Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberaterhaftung bei Anlageberatung und verschwiegener Provision von Drittem
Leitsatz (amtlich)
Ein Steuerberater, der sich pflichtwidrig von einem Dritten eine Provision dafür gewähren läßt, daß er seinen Mandanten zu einem Vertragsschluß mit dem Dritten veranlaßt, und die Zuwendung seinem Mandanten nicht offenbart (BGH, 19.06.1985, IVa ZR 196/83, BGHZ 95, 81), hat dem Mandanten einen durch die Anlageentscheidung eintretenden Schaden zu ersetzen, auch wenn ihm kein weiteres Versehen, etwa eine falsche Beratung, anzulasten ist.
Leitsatz (redaktionell)
Der aus Anlaß einer Anlageentscheidung befragte Steuerberater muß auch ungefragt wesentliche, steuerlich bedeutsame Einzelheiten darlegen und über ihre Folgen belehren. Insbesondere einem steuerlich wenig bewanderten Mandanten gegenüber trifft den steuerlichen Berater eine weitgehende Beratungspflicht. Das gilt indessen zunächst nur für die eigentlichen steuerrechtlichen Fragen, also z. B. insbesondere die Funktionsweise eines Bauherrenmodells und die Auswirkungen eines Beitritts auf das Vermögen des Mandanten. Zur Prüfung eines bestimmten Anlagemodells auf seine Wirtschaftlichkeit und Qualität ist er dagegen nur verpflichtet, wenn er damit eigens beauftragt ist. Allerdings kann der steuerliche Berater im Rahmen seiner allgemeinen Vertragspflicht, seinen Mandanten vor Schaden zu bewahren, auch gehalten sein, auf etwaige wirtschaftliche Fehlentscheidungen hinzuweisen, wenn diese offen zutage liegen.
Normenkette
BGB §§ 675-676; StBerG §§ 68, 57, 33
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 21.01.1986; Aktenzeichen 10 U 77/85) |
LG Rottweil (Urteil vom 21.02.1985; Aktenzeichen 2 O 364/84) |
Tatbestand
Der beklagte Steuerbevollmächtigte führte für den Kläger zu 1), einen niedergelassenen Arzt, über mehrere Jahre hinweg die Buchhaltung, fertigte die Jahresabschlüsse und beriet die klagenden Eheleute in steuerlichen Angelegenheiten. Bei einer Besprechung im November 1980 errechnete er die voraussichtliche Einkommensteuerschuld der Kläger und wies sie auf deren Frage, was sie zur Verringerung ihrer Steuerschuld unternehmen könnten, auf verschiedene steuersparende Geldanlagemöglichkeiten hin. Unter anderem zeigte er ihnen auch Prospekte sogenannter „Bauherrenmodelle”. Er rechnete den Klägern überschlägig aus, zu welcher Steuerersparnis und zu welchen Liquiditätsfolgen für sie die Teilnahme an einem solchen Bauherrenmodell führen würde. Als sich die Kläger für eine bestimmte Anlage in M. interessierten, verständigte der Beklagte ein Immobilienbüro, dem die Vermittlung der in diesem Modell zu errichtenden Eigentumswohnungen oblag. Durch Vermittlung des in diesem Immobilienbüro damals tätigen Zeugen St. kam es zum Beitritt der Kläger zu einer Bauherrengemeinschaft. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte den Klägern dieses bestimmte Anlageobjekt empfohlen hat oder ob er sogar beauftragt war, die Wirtschaftlichkeit und die Qualität des Objekts für die Kläger zu prüfen. Er erstellte unmittelbar nach dem Beitritt der Kläger – ohne deren Wissen – eine „Honorarrechnung” über 3.088,50 DM, die er über den Zeugen St. dem Bauträger zuleiten ließ und durch Überweisung vom Bauherrenkonto der Kläger bezahlt erhielt. Diesen Betrag hat der Beklagte inzwischen zurückgezahlt. Im September 1982 stellte der Bauträger Vergleichsantrag; die Bauherren ließen daraufhin das Objekt durch andere Firmen unter Aufwendung erheblicher zusätzlicher Mittel fertigstellen.
