Entscheidungsstichwort (Thema)
LSt- bzw. ESt-Erstattungsansprüche sind keine Bezüge aus einem Dienstverhältnis
Leitsatz (amtlich)
1. Die Abtretung der Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis an einen vom Insolvenzgericht bestimmten Treuhänder erfasst nicht den Anspruch auf Erstattung von Lohn- und Einkommensteuerzahlungen.
2. In der Wohlverhaltensperiode besteht kein allgemeines Aufrechnungsverbot für die Insolvenzgläubiger.
Normenkette
InsO § 287 Abs. 2, § 294 Abs. 1, 3; BGB § 394; AO 1977 § 37 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 19.12.2003; Aktenzeichen 8 S 9/03) |
AG Dortmund (Urteil vom 13.05.2003; Aktenzeichen 134 C 13813/02) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Dortmund v. 19.12.2003 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin befindet sich seit dem 26.7.2001 in der sog. Wohlverhaltensperiode nach vorangegangenem, im Jahre 2000 eröffnetem Verbraucherinsolvenzverfahren. Mit Einkommensteuerbescheiden v. 31.7.2002 setzte das dem beklagten Land angehörige Finanzamt Steuererstattungsansprüche für den Veranlagungszeitraum 2000i.H.v. 426,13 EUR und für das Jahr 2001 über 596,50 EUR fest, zahlte diese jedoch nicht an die Klägerin aus, sondern rechnete mit rückständigen, noch vor Insolvenzeröffnung begründeten Steuerforderungen auf. Das AG hat die Klage auf Zahlung der Steuererstattungsforderung abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und dies damit begründet, § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO stehe der von dem Beklagten erklärten Aufrechnung nicht entgegen.
Mit ihrer zugelassenen Revision beantragt die Klägerin, nach ihren Schlussanträgen aus der Berufungsinstanz zu erkennen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsurteil ist nicht schon deshalb von Amts wegen aufzuheben, weil es den Berufungsantrag der Klägerin nicht ausdrücklich wiedergibt.
Gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO reicht für die Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil anstelle des Tatbestandes aus. Eine solche Verweisung kann sich allerdings nicht auf den in zweiter Instanz gestellten Berufungsantrag der Klägerin erstrecken. Denn eine Aufnahme der Berufungsanträge in das Berufungsurteil ist auch nach neuem Recht, das eine weit gehende Entlastung der Berufungsgerichte bei der Urteilsabfassung bezweckt (Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 540 Rz. 1), nicht entbehrlich (BGH v. 26.2.2003 - VIII ZR 262/02, BGHZ 154, 99 [100 f.] = MDR 2003, 765 = BGHReport 2003, 629; v. 30.9.2003 - VI ZR 438/02, BGHZ 156, 216 [217 f.] = BGHReport 2004, 272 m. Anm. Schultz = MDR 2004, 289; Urt. v. 22.12.2003 - VIII ZR 122/03, MDR 2004, 464 = BGHReport 2004, 474 = NJW-RR 2004, 494; v. 13.1.2004 - XI ZR 5/03, BGHReport 2004, 548 = MDR 2004, 704 = NJW-RR 2004, 573; v. 11.2.2004 - IV ZR 91/03, NJW 2004, 1390 [1391]). Der Antrag des Berufungsklägers braucht aber nicht unbedingt wörtlich wiedergegeben zu werden; aus dem Zusammenhang muss lediglich sinngemäß deutlich werden, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat. So kann bei der Berufung des Klägers mit unverändertem Weiterverfolgen des erstinstanzlichen Sachantrags gegen ein klageabweisendes Urteil die Erwähnung dieser Tatsache genügen.
Hier hat das LG - wenn auch im Rahmen der Gründe - auf die Berufungsschrift Bezug genommen. Dort hat die Klägerin ihren Berufungsantrag gegen das klageabweisende Urteil angekündigt. Hieraus ergibt sich, dass dieser Sachantrag unverändert in der mündlichen Verhandlung gestellt worden ist, obwohl der erstinstanzliche, in der Berufungsschrift wiederholte Antrag den Zinsrahmen des § 288 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 291 S. 2 BGB nicht ausgeschöpft hat. Der Berufungsantrag des beklagten Landes ist ebenfalls gestellt.
