Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht des Steuerberaters, seinen Mandanten über seine eigene Haftung zu belehren. Verjährungsbeginn bei fehlerhafter Steuererklärung. sekundärer Schadensersatzanspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter ist in gleicher Weise wie ein Rechtsanwalt verpflichtet, seinen Mandanten auf die Möglichkeit seiner eigenen Haftung hinzuweisen und über die hierfür geltenden Verjährungsvorschriften zu belehren.
2. Zur Frage, wann der Lauf der Verjährungsfrist nach § 68 StBerG beginnt, wenn der Steuerberater in der von ihm gefertigten Steuererklärung das Einkommen seines Mandanten zu hoch angibt, das Finanzamt die Steuer entsprechend der Steuererklärung festsetzt und erst eine Betriebsprüfung (bzw. Außenprüfung) zur Herabsetzung der Steuerschuld führt.
Leitsatz (redaktionell)
1. Der steuerliche Berater, der schuldhaft die Pflicht zur Belehrung des Mandanten über einen von ihm, dem Berater, begangenen Fehler und über die Verjährung des daraus entspringenden (primären) Schadensersatzanspruchs verletzt, macht sich erneut schadensersatzpflichtig; er hat daher nach § 249 BGB den Mandanten so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er richtig belehrt worden wäre. Da in diesem Fall nach dem normalen Gang der Dinge die Verjährungsfrist nicht versäumt worden wäre, geht der (sekundäre) Schadensersatzanspruch des Mandanten dahin, daß sein Berater gegenüber dem primären Schadensersatzanspruch die Einrede der Verjährung nicht erhebt; soweit dies dennoch geschieht, kann der sekundäre Schadensersatzanspruch der Einrede der Verjährung als Gegeneinwand (Replik) entgegengesetzt werden.
2. Wird einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten der Auftrag zur Anfertigung einer Einkommenssteuererklärung erteilt, so gehört es in der Regel auch zu seinen Aufgaben, die ergehenden Steuerbescheide zu prüfen und bei etwaigen Fehlern eine Änderung oder Berichtigung herbeizuführen; deshalb entsteht im Falle falscher Steuererklärungen der Anspruch des Mandanten so lange immer wieder neu, als noch eine Berichtigung des ergangenen falschen Steuerbescheids möglich ist.
Normenkette
StBerG § 68; BGB §§ 666, 675
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 26.09.1980) |
OLG Hamburg (Urteil vom 12.09.1980; Aktenzeichen 1 U 55/80) |
LG Hamburg (Urteil vom 01.04.1980; Aktenzeichen 8 O 412/79) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamburg vom 26. September 1980 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger ist teils als alleiniger, teils als Mehrheitsgesellschafter an mehreren Unternehmen beteiligt, die den sogenannten S-Konzern bilden. Der Beklagte war ständig als Wirtschafts- und Steuerberater für die Einzelgesellschaften des Konzerns tätig; er erledigte auch die steuerlichen Angelegenheiten des Klägers und seiner Ehefrau.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger teils aus eigenem Recht, teils aufgrund einer Abtretung seiner Ehefrau den Schaden geltend, den die Eheleute S durch Fehler des Beklagten bei der Abgabe von Steuererklärungen erlitten haben.
In die Steuererklärung für das Jahr 1968 setzte der Kläger als Einkünfte die Ausschüttungen einer der Konzerngesellschaften, der Firma E W und M GmbH, in Höhe von 28.000, – DM ein. Diese Ausschüttung war bereits als Beteiligungsertrag in das Betriebsergebnis der Firma H. W S (Alleininhaber: der Kläger) eingegangen, das der Beklagte ebenfalls ungekürzt in die Einkommenssteuererklärung übernahm. Das Finanzamt erkannte den Fehler nicht und setzte die Steuer entsprechend der Einkommenssteuererklärung vorläufig fest. Für das Jahr 1968 führte das noch nicht zu steuerlichen Nachteilen, da die vom Beklagten deklarierten Einkünfte mit Verlusten verrechnet werden konnten. Bei der Steuererklärung für das Jahr 1969 konnten die Eheleute S jedoch wegen des dem Beklagten unterlaufenen Fehlers nur einen geringeren Verlustvortrag geltend machen, als er sich bei richtiger Abgabe der Steuererklärung ergeben hätte. Dadurch entstand für den Kläger und seine Ehefrau eine Steuermehrbelastung von 15.285,20 DM. Dieser Betrag wurde am 10. Juli 1971 bezahlt.
