Leitsatz (amtlich)
a) Auch beim Kauf von Standard-Software ist die Kaufsache mangels anderweiter Vereinbarung dann „abgeliefert”, wenn sie vom Verkäufer in Erfüllungsabsicht derart in den Machtbereich des Käufers gebracht wird, daß dieser sie auf das Vorhandensein von Mängeln untersuchen kann.
b) Haben die Parteien eines beiderseitigen Handelskaufs vereinbart, daß die fehlerhafte Ware vom Verkäufer nachgebessert werden soll, so hat der Käufer nach Beendigung der Nachbesserungsarbeiten zur Erhaltung seiner Rechte die Kaufsache unverzüglich erneut zu untersuchen und etwa verbliebene oder auch neue Mängel wiederum unverzüglich zu rügen.
Normenkette
HGB § 377; StPO § 477
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 9. Oktober 1998 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin lieferte der Beklagten aufgrund eines von dieser angenommenen Angebots ein von ihr entwickeltes Lohnprogramm U. zum Preis von 200.000 DM, zahlbar in vier gleichen jährlichen Raten. Die Datenträger wurden der Beklagten am 15. Juli 1991 übergeben. Am 17. August 1991 konnte das Programm erstmals auf der Datenverarbeitungsanlage der Beklagten aufgerufen werden. Nachdem Mitarbeiter der Klägerin wegen verschiedener Fehler Änderungen am Programm durchgeführt hatten, war dieses seit dem 22. Oktober 1991 auf der Anlage der Beklagten eingeschränkt lauffähig. Am 14. Oktober 1991 zahlte die Beklagte an die Klägerin die erste Kaufpreisrate von 50.000 DM und am 22. Oktober 1991 die gesetzliche Mehrwertsteuer in Höhe von insgesamt 28.000 DM.
Mit Telefax-Schreiben an die Klägerin vom 11. Dezember 1991 beanstandete die Beklagte mehrere Fehler des Programms und verlangte Mängelbeseitigung unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung bis zum 10. Januar 1992. Mit weiteren Schreiben an die Klägerin vom 7. Februar 1992 rügte die Beklagte unter anderem das Fehlen von Hilfstexten. Mit Schreiben vom 13. Februar 1992 behielt sie sich die detaillierte Darstellung der von ihr gerügten Mängel für einen eventuellen Rechtsstreit vor und bat sodann mit Schreiben vom 9. April 1992 um „Stornierung” des Vertrages.
Die Klägerin verlangt die Zahlung der restlichen drei Kaufpreisraten in Höhe von insgesamt 150.000 DM nebst Zinsen. Die Beklagte hat mit einem am 1. Dezember 1992 eingereichten und am 8. Dezember 1992 zugestellten Schriftsatz die Rückgängigmachung des Vertrages begehrt und gleichzeitig Widerklage erhoben, mit der sie die Rückzahlung der ersten Kaufpreisrate von 50.000 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des von der Klägerin gelieferten Lohnprogramms verlangt. Sie macht geltend, das Programm enthalte zahlreiche Fehler und sei auch nach Einweisung ihres Personals und Überwindung der üblichen Anfangsschwierigkeiten nie störungsfrei gelaufen.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme über den Umfang des Vertragsgegenstandes und die geltend gemachten Mängel des Programms unter Abweisung der Widerklage der Klage stattgegeben und zur Begründung unter anderem ausgeführt, die von dem gerichtlichen Sachverständigen festgestellten Mängel des Programms beeinträchtigten dessen Gebrauchstauglichkeit nur unerheblich, da sie – gemessen am Wert des Programms – mit vergleichsweise geringem Aufwand abzustellen seien. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage und die Verurteilung der Klägerin nach Maßgabe der Widerklage; die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Rechtsbeziehungen der Parteien seien nach Kaufrecht zu beurteilen, da Vertragsgegenstand eine von der Klägerin entwickelte Standard-Software sei. Das von der Klägerin gelieferte Programm habe zwar mehrere gewichtige Fehler aufgewiesen, dies könne die Beklagte dem Kaufpreisanspruch der Klägerin indessen nicht entgegenhalten. Da das gekaufte Programm an sie übergeben worden sei, beurteilten sich die Rechte der Beklagten wegen der vorhandenen Mängel nur nach den Gewährleistungsvorschriften der §§ 459 f BGB. Die Wandelung des Kaufvertrages könne die Beklagte indessen nicht verlangen, weil die Lieferung der Klägerin mangels rechtzeitiger Untersuchung und Mängelrüge durch die Beklagte gemäß § 377 Abs. 2 HGB als genehmigt gelte. Die Ablieferung des Programms (§ 377 Abs. 1 HGB) sei spätestens am 22. Oktober 1991 erfolgt. Beim Verkauf von Standard-Software sei dann von einer Ablieferung auszugehen, wenn neben vollständiger Lieferung der Datenträger und des Benutzerhandbuches ein im wesentlichen störungsfreier Probelauf stattgefunden habe. Dies sei nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten am 22. Oktober 1991 der Fall gewesen; zu diesem Zeitpunkt seien die Nachbesserungsarbeiten der Klägerin abgeschlossen und das Programm auf der Anlage der Beklagten – wenn auch nur eingeschränkt und mangelhaft – lauffähig gewesen. Die erste auf die Ablieferung folgende Mängelrüge der Beklagten mit Telefax-Schreiben vom 11. Dezember 1991 sei viel zu spät erfolgt. Überdies seien die Gewährleistungsrechte der Beklagten gemäß § 477 Abs. 1 BGB verjährt.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision jedenfalls im Ergebnis stand.
1. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht die Rechtsbeziehungen der Parteien nach Kaufrecht beurteilt. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanz war Gegenstand des Vertrages die Lieferung einer von der Klägerin bereits fertig entwickelten Standard-Software nebst den zugehörigen Quellcodes zur dauerhaften Benutzung durch die Beklagte gegen ein einmaliges, wenngleich in vier Raten zu zahlendes Entgelt. Auf einen derartigen Vertrag sind nach der Rechtsprechung des Senats die Vorschriften sowohl der §§ 433 ff, 459 ff BGB als auch des § 377 HGB zumindest entsprechend anwendbar (BGHZ 102, 135, 140 f, 145; Urteile vom 18. Oktober 1989 – VIII ZR 325/88, WM 1989, 1890 unter II 1 a aa; vom 24. Januar 1990 – VIII ZR 22/89, WM 1990, 510 unter II 1 und vom 4. November 1992 – VIII ZR 165/91, WM 1993, 111 = NJW 1993, 461 unter II 2 a und c bb). Zutreffend ist auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, daß sich die aus der Mangelhaftigkeit des erworbenen Programms hergeleiteten Ansprüche der Beklagten nach dessen am 15. Juli 1991 erfolgter Übergabe nicht mehr nach den allgemeinen Vorschriften, sondern nach denjenigen über die kaufrechtliche Gewährleistung (§§ 459 ff BGB) richten (vgl. z.B. Senatsurteil BGHZ 138, 195, 207 f).
2. Den aus der Mangelhaftigkeit der gelieferten Software hergeleiteten Anspruch der Beklagten auf Wandelung des Kaufvertrages (§§ 459 Abs. 1, 462 BGB) verneint das Berufungsgericht vor allem deswegen, weil die Lieferung mangels rechtzeitiger Mängelrüge der Beklagten als genehmigt gelte (§ 377 Abs. 1 und 2 HGB). Die hiergegen erhobenen Rügen der Revision greifen nicht durch.
a) Daß es sich bei dem hier in Rede stehenden Vertrag über die Lieferung des Lohnprogramms um ein beiderseitiges Handelsgeschäft (§§ 343, 344 HGB) handelt, wovon das Berufungsgericht stillschweigend ausgeht, kann nach den gesamten Umständen in der Tat keinem Zweifel unterliegen.
b) Die Obliegenheit des Käufers zur Untersuchung und zur Anzeige etwaiger Mängel an den Verkäufer entsteht mit der „Ablieferung” der Ware (§ 377 Abs. 1 HGB). Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn die Ware derart in den Machtbereich des Käufers verbracht wird, daß dieser sie untersuchen kann (Senatsurteil BGHZ 93, 338, 345 m.Nachw.).
aa) Eine Ablieferung der Kaufsache setzt allerdings voraus, daß die Ware in Erfüllung des Kaufvertragesvollständig in den Machtbereich des Käufers gebracht wurde. Dies zugrundelegend wurde in der Rechtsprechung des Senats die Ablieferung von verkaufter Software verneint, solange die Lieferung des zur Hauptleistungspflicht des Verkäufers gehörenden Handbuches noch nicht erfolgt war (Senatsurteile vom 4. November 1992 aaO und vom 14. Juli 1993, VIII ZR 147/92 – WM 1993, 1639 = NJW 1993, 2436 unter II 2 b bb).
Unter Berufung auf diese Rechtsprechung meint die Revision, von einer Ablieferung der verkauften Software könne auch im hier zu beurteilenden Fall nicht ausgegangen werden, weil nach den in anderem Zusammenhang getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die nach dem Handbuch und Programmaufbau vorgesehenen Online-Hilfsfunktionen fehlten.