II.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand. Die von der Klägerin geltend gemachte Forderung ist gem. § 226 Abs. 1 AO, § 389 BGB durch Aufrechnung erloschen. Ein Aufrechnungsverbot steht dem nicht entgegen.
1. a) In dem Zeitraum nach Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 Abs. 1 InsO) und Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 289 Abs. 2 S. 2, § 200 Abs. 1 InsO), der sog. Wohlverhaltensperiode, schließt das Gesetz in § 294 Abs. 3 InsO die Aufrechnung durch Insolvenzgläubiger gegen Forderungen aus, die gem. § 287 Abs. 2 InsO von der Abtretung an den Treuhänder erfasst sind und gegen die bei fortdauerndem Insolvenzverfahren gem. § 114 Abs. 2 InsO außerhalb des in § 114 Abs. 1 InsO bezeichneten Zeitraums die Aufrechnung ebenfalls ausgeschlossen wäre.
b) Um solche an den Treuhänder abgetretene Forderungen des Schuldners auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge handelt es sich bei den Steuererstattungsansprüchen im Streitfall nicht. Die Klägerin ist deshalb zwar Forderungsinhaberin, die Aufrechnung jedoch ist nicht nach § 294 Abs. 3 InsO ausgeschlossen.
aa) Allerdings wird teilweise vertreten, dass auch der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen von der Abtretungserklärung gem. § 287 Abs. 2 S. 1 InsO erfasst werde, weil der Begriff der Bezüge weit auszulegen sei und es genüge, wenn es sich um eine einmalige Zahlung handele, die mit einer Arbeitstätigkeit des Schuldners im Zusammenhang stehe (AG Gifhorn ZInsO 2001, 630; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO, § 287 Rz. 9; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 12. Aufl., § 287 Rz. 31).
bb) Diese Auffassung trifft jedoch nicht zu. Der Anspruch auf Erstattung überzahlter Lohnsteuer hat zwar seinen materiellen Ursprung insofern in dem Arbeitsverhältnis, als zum Arbeitslohn auch die Lohnsteuer gehört, die der Arbeitgeber gem. § 38 EStG einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen hat. Nach der Rechtsprechung des BFH wandelt sich die Rechtsnatur des als Lohnsteuer einbehaltenen Teils der Bezüge jedoch auf Grund des entstehenden Lohnsteueranspruchs des Staates. Im Fall einer Rückerstattung wird aus dem Steueranspruch des Staates der Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen (§ 37 Abs. 2 AO), ohne dabei seinen öffentlich-rechtlichen Charakter zu verlieren. Der an den Steuerpflichtigen zu erstattende Betrag erlangt, auch wenn er wirtschaftlich betrachtet das auf den Veranlagungszeitraum entfallende Einkommen erhöht, nicht wieder den Charakter eines Einkommens, das dem Berechtigten auf Grund einer Arbeits- oder Dienstleistung zusteht (BFH v. 13.7.1995 - VII S 1/95, BFH/NV 1996, 10 [12]; v. 26.9.1995 - VII B 117/95, BFH/NV 1996, 281 [282]; BFH v. 27.10.1998 - VII B 101/98, BFH/NV 1999, 738 [739]). Steuererstattungsansprüche unterfallen deshalb grundsätzlich nicht der Abtretungserklärung gem. § 287 Abs. 2 S. 1 InsO (LG Koblenz ZInsO 2000, 507 [508]; LG Kiel ZInsO 2004, 558; FG Düsseldorf ZInsO 2004, 1368 [1369]; FG Münster v. 12.11.2004 - 11 K 1959/04 AO, EFG 2005, 251 f.; FG Hess. v. 29.11.2004 - 10 K 2356/04, EFG 2005, 331 [332]; FG Schl.-Holst. v. 18.11.2004 - 3 K 50332/03, EFG 2005, 333; Stephan in MünchKomm/InsO, § 287 Rz. 40; Ehricke in MünchKomm/InsO, § 294 Rz. 39; Grote, ZInsO 2001, 452 [453]).