Bei der Anfertigung der Steuererklärung für das Jahr 1973 setzte der Beklagte unter den Einkünften aus Gewerbebetrieb einen Gewinnanteil aus der Firma W S oHG mit 1.690.539,– DM und Einkünfte aus der Firma Agrarproduktion und Vermögensverwaltung H. W S in Höhe von 915.243,50 DM ein. Er übersah dabei, daß in dem Betriebsergebnis der letztgenannten Firma der Gewinnanteil aus der Firma H. W S oHG in Höhe von 1.690.539,– DM bereits berücksichtigt war. Auch diesen Fehler erkannte das Finanzamt nicht. Die Einkommenssteuer für das Jahr 1970 wurde infolgedessen auf einen Betrag festgesetzt, der die tatsächlich geschuldete Steuer um 900.491,79 DM überstieg. Die Steuer wurde am 1. September 1973 bezahlt.
Die in den Steuererklärungen enthaltenen Fehler wurden bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1977 von den Prüfern entdeckt. Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 22. September 1977 beim Finanzamt die Berichtigung der Einkommenssteuerbescheide. Das Finanzamt gab dem Antrag statt. Die Überzahlung wurde am 11. Januar 1979 verrechnet.
Der Kläger behauptet, ihm seien durch die später zurückerstatteten Zahlungen an das Finanzamt Zinsbelastungen entstanden und Gewinne entgangen, wodurch ihm insgesamt ein Schaden von 453.218,48 DM entstanden sei. Einen Teilbetrag von 161.054,30 DM hat der Kläger an die Firma H. W S GmbH und Co. KG abgetreten. Diese hat ihn gegen den Beklagten in dem Rechtsstreit 1 0 530/77 des Landgerichts Hamburg geltend gemacht; die Klage ist wegen Verjährung abgewiesen worden. Den Restbetrag von 347.640,55 DM verlangt der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit.
Der Beklagte macht dem Kläger zum Vorwurf, er, der Kläger, habe die Beteiligungsverhältnisse in seinen Konzernen so verwickelt gestaltet, daß sich selbst ein Wirtschaftsprüfer darin nicht mehr habe zurechtfinden können. Im übrigen erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hält die Klageforderung für verjährt. Diese Auffassung ist zwar grundsätzlich zutreffend; das Berufungsgericht hat jedoch bei seiner Entscheidung nicht alle maßgeblichen Gesichtspunkte beachtet.
1. Die Verjährung aus § 68 StBerG beginnt mit der Entstehung des Anspruchs; eine Kenntnis des Berechtigten von den anspruchsbegründenden Tatsachen ist nicht erforderlich. Dies ist in der Rechtsprechung anerkannt (BGHZ 73, 363, 365; BGH Urteil vom 18. Juni 1979 – VII ZR 157/78 – NJW 1979, 2211; vgl. auch Urteil vom 10. April 1968 – V ZR 13/65 – NJW 1968, 1381, dort auch weitere Nachweise). Der Senat hält an dieser Auffassung trotz der in letzter Zeit im Schrifttum geübten Kritik (van Venrooy DB 1981, 2364) fest. Es läßt sich zwar nicht leugnen, daß die Frist des § 68 StBerG unter Berücksichtigung der Belange der geschädigten Mandanten zu kurz ist (so van Venrooy aaO; ähnlich für § 51 BRAO der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes im Urteil vom 20. Mai 1975 – VI ZR 138/74 – NJW 1975, 1655). Der Gesetzgeber wollte jedoch wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt und durch die Entstehungsgeschichte bestätigt wird, den Beginn der Verjährung nicht an die Kenntnis des Mandanten von den anspruchsbegründenden Umständen knüpfen. Ob er dabei die Interessen des steuerlichen Beraters gegenüber den Interessen des Mandanten überbewertet hat, ist unerheblich. Das Gericht muß die Interessenabwägung des Gesetzgebers hinnehmen, soweit sie sich innerhalb des verfassungsrechtlich Zulässigen hält.