Die Kläger begehren vom Beklagten Schadensersatz wegen falscher Beratung über die Wirtschaftlichkeit und die Risiken des Objektes. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß sich Inhalt und Umfang der Pflichten des Steuerberaters in erster Linie nach dem ihm im jeweiligen Einzelfall erteilten Auftrag richten. Eine Pflicht des Steuerberaters, seinen Mandanten in umfassender Weise über die Konsequenzen und Risiken des Beitritts zu einem Bauherrenmodell zu beraten, könne deshalb nur dann entstehen, wenn ihn der Mandant um die Prüfung eines ganz bestimmten Projekts ersucht und der Steuerberater diese Prüfung mindestens stillschweigend übernommen habe. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 9. Dezember 1981 – IVa ZR 42/81 – VersR 1982, 245 und ständig). Allerdings muß der aus Anlaß einer Anlageentscheidung befragte Steuerberater auch ungefragt wesentliche, steuerlich bedeutsame Einzelheiten darlegen und über ihre Folgen belehren. Insbesondere einem steuerlich wenig bewanderten Mandanten gegenüber trifft den Steuerberater und ebenso den Steuerbevollmächtigten eine weitgehende Beratungspflicht. Das gilt indessen zunächst nur für die eigentlichen steuerrechtlichen Fragen, also hier insbesondere die Funktionsweise eines Bauherrenmodells und die Auswirkungen eines Beitritts auf das Vermögen des Mandanten. Zur Prüfung eines bestimmten Anlagemodells auf seine Wirtschaftlichkeit und Qualität ist der Steuerberater dagegen nur verpflichtet, wenn er damit eigens beauftragt ist. Allerdings kann der steuerliche Berater im Rahmen seiner allgemeinen Vertragspflicht, seinen Mandanten vor Schaden zu bewahren, auch gehalten sein, auf etwaige wirtschaftliche Fehlentscheidungen hinzuweisen, wenn diese offen zutage liegen (Senatsurteil vom 4. März 1987 – IVa ZR 222/85 – zur Veröffentlichung bestimmt).
Das dem Beklagten vom Bauträger gezahlte Honorar qualifiziert der Berufungsrichter ohne Rechtsverstoß als – standesrechtlich nicht erlaubte – Vermittlungsprovision, die ihm für die erfolgreiche Nennung der Kläger als Interessenten zugewendet worden sei. Eine Schadensersatzpflicht des Beklagten – so fährt das Berufungsgericht fort – könnte daraus aber nur dann abgeleitet werden, wenn der Beklagte zugleich auch die Beratung der Kläger hinsichtlich ihres Beitritts zu der Bauherrengemeinschaft übernommen hätte. In diesem Falle würde der Beklagte selbst dann für einen etwaigen Schaden haften, wenn ihm eine Fehlberatung nicht vorzuwerfen wäre. Auch dieser rechtliche Ansatz ist richtig. Der Senat hat wiederholt ausgesprochen (zuletzt in BGHZ 95, 81), daß der Steuerberater, der sich von einem Dritten eine Provision dafür gewähren läßt, daß er seinen Mandanten zu einem Vertragsschluß mit diesem Dritten veranlaßt, pflichtwidrig handelt, wenn er die ihm zugewendete Provision seinem Mandanten nicht offenbart. Mit dem dem Beklagten zugeflossenen „Honorar” verhält es sich nicht anders. Es wurde zwar zu Lasten des Bauherrenkontos der Kläger verbucht, sollte also letztlich von diesen getragen werden. Da das aber ohne Wissen der Kläger geschah, erscheint die Zahlung – wie das Berufungsgericht ausdrücklich feststellt – in Wahrheit als eine Zuwendung des verfügungsberechtigten Bauträgers für die Benennung der Kläger. Den aus dieser Pflichtwidrigkeit entstehenden Schaden hat der Berater seinem Mandanten zu ersetzen. Dabei kommt es nur darauf an, ob sich die Vermögenslage des Mandanten ohne die Pflichtwidrigkeit günstiger gestaltet hätte, als sie sich infolge der Pflichtwidrigkeit darstellt. Es muß sich also feststellen lassen, daß der Mandant bei einer Offenbarung der Provisionszahlung die Anlageentscheidung nicht getroffen hätte, wovon nach der Lebenserfahrung häufig auszugehen sein wird, und daß das Vermögen des Mandanten sich durch die Anlageentscheidung gemindert hat. Dagegen ist nicht Voraussetzung eines derartigen Schadensersatzanspruchs, daß dem Berater ein weiteres Versehen, etwa eine falsche Beratung, anzulasten ist. Erforderlich ist aber jedenfalls, daß der Steuerberater den Mandanten hinsichtlich eines bestimmten Objekts berät und es ihm empfiehlt; denn mit dem nur allgemeinen Hinweis auf beliebige Bauherrenmodelle handelt er – wenn nicht weiteres hinzutritt – nicht pflichtwidrig.