2. Weitere die Aufrechnungsbefugnis von Insolvenzgläubigern in der Wohlverhaltensperiode ausschließende Bestimmungen sind der Insolvenzordnung nicht zu entnehmen.
a) Die Revision beruft sich auf den im Zwangsvollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO zum Ausdruck kommenden übergeordneten Rechtsgedanken, dass die Insolvenzgläubiger während der Laufzeit der Abtretungserklärung gleichbehandelt werden sollen, und sieht in § 394 S. 1 BGB einen auch für den Streitfall geltenden Aufrechnungsausschluss. Sie stützt sich dabei auf eine in Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung, nach der entsprechend § 294 Abs. 1 InsO Insolvenzgläubiger in der Wohlverhaltensphase nicht nur mit der Vollstreckung, sondern grundsätzlich auch mit der Aufrechnung ausgeschlossen sein sollen. § 294 Abs. 3 InsO sei als Ausnahmevorschrift anzusehen, die zu Gunsten einzelner Gläubiger wie der Arbeitgeber in bestimmten Fällen die an sich ausgeschlossene Aufrechnung gestatte (AG Neuwied NZI 2000, 334 [335]; HK-InsO/Landfermann, InsO, 3. Aufl., § 295 Rz. 9; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 12. Aufl., § 294 Rz. 34; Grote, ZInsO 2001, 452 [453 ff.]).
b) Diese Auffassung ist jedoch mit der Systematik und Entstehungsgeschichte des Gesetzes nicht zu vereinbaren. Ein allgemeines Aufrechnungsverbot für Insolvenzgläubiger in der Wohlverhaltensperiode besteht nicht (ebenso: LG Koblenz ZInsO 2000, 507 [508]; LG Kiel ZInsO 2004, 558 [559]; FG Düsseldorf ZInsO 2004, 1368 [1369]; FG Hess. v. 29.11.2004 - 10 K 2356/04, EFG 2005, 331 [332]; FG Schl.-Holst. v. 18.11.2004 - 3 K 50332/03, EFG 2005, 333; Wenzel in Kübler/Prütting, InsO, § 294 Rz. 7; Nerlich/Römermann, InsO, § 294 Rz. 16; Ehricke in MünchKomm/InsO, § 294 Rz. 39; Braun, InsO, 2. Aufl., § 295 Rz. 10; FK-InsO/Ahrens, 3. Aufl., § 294 Rz. 35a; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 3. Aufl., S. 668 Rz. 26.46). Entsprechendes lässt sich - jedenfalls für den Bereich der Insolvenzordnung - insb. nicht aus dem geltenden Zwangsvollstreckungsverbot herleiten.
Die Vorschriften der Insolvenzordnung schließen für die Dauer des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung für einzelne Insolvenzgläubiger sowohl in die Insolvenzmasse als auch in das sonstige Vermögen des Schuldners generell aus (§ 89 Abs. 1 InsO). Demgegenüber sind die Einschränkungen der Aufrechnungsbefugnis gem. den §§ 94 ff. InsO differenzierter ausgestaltet. Ähnliches gilt für den Zeitraum der Wohlverhaltensperiode: Dem in § 294 Abs. 1 InsO geregelten generellen Zwangsvollstreckungsverbot steht die nur für eine bestimmte Fallgestaltung vorgesehene Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit von Insolvenzgläubigern in § 294 Abs. 3 InsO gegenüber. Dieser Differenzierung würde es nicht gerecht werden, das umfassend geltende Zwangsvollstreckungsverbot mit einem generell geltenden Aufrechnungsverbot gleichzusetzen.