Auch die Abweichung des Wortlauts des § 68 StBerG von dem des § 51 BRAO kann keine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Eine besondere Verjährungsvorschrift für Schadensersatzansprüche gegen steuerliche Berater wurde erstmals durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 11. August 1972 (BGBl I 1401) als § 29 a in das Steuerberatungsgesetz eingefügt. Die Bestimmung geht auf den von den Abgeordneten von Bockelberg, Ott und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer – Steuerberater (BT-Drucks. VI/1617) zurück; § 51 dieses Entwurfs stimmte wörtlich mit § 51 BRAO überein. Er wurde im Rahmen der Ausschußberatungen in den Entwurf des zweiten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (BT-Drucks. VI/ 1424 als § 29 a) übernommen. In der Ausschußsitzung vom 4. November 1971 (Prot. Nr. 44 Seite 9 f.) regte der Vertreter des Bundesfinanzministeriums an, die Worte „spätestens jedoch in drei Jahren nach der Beendigung des Auftrags” zu streichen, der Mandant müsse auch im Falle späterer Betriebsprüfungen noch Ersatzansprüche stellen können. Dem schloß sich der Finanzausschuß und später auch das Plenum des Bundestags an. Van Venrooy (aaO S. 2368) bemerkt mit Recht, daß die Änderung nicht folgerichtig war: Die Streichung der zweiten Alternative des Entwurfs konnte Mandanten bei Schäden, die durch eine nach Jahren vorgenommene Betriebsprüfung aufgedeckt wurden, nicht helfen, wenn im Zeitpunkt der Betriebsprüfung die Verjährungsfrist aus der ersten Alternative bereits abgelaufen war. Die hierin liegende Inkonsequenz ist jedoch dadurch beseitigt worden, daß die Rechtsprechung angenommen hat, der Schadensersatzanspruch des Mandaten entstehe, wenn ein Fehler des Steuerberaters zu einem ungünstigen Ergebnis der Außenprüfung geführt hat, mit der Schlußbesprechung.
2. Mit Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß im vorliegenden Fall der Anspruch spätestens im Jahre 1973 entstanden ist.
a) Der Bundesgerichtshof hat zwar mehrfach ausgesprochen, daß der Schadensersatzanspruch wegen Fehler des Steuerberaters, die bei einer Außen(Betriebs)prüfung aufgedeckt werden, erst mit der im Rahmen der Prüfung abgehaltenen Schlußbesprechung entstehen; erst mit diesem Zeitpunkt beginne daher auch die Verjährungsfrist zu laufen (BGHZ 73, 363; BGH Urteil vom 18. Juni 1979 – VII ZR 257/78 – NJW 1979, 2211). In den damals entschiedenen Fällen hatten die Fehler der steuerlichen Berater bei der ursprünglichen Festsetzung der Steuer zu keinen Nachteilen für den Steuerpflichtigen – möglicherweise sogar zu Vorteilen – geführt. Ob eine etwaige Außenprüfung zur Nacherhebung von Steuern führen würde, war noch völlig offen. Ein folgenlos gebliebener Fehler des steuerlichen Beraters begründet aber ebensowenig einen Schadensersatzanspruch wie die bloße Möglichkeit, daß einmal aus Fehlern ein Schaden entstehen kann. Hier war es aber anders: Infolge der fehlerhaften Steuererklärung war bereits bei der vorläufigen Festsetzung der Einkommenssteuer eine vermeidbare steuerliche Mehrbelastung entstanden; die Außenprüfung hat nicht etwa den Schaden herbeigeführt, sondern ihn teilweise wieder beseitigt.
b) Die Revision meint demgegenüber: Aufgrund der Bestandskraft der ergangenen Steuerbescheide habe zunächst einmal die Höhe der vom Kläger und der Zedentin zu zahlenden Steuerschuld festgestanden; dies sei auch von den ordentlichen Gerichten zu respektieren gewesen. Sie hätten daher davon ausgehen müssen, daß die vom Finanzamt festgesetzte Steuer vom Kläger und seiner Ehefrau tatsächlich geschuldet wurde. Infolgedessen hätte, solange der Steuerbescheid nicht aufgehoben war, eine Schadensersatzklage gegen den Beklagten nicht mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden können. Diese Ansicht ist unzutreffend. Wäre sie richtig, so könnte der Mandant in allen Fällen, in denen ein Fehler des steuerlichen Beraters zu einer der objektiven Rechtslage nicht entsprechenden, aber aus formellen Gründen nicht mehr zu beseitigenden Steuerfestsetzung geführt hat, keine Schadensersatzansprüche stellen (vgl. dazu BGHZ 72, 299).