Dem vermag der Senat nicht beizutreten. Daß der Verkäufer von Software beim Fehlen des Handbuches seine Hauptleistungspflicht noch nicht (vollständig) erbracht habe, ist in den Urteilen vom 4. November 1992 und 14. Juli 1993 (aaO) damit begründet worden, daß das Handbuch ein wesentlicher Teil einer verkauften Sachgesamtheit sei, dessen Fehlen die Gebrauchstauglichkeit der übrigen verkauften Teile (Hard- und Software) als solcher nicht beeinträchtige. Hiermit ist das Fehlen der Online-Hilfsfunktionen nicht vergleichbar. Diese sind keine selbständigen, mit anderen zu einer Sachgesamtheit zusammengefaßten Sachen, sondern Bestandteile der Software. Ihr Fehlen beeinträchtigt die Gebrauchstauglichkeit der Software und macht diese mangelhaft. So haben es auch die Parteien bislang gesehen, indem sie das weitgehende Fehlen der Online-Hilfsfunktionen als Fehler der Software bezeichnet haben. Dem ist das Berufungsgericht, gestützt auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen, gefolgt; Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
Entsprechendes gilt, soweit die Revision ferner auf ein zweitinstanzliches – allerdings nicht unter Beweis gestelltes – Vorbringen der Beklagten über unverständliche Kommentierung der sogenannten Quellcodes – Computerdaten für eine Anpassungsprogrammierung für Endanwender – verweist.
Hiernach ist im vorliegenden Fall von einer vollständigen, wenngleich mängelbehafteten Lieferung der gekauften Software auszugehen.
bb) Der Annahme des Berufungsgerichts, bezüglich der Software sei auch eine „Ablieferung” im Sinne von § 377 Abs. 1 HGB erfolgt, schließt sich der Senat im Ergebnis an.
Nach einer verbreiteten Ansicht in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und der juristischen Literatur soll allerdings die – allein oder zusammen mit entsprechender Hardware – verkaufte Software nicht bereits mit deren Verbringung in den Machtbereich des Käufers, regelmäßig also mit ihrer Übergabe, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt „abgeliefert” (§ 377 Abs. 1 HGB, § 477 Abs. 1 BGB) sein. Teilweise wird befürwortet, die Ablieferung erst nach Durchführung eines im wesentlichen ungestörten Probelaufs anzusetzen (OLG Köln NJW 1991, 2156 = CR 1991, 154; OLG Hamm CR 1992, 335 = OLGRep. 1992, 154; OLG Koblenz BB 1993, Beil. 13, 8; OLG Hamburg OLGRep. 1996, 273; OLG Stuttgart CR 1998, 463; Staudinger/Honsell, BGB, 13. Aufl., § 477 Rdnr. 40; Graf von Westphalen WuB IV A § 477 BGB 1.89); diese Ansicht wird auch vom Berufungsgericht vertreten, das als Zeitpunkt der Ablieferung den 22. Oktober 1991 – den Tag, an welchem nach seinen unangegriffen gebliebenen Feststellungen die Nachbesserungsarbeiten der Klägerin abgeschlossen waren – zugrunde legt. Die Revision dagegen befürwortet eine weitergehende Auffassung, wonach die „Ablieferung” im Sinne von § 377 Abs. 1 HGB und § 477 Abs. 1 BGB voraussetze, daß die Software im Betrieb des Käufers in einer ausführlichen Erprobungsphase letztlich fehlerfrei gelaufen sei (OLG Düsseldorf WM 1989, 459 = ZIP 1989, 580 = CR 1989, 689; NJW 1989, 2627 und CR 1991, 538; MünchKomm/H.P. Westermann, BGB, 3. Aufl., § 477 Rdnr. 9; Hager AcP 190 (1990), 324, 330 f). Nach dieser Auffassung wäre im vorliegenden Fall die verkaufte Software in der Tat noch nicht abgeliefert, da nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts das Programm auch nach Abschluß der Nachbesserungsarbeiten durch die Klägerin am 22. Oktober 1991 auf der EDV-Anlage der Beklagten nur eingeschränkt und mangelhaft lauffähig war.
