitals auf Zeit - und dem erhaltenen Gegenwert - hier dem vom Leasingnehmer auszugleichenden Minderwert - gestellt werden müssen (dazu vorstehend unter II 1).
Rz. 20
aa) Die Leistung der Klägerin als Leasinggeberin war nicht derart mit der vom Beklagten zu erbringenden Zahlung verknüpft, dass sie auf die Erlangung einer solchen Gegenleistung gerichtet war. Vielmehr war die vertragliche Hauptleistungspflicht der Klägerin beendet, nachdem sie das Fahrzeug - hier aus Anlass des Ablaufs der Leasingdauer - zurückerlangt und auf diese Weise zugleich die dem Beklagten eingeräumte Kapitalnutzung geendet hatte. Damit fehlt es - ähnlich wie bei Schadensersatzzahlungen, die der Leasingnehmer für den Ausfall seiner Leasingraten zu erbringen hat (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.1987 - VIII ZR 27/86, a.a.O.) - zwischen den Leistungspflichten der Klägerin und der Ausgleichspflicht des Beklagten an der für den erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang dauerhaften Abhängigkeit in Entstehung und Fortbestand dieser Pflichten (BGH, Urt. v. 14.3.2007 - VIII ZR 68/06, a.a.O., Rz. 16).
Rz. 21
bb) Etwas anderes lässt sich entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung auch nicht aus dem Senatsurteil vom 1.3.2000 (VIII ZR 177/99, a.a.O., unter II 2c) entnehmen. Soweit dort in Abgrenzung zum Ersatzanspruch nach § 558 BGB auf die leasingtypische Amortisationsfunktion des Ausgleichsanspruchs abgehoben und unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 22.1.1986 (VIII ZR 318/84, a.a.O.) ausgeführt worden ist, dass die Leistungen des Leasingnehmers, die zusammen mit der Verwertung des zurückgegebenen Fahrzeugs durch den Leasinggeber die volle Amortisation des vom Leasinggeber für die Anschaffung des Leasingfahrzeugs eingesetzten Kapitals einschließlich des kalkulierten Gewinns bezwecken, die leasingtypische vertragliche Gegenleistung für die Überlassung des Leasingfahrzeugs durch den Leasinggeber darstellen, kann dies - wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 14.3.2007 (VIII ZR 68/06, a.a.O., Rz. 16 f.) klargestellt hat - nicht im Sinne eines Austauschverhältnisses mit einer Leistung des Leasinggebers und damit einer gegenseitigen unmittelbaren Abhängigkeit der betreffenden Pflichten voneinander verstanden werden.
Rz. 22
cc) Das ergibt sich im Übrigen auch schon aus dem dabei in Bezug genommenen Senatsurteil vom 22.1.1986 (VIII ZR 318/84, a.a.O., S. 78). Dort ist ausgeführt, dass der aus dem Erfüllungsanspruch der Leasinggeberin bei ungekündigtem Vertragsablauf abgeleitete Anspruch auf Ausgleich eines beschädigungsbedingten Minderwerts dahin geht, die Differenz zwischen dem tatsächlich erzielten Erlös aus der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs und dem festgestellten oder noch zu ermittelnden Wert bei Rückgabe in vertragsgemäßem Zustand nach Ablauf der vorgesehenen Vertragsdauer bis zu dem Wert aufzufüllen, welcher nach der dem Vertragsverhältnis zugrunde liegenden Mischkalkulation neben den Leasingraten zur Amortisation des Gesamtaufwandes der Leasinggeberin beiträgt. Hiernach handelt es sich deshalb - in seiner Wirkung einem Entschädigungsanspruch gleich - lediglich um einen erst durch nachträglichen Wertvergleich konkretisierten vertraglichen Auffüllungsanspruch, der nicht als Gegenwert für die vom Leasinggeber geschuldeten und hier sogar schon vollständig erbrachten Leistungen, sondern deshalb geschuldet ist, weil der Leasingnehmer sich vertraglich verpflichtet hat, den Leasinggegenstand in einem Zustand zurückzugeben, der sich noch im Rahmen des vertraglich bestimmten und nur insoweit dem Leasinggeber zugewiesenen Nutzungsrisikos bewegt (vgl. auch de Weerth, a.a.O., unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 18.7.2007 - Rs. C-277/05, a.a.O., Rz. 25 f. m.w.N. - Société thermale d'Eugénie-les-Bains).