3. a) Das Berufungsgericht hat jedoch nicht beachtet, daß der Anspruch des Klägers und seiner Ehefrau so lange immer wieder neu entstand, als noch eine Berichtigung des ergangenen falschen Steuerbescheids möglich war. Wird einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten der Auftrag zur Anfertigung einer Einkommenssteuererklärung erteilt, so gehört es in der Regel auch zu seinen Aufgaben, die ergehenden Steuerbescheide zu prüfen und bei etwaigen Fehlern eine Änderung oder Berichtigung herbeizuführen. Daß die Parteien den vertraglichen Wirkungskreis des Beklagten enger gezogen hätten, ist nicht behauptet worden; es ist auch angesichts der Tatsache, daß dem Beklagten die Erledigung aller steuerlichen Angelegenheiten des S- Konzerns übertragen war, unwahrscheinlich. Eine Berichtigung der Veranlagung war auf jeden Fall deshalb zulässig, weil die Einkommenssteuer nach § 100 Abs. 2 AO a.F. nur vorläufig festgesetzt worden war.
b) Unter diesem Gesichtspunkt könnte der Kläger allerdings höchstens Ersatz des Schadens (Zinsverlust, entgangener Gewinn) begehren, der innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren vor Klageerhebung entstanden ist. Der Beklagte wäre jedoch nicht nur verpflichtet gewesen, eine Änderung oder Berichtigung des Steuerbescheids herbeizuführen; er hätte den Kläger (und dessen Ehefrau) auch darauf hinweisen müssen, daß der sich aus seiner Pflichtverletzung ergebende Schadensersatzanspruch innerhalb von drei Jahren verjährt. Eine solche Belehrungspflicht wird zwar vielfach geleugnet, jedoch zu Unrecht.
§ 29 a des Steuerberatungsgesetzes vom 11. August 1972 (BGBl I 1401), der mit unverändertem Wortlaut als § 68 in die heutige Fassung des Gesetzes übernommen worden ist, ist bewußt dem § 51 BRAO nachgebildet. Wie bereits ausgeführt, geht die Vorschrift zurück auf den Antrag der Abgeordneten von Bockelberg, Ott und Genossen (BT-Drucks. VI/1617), deren § 51 wörtlich mit § 51 BRAO übereinstimmt. Die gleiche Fassung hatte § 29 a der Änderungsvorschläge der SPD-Fraktion zum 2. Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (Anlage 7 zum Kurzprotokoll der 42. Sitzung des Finanzausschusses am 14. Oktober 1971). Obwohl im Laufe der Beratung die bereits erwähnte Änderung zu Gunsten des Mandanten vorgenommen war, wurde im Bericht des Finanzausschusses (BT-Drucks. VI/3456) zu Nr. 10 e des Entwurfs ausgeführt, die bislang 30-jährige Verjährungsfrist für Ansprüche aus Auftragsverhältnissen werde „in Anlehnung an § 51 BRAO” auf drei Jahre verkürzt. Bei der abschließenden Beratung des Gesetzes ist man auf diesen Punkt nicht mehr zurückgekommen. Gesetzgeberisches Motiv war demnach der Wunsch, die Verjährung von Schadensersatzansprüchen aus Steuerberatungsverträgen der für Anwälte geltenden Regelung anzupassen; dieses Bestreben war verständlich, weil ja die berufliche Tätigkeit der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten ebenso wie die der Rechtsanwälte in der Rechtsberatung und der Besorgung von Rechtsangelegenheiten – allerdings auf einem beschränkten Gebiet – besteht. Der Wille des Gesetzgebers ging also dahin, die steuerberatenden Berufe hinsichtlich der Verjährungsfrage den Rechtsanwälten gleichzustellen, wobei lediglich wegen der Besonderheiten des Steuerverfahrens (Betriebsprüfung) eine Klage auch noch nach Ablauf von drei Jahren seit Beendigung des Auftrags möglich sein sollte. Keineswegs war beabsichtigt, die Steuerberater und Steuerbevollmächtigten in der Verjährungsfrage besser zu stellen als Rechtsanwälte.