aa) § 294 Abs. 3 InsO lässt sich nicht als eine die Aufrechnung in bestimmten Fällen gestattende Ausnahmevorschrift zu einem ansonsten nach § 294 Abs. 1 InsO i.V.m. § 394 S. 1 BGB geltenden Aufrechnungsausschluss interpretieren. Der Wortlaut der Norm schränkt die - im Übrigen bestehende - Aufrechnungsbefugnis lediglich ein. Allein dies war vom Gesetzgeber auch gewollt. In § 233 DiskE-InsO war eine gesonderte Regelung zur Aufrechnung zunächst nicht vorgesehen (vgl. Diskussionsentwurf des BMJ, Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, Entwurf einer Insolvenzordnung und anderer Reformvorschriften mit Begründung und Anh. [1988]). Das hat Kritik erfahren, weil die dem Schuldner von Dienstbezügen eröffnete Möglichkeit einer Aufrechnung über den in § 114 Abs. 1 und 2 InsO eröffneten Zeitraum hinaus die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger gefährde und mit dem Ziel der Restschuldbefreiung nicht zu vereinbaren sei (Wochner, BB 1989, 1065 [1066]). Erst daraufhin wurde die Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis in § 233 Abs. 3 RefE-InsO und später dann in § 294 Abs. 3 InsO aufgenommen (FK-InsO/Ahrens, 3. Aufl., § 294 Rz. 35; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 1997, S. 268 ff.). Dieser Regelung lag mithin auch aus der Sicht des Gesetzesgebers die ansonsten unbeschränkte Aufrechnungsmöglichkeit der Insolvenzgläubiger zu Grunde.
bb) Auch unter der Geltung der Konkursordnung war die Aufrechnung eines Konkursgläubigers gegen eine zum konkursfreien Vermögen des Gemeinschuldners gehörende Forderung trotz des gem. § 14 KO geltenden Zwangsvollstreckungsverbotes nach der Rechtsprechung des BGH nicht unzulässig; denn die Aufrechnung hat zwar als Forderungsdurchsetzung im Wege der Selbsthilfe Ähnlichkeiten mit der Zwangsvollstreckung, unterscheidet sich von ihr jedoch zum einen in der außergerichtlichen Durchsetzung und zum anderen darin, dass der Zugriff nur unter Aufopferung der eigenen Forderung des Gläubigers möglich ist (BGH, Urt. v. 26.6.1971 - VIII ZR 137/70, NJW 1971, 1563; Staudinger/Gursky, BGB, 13. Bearb., § 387 Rz. 45). Diese Auffassung ist zwar teilweise kritisiert worden, weil die Aufrechnung gegen eine zum konkursfreien Vermögen des Gemeinschuldners gehörende Forderung in den §§ 53 ff. KO nicht abschließend geregelt sei und deshalb § 394 BGB eingreife (Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 14 Rz. 12; Müller, Probleme der Aufrechnung mit Konkurs- und Masseforderungen, 1981, S. 81 ff.). Der BGH hat an seiner Rechtsprechung jedoch festgehalten und in einer weiteren Entscheidung ausgeführt, das Vollstreckungsverbot des § 14 Abs. 1 KO begründe auch kein Abtretungshindernis nach § 400 BGB. Diese Norm sei lediglich für solche Forderungen gedacht, deren Unpfändbarkeit aus Gründen des allgemeinen Wohls dem Ziel diene, dem Forderungsberechtigten den nötigen Lebensunterhalt zu sichern; die Schutzziele von § 14 KO, dem Gemeinschuldner einen Neuerwerb zu ermöglichen und die Gleichbehandlung der Konkursgläubiger zu gewährleisten, stimmten damit nicht überein (BGH v. 10.2.1994 - IX ZR 55/93, BGHZ 125, 116 [121 ff.] = MDR 1994, 467). Diese Erwägungen gelten für § 394 S. 1 BGB entsprechend: Auch das Aufrechnungsverbot soll im öffentlichen Interesse verhindern, dass dem Gläubiger der unpfändbaren Forderung der nötige Lebensunterhalt entzogen wird oder aber, sofern das nicht in Betracht kommt, jedenfalls dem allgemeinen Wohl und dem Staatsinteresse dienen (Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches, Recht der Schuldverhältnisse I §§ 241 bis 432, 1978, S. 714). Dass der Gesetzgeber mit der dem § 14 Abs. 1 KO entsprechenden Regelung in § 89 Abs. 1 InsO an dieser für die Konkursordnung geltenden Rechtslage etwas Grundlegendes hat ändern wollen, ist nicht ersichtlich.