Rz. 23
d) Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung kann die hier vereinbarte Zahlung zum Ausgleich eines Minderwerts auch nicht als Entgelt für eine bereits erfolgte Leistung des Leasinggebers in Form der Gebrauchsüberlassung und Duldung der Nutzung über den vertragsgemäßen Gebrauch hinaus angesehen werden. Zwar können nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 9 UStG der Umsatzsteuer unterliegende sonstige Leistungen, die ein Unternehmer gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, auch in einem Gewähren, Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustandes bestehen, wenn die Zahlung der Summe mit einer Leistung des Steuerpflichtigen in Wechselbeziehung steht und deshalb ein Leistungsaustausch stattgefunden hat, dessen Grundlage eine innere Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung ist (BGH, Urt. v. 22.10.1997 - XII ZR 142/95, a.a.O., m.w.N.). Eine solche in einer Wechselbeziehung zum Minderwertausgleich stehende Duldung der Klägerin hat das Berufungsgericht jedoch rechtsfehlerfrei verneint.
Rz. 24
Das Berufungsgericht ist - im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 14.3.2007 - VIII ZR 68/06, a.a.O., Rz. 16 ff.) - davon ausgegangen, dass der Ausgleichszahlung - nicht anders als einer Schadensersatzzahlung - nach Beendigung des Leasingvertrages und Rückgabe der Leasingsache keine steuerbare Leistung des Leasinggebers mehr gegenübersteht und der Leasingnehmer die von ihm noch geschuldete Ausgleichszahlung nicht erbringt, um eine Leistung zu erhalten, sondern weil er vertraglich hierzu verpflichtet ist. Dagegen wendet sich die Revision aus den vorstehenden Erwägungen vergeblich.
Rz. 25
Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass sich anderes auch nicht aus dem Inhalt des Leasingvertrages herleiten und sich ihm insb. nicht entnehmen lasse, dass die Leistung der Klägerin als Leasinggeberin in der Duldung einer Nutzung des Leasingfahrzeugs über den vertraglich vereinbarten Gebrauch hinaus bestehe. Diese tatrichterliche Würdigung, die - soweit sie eine solche Annahme als fernliegend ansieht - zudem mit der Lebenserfahrung im Einklang steht, ist, selbst wenn man angesichts der formularvertraglichen Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen der Parteien von einer uneingeschränkten Nachprüfbarkeit durch den Senat ausgeht, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Revision bringt dagegen nichts vor. Das gilt - worauf auch das von der Revision selbst vorgelegte Urteil des FG Hannover vom 2.12.2010 (5 K 224/09, a.a.O., Rz. 28), dem identische Leasingbedingungen zugrunde gelegen haben, zutreffend hinweist - vorliegend umso mehr, als die Leasingbedingungen der Klägerin, die nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des LG in den Vertrag einbezogen worden sind, unter Abschnitt IX. Abs. 3 im Gegenteil ein Benutzungsrecht des Beklagten sogar ausdrücklich auf eine schonende Behandlung des Fahrzeugs im Rahmen des vertraglichen Verwendungszwecks begrenzt haben.
Rz. 26
e) Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG bedarf es nicht, weil nach der vorstehend unter II 1 dargestellten Rechtsprechung des Gerichtshofs die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt und die Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte der Mitgliedstaaten gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV entfällt ("acte clair"; vgl. nur BGH, Urt. v. 3.11.2010 - VIII ZR 337/09, NJW 2011, 56 Rz. 31; v. 13.1.2011 - III ZR 146/10, MMR 2011, 341 Rz. 35; jeweils m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2712716 |
BFH/NV 2011, 1647 |
DB 2011, 10 |
DB 2011, 2084 |
HFR 2011, 1156 |
UR 2011, 813 |