Daß ein Rechtsanwalt verpflichtet ist, seinen Mandanten nicht nur auf den von ihm begangenen Fehler, sondern auch auf die für den Schadensersatz geltende Verjährungsfrist hinzuweisen, war jedoch im Jahre 1972 bereits seit langem in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt (RGZ 158, 130; RG DR 1940, 453; BGH Urteil vom 11. Juli 1967 – VI ZR 41/66 – VersR 1967, 979; vom 19. Mai 1970 – VI ZR 27/69, VersR 1970, 815, 818; Palandt/Danckelmann BGB 30. Aufl. § 198 Anm. 2; Erman/Hefermehl, BGB 5. Aufl. § 198 Rdn. 10; Carl JW 1938, 2968; Brandner AnwBl 1969, 384); an dieser Auffassung haben Rechtsprechung und Schrifttum auch bis heute festgehalten (vgl. etwa BGH Urteil vom 20. Mai 1975 – VI ZR 138/74 – NJW 1975, 1655; ferner vom 1. Februar 1977 – VI ZR 43/75 – und vom 8. März 1977 – VI ZR 142/75 – VersR 1977, 617; 1977, 622, 624; Johannsen in RGRK BGB 12. Aufl. § 198 Rdn. 15). Es liegt deshalb nahe, auch für die Angehörigen der steuerberatenden Berufe die gleiche Verpflichtung anzunehmen.
Demgegenüber kann nicht geltend gemacht werden, die Annahme einer Belehrungspflicht des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten würde „die aus wohlerwogenen Gründen erlassene Verjährungsfrist des § 68 StBerG aushöhlen” (so Graefe/Suhr, Die Haftung des Steuerberaters 1978 S. 111). Wäre dies richtig, so müßte man auch der Rechtsprechung den Vorwurf machen, sie höhle durch die Annahme einer Belehrungspflicht des Rechtsanwalts die Vorschrift des § 51 BRAO aus. Diesen Vorwurf wollen selbst Graefe/Suhr nicht erheben. Der Gesetzgeber wollte aber, wie oben ausgeführt, die Verjährung der Schadensersatzansprüche gegen die Angehörigen der steuerberatenden Berufe keineswegs strenger gestalten als dies durch § 51 BRAO für die Ansprüche gegen die Rechtsanwälte geschehen war.
Ebensowenig läßt sich eine Anwendung der von der Rechtsprechung in Anwaltssachen aufgestellten Grundsätze mit der Begründung verneinen, das Berufsbild des Steuerberaters sei wesentlich anders geartet als das des Rechtsanwalts (so OLG Stuttgart Stb 1977, 263). Vielmehr stimmen gerade das Berufsbild des Rechtsanwalts einerseits und das des Steuerberaters und Steuerbevollmächtigten andererseits weitgehend überein. Die Aufgabe beider Berufsgruppen besteht in der rechtlichen Beratung und in der Erledigung von Rechtsangelegenheiten für ihre Mandanten. Für die steuerberatenden Berufe ist das Dauermandat typisch, d.h. die Betrauung mit der Erledigung aller anfallenden steuerlichen Angelegenheiten des Mandanten, vielfach auch mit der Führung der Buchhaltung. Steuerberater und Steuerbevollmächtigte stehen daher zu ihren Mandanten häufig in einem engen Vertrauensverhältnis. Die enge persönliche Bindung zwischen Berater und Mandant verstärkt die vertragliche Treuepflicht und damit auch die daraus entspringenden Auskunfts- und Belehrungspflichten.
Der steuerliche Berater verstößt durch die Belehrung seines Mandanten über bestehende Schadensansprüche gegen sich selbst nicht gegen § 1 des Rechtsberatungsgesetzes. Diese Gesetzesvorschrift verbiete den Angehörigen der steuerberatenden Berufe nicht eine rechtsberatende und rechtsbesorgende Tätigkeit schlechthin, sondern lediglich eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, soweit diese nicht in den in § 1 StBerG umschriebenen Aufgabenbereich fallen; das Rechtsverhältnis zwischen dem steuerlichen Berater und seinen Mandanten ist aber für jenen keine fremde Rechtsangelegenheit. Die Rechtsordnung sieht in einer Reihe von Fällen vor, daß der eine Vertragspartner den anderen über seine Rechte aus dem Vertragsverhältnis belehren muß, so z.B. in § 12 Abs. 3 VVG, in § 564 a Abs. 2 BGB, in § 1 b Abs. 2 Satz 2 AbzG und in § 6 der AVB für die Lebensversicherung (Musterbedingungen für die Großlebensversicherung).