cc) Das gem. § 201 Abs. 3, § 294 Abs. 1 InsO in der Wohlverhaltensperiode zum Tragen kommende Zwangsvollstreckungsverbot dient ähnlichen Zwecken wie der Ausschluss der Zwangsvollstreckung in konkurs- bzw. insolvenzfreies Vermögen gem. § 14 Abs. 1 KO, § 89 Abs. 1 InsO. Die Norm will erreichen, dass sich in der Wohlverhaltensphase die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger untereinander nicht verschieben. Ferner soll der Neuerwerb des Schuldners, der nicht gem. § 287 Abs. 2 InsO an den Treuhänder abgetreten oder an diesen gem. § 295 InsO herauszugeben ist, dem Zugriff der Insolvenzgläubiger entzogen sein (vgl. Begründung zu: § 243 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, 191 f.). Diese Zielrichtungen stimmen - ebenso wie bei § 14 Abs. 1 KO (BGH v. 10.2.1994 - IX ZR 55/93, BGHZ 125, 116 [123] = MDR 1994, 467) - nicht mit denjenigen überein, die den in § 394 S. 1 BGB gemeinten Pfändungsverboten zu Grunde liegen. Ein allgemeines Aufrechnungsverbot gilt deshalb auch insoweit nicht.
dd) Dem steht nicht entgegen, dass der Senat für den Anwendungsbereich der Gesamtvollstreckungsordnung die Aufrechnung gegen Forderungen des Schuldners, die nach Eingang eines Antrages auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung begründet werden, entsprechend § 394 S. 1 BGB für unzulässig angesehen hat, soweit gem. § 2 Abs. 4 GesO die Zwangsvollstreckung vorläufig eingestellt worden ist und das Verfahren später eröffnet wird (BGH v. 13.6.1995 - IX ZR 137/94, BGHZ 130, 76 = MDR 1995, 1223; v. 10.7.1997 - IX ZR 341/95, BGHZ 137, 267 [287]; Urt. v. 18.4.1996 - IX ZR 206/95, MDR 1996, 1028 = WM 1996, 1063 f.; v. 24.10.1996 - IX ZR 284/95, MDR 1997, 153 = WM 1996, 2250 [2251]). Diese - im Schrifttum umstrittene (Eckardt, ZIP 1995, 1146 [1152 f.]; Henkel, EWiR 1995, 1195 [1196]; Nobbe, RWS-Forum 9, S. 99 [117 ff.]) - Rechtsprechung beruht auf der besonderen Vorschrift des § 2 Abs. 4 GesO, wonach gegen den Schuldner eingeleitete, bei Antragstellung noch nicht abgeschlossene Vollstreckungsmaßnahmen gerichtlich sofort einzustellen sind (BGH, Urt. v. 21.3.1996 - IX ZR 195/95, MDR 1996, 702 = ZIP 1996, 845 [846]). Diese Regelung hat weder in der Konkursordnung noch in der Insolvenzordnung eine Parallele. Entgegen einer von den Instanzgerichten teilweise vertretenen Meinung (KG NZI 2000, 221; LG Gera ZInsO 2002, 1092 [1093]) lässt sich die Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von Aufrechnungen nach § 394 BGB i.V.m. § 2 Abs. 4 GesO daher nicht auf die Insolvenzordnung übertragen. Diese enthält zudem mit § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO eine Sonderregelung für anfechtbar begründete Aufrechnungslagen, die den Rückgriff auf in anderen Gesetzen enthaltene Regelungen ausschließt (BGH, Urt. v. 29.6.2004 - IX ZR 195/03, MDR 2005, 51 = BGHReport 2004, 1384 m. Anm. Runkel = WM 2004, 1693 [1694]).