II. Das Berufungsgericht hält es indessen weder für erwiesen, daß der Beklagte den Klägern den Beitritt zu der gewählten Bauherrengemeinschaft empfohlen habe, noch daß er damit beauftragt gewesen sei, die Konsequenzen und Risiken dieser Geldanlage im einzelnen für sie zu prüfen. Der Beklagte habe sich lediglich dahin über die Bonität des Bauträgers geäußert, daß ihm hierüber nichts Nachteiliges bekannt sei, und zwar auch nachdem er einen Kollegen hierzu um Auskunft gebeten habe. Eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtwidrigkeit des Beklagten ist danach nicht festgestellt.
Die Revision rügt aber zu Recht, daß der Tatrichter die Vorschrift des § 448 ZPO verletzt hat. Die Kläger hatten in beiden Instanzen ihre eigene Parteivernehmung nach § 448 ZPO zu ihrem Vortrag beantragt. Das Berufungsgericht erläutert nicht, weshalb es diesem Antrag nicht entsprochen hat. Zwar beruht die Anwendung oder Nichtanwendung des § 448 ZPO auf einer Ermessensentscheidung des Tatrichters; doch handelt es sich dabei nicht um freies, sondern um pflichtgemäßes Ermessen. Der Tatrichter muß zwar nicht in jedem Fall, in dem die Anwendung der Vorschrift in Betracht kommt, seine Gründe darlegen, die ihn bewogen haben, von der Möglichkeit der Parteivernehmung keinen Gebrauch zu machen (BGH Urteil vom 6.3.1957 – IV ZR 303/56 – LM ZPO § 448 Nr. 2). Wird aber eine Parteivernehmung beantragt, befindet sich die beweisbelastete Partei zudem in Beweisnot und spricht für die Richtigkeit des Tatsachenvortrags dieser Partei eine gewisse Wahrscheinlichkeit, so ist der Tatrichter gehalten, in nachprüfbarer Weise darzulegen, weshalb er von einer Parteivernehmung abgesehen hat. Anderenfalls liegt ein Rechtsfehler vor (BGH Urteil vom 1.2.1983 – VI ZR 152/81 – LM ZPO § 448 Nr. 6 = NJW 1983, 2033). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die beweisbelasteten Kläger hatten ihre Parteivernehmung beantragt und befinden sich in Beweisnot. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Vortrag der Kläger läßt sich nach Sachlage nicht verneinen. Die Kläger haben unstreitig ihren endgültigen Entschluß, sich an dem Bauherrenmodell zu beteiligen, dem Zeugen St. gegenüber davon abhängig gemacht, daß der Beklagte die Angelegenheit für sie gründlich überprüft. Das Berufungsgericht würdigt die Anhörung der Parteien und die Vernehmung des Zeugen St. zwar dahin, danach sei eher die Annahme gerechtfertigt, die Kläger hätten ihren Beitritt zur Bauherrengemeinschaft zwar von einer konkreten und umfassenden Prüfung durch den Beklagten abhängig machen wollen, diesen ihren Wunsch aber dem Beklagten gegenüber nicht zum Ausdruck gebracht. Die Revision weist aber zu Recht darauf hin, daß der Berufungsrichter dabei die Beweisaufnahme nicht voll ausgeschöpft hat. Der Zeuge St. hat bei seiner Vernehmung auch bekundet, er habe später beim Kläger zu 1) wieder angerufen und sich erkundigt, zu welchem Ergebnis dieser nun gekommen sei; der Kläger zu 1) habe sich angeblich in der Zwischenzeit mit seinem Steuerberater besprochen und das Zahlenwerk mit ihm durchgerechnet. Unstreitig hat der Beklagte schließlich vom Bauträger die als „Honorar” bezeichnete Provision gefordert und erhalten, was auf eine dadurch abgegoltene Tätigkeit hindeutet. Unter diesen Umständen bedurfte das Absehen von der beantragten Parteivernehmung der Kläger einer für den Revisionsrichter nachprüfbaren Begründung. Auf diesem Verstoß kann das Berufungsurteil beruhen.
Fundstellen
Haufe-Index 2101136 |
BB 1987, 1418 |
ZIP 1987, 1054 |