Schließlich kann auch nicht geltend gemacht werden, dem Steuerberater werde nur ein Mandat zur Bearbeitung steuerrechtlicher Fragen, nicht aber zur Wahrnehmung anderer rechtlichen Interessen seines Mandanten erteilt. Auch ein Rechtsanwalt ist in der Regel nicht mit der Erledigung aller Rechtsangelegenheiten seines Mandanten betraut; ein Mandat zur Prüfung und Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen sich selbst kann ihm schon aus Rechtsgründen nicht übertragen werden. Nur in Ausnahmefällen umfaßt die im Anwaltsvertrag versprochene Leistung auch die Prüfung der Frage, inwieweit der Anwalt selbst dem Mandanten schadensersatzpflichtig ist. Das war z.B. dann der Fall, wenn der Anwalt mit der Geltendmachung eines auf § 839 a.F. BGB gestützten Anspruchs wegen fahrlässiger Amtspflichtsverletzung beauftragt war. Nach Absatz 1 Satz 2 dieser Gesetzesvorschrift konnte die öffentliche Hand nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Geschädigte auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermochte; der Anwalt hatte daher bei der Prüfung der Klageaussichten sein Augenmerk auch darauf zu richten, ob die Amtshaftungsklage etwa deshalb unbegründet war, weil er, der Anwalt, dem Mandanten zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet war. Ein solcher Fall lag der Entscheidung RGZ 158, 130 zugrunde (vgl. dazu Brandner Anwaltsblatt 1969, 384). Eine allgemeine Belehrungspflicht des Rechtsanwalts kann aus diesem Gesichtspunkt nicht abgeleitet werden; sie läßt sich vielmehr allein aus der beim Anwaltsvertrag bestehenden Interessenlage rechtfertigen. Der Anwalt ist in der Regel seinen Mandanten an Rechtskenntnissen weit überlegen; gerade das Gefühl der eigenen Rechtsunkenntnis ist es ja, das die meisten Parteien zur Inanspruchnahme eines Anwalts veranlaßt. Diese Rechtsunkenntnis hindert aber den Mandanten auch daran, Fehler des Rechtsanwalts alsbald zu erkennen und ohne fremde Hilfe die zur Wahrnehmung der eigenen Rechte erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Einführung einer kurzen Verjährungsfrist, deren Lauf bereits mit der Entstehung des Anspruchs und nicht erst, wie z.B. nach § 852 BGB, mit der Kenntnis des Anspruchsberechtigten beginnt, stellt daher den Mandanten, der keine rechtliche Belehrung erhält, teilweise rechtlos. Er könnte sich gegen die hieraus entspringenden Gefahren nur dadurch sichern, daß er einen anderen Rechtskundigen mit der Überwachung seines Rechtsanwalts beauftragt. Ein solches Vorgehen wäre aus vielerlei Gründen untunlich und insbesondere mit dem Vertrauensverhältnis, das zwischen einem Mandanten und seinem Anwalt bestehen soll, unvereinbar. Dennoch hat es der Gesetzgeber für richtig gehalten, dem Wunsch der Anwaltschaft auf Abkürzung der Verjährungsfrist in einer für den Mandanten sehr einschneidenden Weise Rechnung zu tragen. Er wollte den Anwalt davor schützen, daß die Folgen berufstypischer Risiken ihn auf unabsehbare Zeit hinaus in nicht überschaubarer Weise wirtschaftlich bedrohen. Mit rechtsstaatlichen Grundsätzen läßt sich eine solche gesetzliche Regelung nur dann vereinbaren, wenn man zum Ausgleich strenge Anforderungen an die Pflicht des Rechtsanwalts stellt, den Mandanten auch über die gegen ihn, den Anwalt, selbst gerichteten Ansprüche aufzuklären und gegebenenfalls auch deren Verjährung vorzubeugen (BGH Urteil vom 20. Mai 1975 – VI ZR 138/74 – NJW 1975, 1655, 1656 rechts unten). Die Notwendigkeit einer solchen Belehrung wird von der Anwaltschaft nicht bezweifelt (vgl. Brandner aaO). Sie steht auch mit dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel nicht im Widerspruch; dieser wollte lediglich verhindern, daß Anwälte auf lange Zeit hinaus mit ungeklärten Haftpflichtansprüchen belastet werden; keineswegs wollte er ihnen ein Mittel an die Hand geben, mit dem sie materiell begründete Schadensersatzansprüche aus rein formellen Gründen zu Fall bringen könnten. Bei den Angehörigen der steuerberatenden Berufe ist die Interessenlage die gleiche; die hier dargelegten Erwägungen treffen daher auch für das Verhältnis zwischen dem steuerlichen Berater und seinem Mandanten zu, zumal § 68 StBerG dem § 51 BRAO bewußt nachgebildet worden ist.