ee) Ein Ausschluss jedweder Aufrechnung durch Insolvenzgläubiger gem. § 294 Abs. 1 InsO i.V.m. § 394 S. 1 BGB wäre auch deshalb verfehlt, weil dies den Wertungen widerspräche, die das Gesetz hinsichtlich der Aufrechnungsbefugnis von Insolvenzgläubigern für den Zeitraum des Insolvenzverfahrens in den §§ 94 ff. InsO getroffen hat. Ein solcher Wertungswiderspruch ergibt sich dann, wenn Gläubigern im laufenden Insolvenzverfahren die Aufrechnung gestattet ist. Der Schutz der Gläubigergesamtheit rechtfertigt es nicht, solche Gläubiger in dem anschließenden Restschuldbefreiungsverfahren auf Grund eines umfassenden Aufrechnungsverbots schlechter zu stellen. Für den hier geltend gemachten Steuererstattungsanspruch folgt daraus:
Soweit der Anspruch auf Steuererstattung auf zu viel einbehaltener Lohnsteuer im Zeitraum vor Insolvenzeröffnung beruht - was für einen Teil des Veranlagungszeitraums 2000 zutrifft -, kann das Finanzamt in der Insolvenz mit anderen Steuerforderungen gegen diesen Erstattungsanspruch aufrechnen (§ 95 Abs. 1 InsO). Leistet der Steuerpflichtige Vorauszahlungen etwa auf die Einkommensteuer, erlangt er bereits mit Vornahme der Zahlungen einen Erstattungsanspruch unter der aufschiebenden Bedingung, dass die nach Ablauf des Veranlagungszeitraums geschuldete Steuer geringer ist als die Summe der geleisteten Vorauszahlungen (BFH BFHE 128, 146 [148]; v. 9.2.1993 - VII R 12/92, BFHE 170, 300 [302] = UR 1994, 230 m. Anm. Weiss; Brandes in MünchKomm/InsO, § 95 Rz. 25; a.A.: Häsemeyer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., S. 653 Rz. 24). Das gilt auch in dem hier gegebenen Fall bei Abzügen vom Lohn. Wegen des Vorrangs von § 95 Abs. 1 InsO ggü. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist in solchen Fällen die Aufrechnung nicht ausgeschlossen (MünchKomm/InsO/Brandes, § 95 Rz. 25, § 96 Rz. 18). Für den Zeitraum der Wohlverhaltensperiode, in dem nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die zuvor bestehenden Aufrechnungsbeschränkungen des § 96 InsO nicht mehr eingreifen (Brandes in MünchKomm/InsO, § 96 Rz. 3; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 96 Rz. 33), kann konsequenterweise im Ergebnis nichts Anderes gelten.
ff) Soweit wie im Streitfall nicht gegen Forderungen aufgerechnet wird, deren Erlös der Schuldner nach § 295 Abs. 1 InsO an den Treuhänder auszukehren hat, werden die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger infolge der Aufrechnung auch nicht geschmälert. Die Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger ist lediglich insofern beeinträchtigt, als dem aufrechnenden Gläubiger eine bessere Befriedigungsmöglichkeit gewährt wird. Diese sich aus dem Gesetz ergebende Privilegierung der Aufrechnungslage mag kritikwürdig sein (Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 1997, S. 271), ist jedoch hinzunehmen, weil der Gesetzgeber über die Regelung des § 294 Abs. 3 InsO hinaus keine Norm geschaffen hat, die die Aufrechnung während der Wohlverhaltensperiode einschränkt. Entsprechendes gilt, soweit gegen die Aufrechnungsmöglichkeit eingewandt wird, dass sie wegen der entstehenden Vermögenseinbußen dem Ziel des Gesetzes zuwiderlaufe, dem Schuldner mit Erteilung der Restschuldbefreiung einen wirtschaftlichen Neuanfang zu ermöglichen (vgl. hierzu: AG Wittlich ZVI 2003, 428 [429]; Schmidt, ZInsO 2003, 547 [548]). Auch dieser Gesichtspunkt rechtfertigt nicht ohne weiteres ein umfassendes Aufrechnungsverbot. Das verdeutlicht der vorliegende Fall, in dem die Steuererstattungsforderung der Klägerin sich zum Teil auf in die Zeit des Insolvenzverfahrens fallende Veranlagungszeiträume bezieht, so dass dieser Anspruch jedenfalls nicht im vollen Umfang als beschlagnahmefreier Neuerwerb zu werten ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1408555 |
BGHZ 2006, 391 |
DStZ 2006, 96 |