c) Der steuerliche Berater, der schuldhaft die Pflicht zur Belehrung des Mandanten über einen von ihm, dem Berater, begangenen Fehler und über die Verjährung des daraus entspringenden (primären) Schadensersatzanspruchs verletzt, macht sich erneut schadensersatzpflichtig; er hat daher nach § 249 BGB den Mandanten so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er richtig belehrt worden wäre. Da in diesem Fall nach dem normalen Gang der Dinge die Verjährungsfrist nicht versäumt worden wäre, geht der (sekundäre) Schadensersatzanspruch des Mandanten dahin, daß sein Berater gegenüber dem primären Schadensersatzanspruch die Einrede der Verjährung nicht erhebt; soweit dies dennoch geschieht, kann der sekundäre Schadensersatzanspruch der Einrede der Verjährung als Gegeneinwand (Replik) entgegengesetzt werden.
Ob der Beklagte bei dem damaligen Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum erkennen konnte, daß er dem Kläger eine Belehrung über den Beginn und die Dauer der Verjährungsfrist schuldete, und ob aus diesem Grunde die Verletzung dieser Verpflichtung schuldhaft war, braucht jetzt noch nicht abschließend entschieden zu werden. Der Kläger hat seinen primären Schadensersatzanspruch verjähren lassen, weil er nicht wußte, daß der Beklagte eine unrichtige Steuererklärung abgegeben und ihm dadurch Schaden zugefügt hatte. Wäre er hierüber rechtzeitig unterrichtet worden, so hätte er die Klage möglicherweise auch dann fristgerecht erhoben, wenn ihm vom Beklagten keine Belehrung über die Verjährungsfrist erteilt worden wäre. Der Tatrichter wird diese Frage nach § 287 ZPO zu beurteilen haben. In diesem Zusammenhang kann es von Bedeutung sein, daß die Klage im Vorprozeß bereits 9 Monate nach der Aufdeckung des Fehlers eingereicht wurde.
Erkennbar war für den Beklagten auf jeden Fall, daß er den Kläger unterrichten mußte, wenn er einen Fehler in der von ihm abgegebenen Steuererklärung entdeckte und aus diesem Grunde eine Berichtigung des Steuerbescheides beantragte. Einem Steuerberater muß, ebenso wie einem Anwalt, bekannt sein, daß er seinem Mandanten nach den §§ 666, 675 BGB die erforderlichen Nachrichten geben muß.
d) Entscheidend ist demnach in erster Linie, ob der Beklagte später Anlaß hatte, die von ihm verfaßte Steuererklärung und den darauf ergangenen Steuerbescheid zu überprüfen. Mit Sicherheit bestand ein solcher Anlaß, als der Steuerbescheid vom Finanzamt zurück kam; tatsächlich hat der Beklagte auch die ergangenen Bescheide geprüft und mit einem Prüfungsvermerk versehen, dabei allerdings den Fehler nicht bemerkt. Auch konnte die Erstellung der Einkommenssteuererklärung für die folgenden Jahre möglicherweise Veranlassung geben, auf die vorausgegangenen Steuererklärungen zurückzugreifen und sie einer Durchsicht zu unterziehen. Die Parteien erhalten durch die Zurückverweisung Gelegenheit, diese Frage zu erörtern und ihr Vorbringen insoweit zu ergänzen.
Fundstellen
Haufe-Index 2027367 |
BGHZ, 17 |
NJW 1982, 1285 |
ZIP 1982, 451 |