Zur Begründung verweisen beide Meinungen darauf, daß die Feststellung von Mängeln insbesondere bei komplizierter Software schwierig und zeitaufwendig sei. Der Senat vermag indessen keiner dieser Ansichten zu folgen. Auch beim Kauf von Software bleibt es grundsätzlich dabei, daß die Kaufsache abgeliefert ist, wenn sie in einer ihre Untersuchung ermöglichenden Weise in den Machtbereich des Käufers gelangt ist (Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 477 Rdnr. 45; Erman/Grunewald, BGB, 9. Aufl., § 477 Rdnr. 9; Saenger NJW 1997, 1945, 1950 und CR 1997, 354, 356; Schneider CR 1994, 385, 389; Zahrndt, Computervertragsrecht in Rechtsprechung und Praxis Nr. 6.3.8). Für eine Sonderregelung hinsichtlich der Ablieferung beim Kauf von Software fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. Beide vorgenannten Ansichten führen zu einer Verwischung der Unterschiede zwischen der werkvertraglichen Abnahme im Sinne von § 640 BGB und der kaufrechtlichen Ablieferung im Sinne von § 377 Abs. 1 HGB und § 477 Abs. 1 BGB. Bezeichnenderweise sind mehrere der frühen Oberlandesgerichtsurteile, die von beiden Ansichten als Begründung für das von ihnen befürwortete Hinausschieben des Zeitpunktes der Ablieferung herangezogen werden, vom Vorliegen eines Werkvertrages ausgegangen und befassen sich demzufolge mit der Abnahme nach § 640 BGB (OLG Hamburg CuR 1986, 83 und wohl auch OLG Schleswig ZIP 1982, 457; vgl. auch OLG Hamm NJW-RR 1992, 953 und OLG Köln BB 1993, Beil. 13, 12). Dem Kaufrecht liegt das Bestreben nach Klarheit und möglichst schneller Regulierung von Mängeln der Kaufsache zugrunde; dies gilt verstärkt unter Kaufleuten. Diesem gesetzlichen Anliegen würde das Hinausschieben des Zeitpunktes der Ablieferung auf einen letztlich unbestimmten Zeitpunkt widersprechen.
Für eine Sonderregelung der Abwicklung beim Kauf von Software ist schließlich auch kein hinreichendes Bedürfnis anzuerkennen. Die zweifellos vorhandenen Schwierigkeiten bei der Entdeckung von Mängeln insbesondere bei umfangreicher und differenzierter Software und entsprechenden EDV-Anlagen bestehen in ähnlicher Weise auch beim Kauf anderer komplizierter technischer Anlagen. Ihnen kann anstatt durch Hinausschieben des Zeitpunktes der Ablieferung in einer die Interessen des Käufers wahrenden Weise auch durch hinreichend großzügige Bemessung der Untersuchungsfrist des § 377 Abs. 1 HGB Rechnung getragen werden (vgl. bereits Senatsurteil vom 4. November 1992 – VIII ZR 165/91, WM 1993, 111 = NJW 1993, 461 unter II 2 c aa). Auch der dem Käufer zur rechtzeitigen Unterbrechung der sechsmonatigen Verjährungsfrist seit Ablieferung der Software (§ 477 Abs. 1 BGB) zur Verfügung stehende Zeitraum ist ausreichend für die Feststellung von Mängeln. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß beim ersten Auftreten von Mängeln der gelieferten Software üblicherweise der Verkäufer im Einvernehmen mit dem Käufer die Fehler zu beseitigen versucht, was nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Senatsurteile vom 8. Februar 1984 – VIII ZR 295/82, NJW 1984, 1525 = WM 1984, 479 unter II a und vom 20. November 1996 – VIII ZR 184/95, NJW 1997, 727 = WM 1997, 829 unter II 3) eine Hemmung des Laufes der Verjährungsfrist entsprechend § 639 Abs. 2 BGB, unter Umständen sogar ihre Unterbrechung aufgrund eines Anerkenntnisses (vgl. Senatsurteil vom 2. Juni 1999 – VIII ZR 322/98, WM 1999, 1893 = NJW 1999, 2961) zur Folge hat. Haben die Kaufvertragsparteien indessen zusätzlich die Installation der gekauften Software auf der EDV-Anlage des Käufers oder die Einweisung des Personals des Käufers durch den Verkäufer vereinbart, so ist die Ablieferung allerdings erst mit Erbringung dieser Zusatzleistungen erfolgt (vgl. z.B. Soergel/Huber aaO vor § 433 Rdnr. 280 m.w.Nachw.; Senatsurteil vom 21. Dezember 1960, VIII ZR 9/60 = NJW 1961, 730). Für eine dahingehende Annahme fehlt es aber an Feststellungen des Berufungsgerichts; auch die Revision zeigt in diese Richtung gehenden Sachvortrag der Beklagten nicht auf.
cc) Mangels anderweitiger Feststellungen ist hiernach davon auszugehen, daß die verkaufte Software bereits bei Übergabe der Datenträger durch die Klägerin an die Beklagte am 15. Juli 1991 abgeliefert war. Zwar hat die Klägerin in der Folgezeit bis zum 22. Oktober 1991 Nachbesserungsarbeiten wegen verschiedener Fehler des Programms durchgeführt; dies setzt voraus, daß zuvor entsprechende Mängelrügen der Beklagten erfolgt waren. Zugunsten der Beklagten kann auch unterstellt werden, daß diese Mängelrügen rechtzeitig im Sinne von § 377 Abs. 1 HGB erhoben wurden. Diese Nachbesserungsarbeiten waren aber am 22. Oktober 1991 abgeschlossen, und das Programm war – wenn auch eingeschränkt und mangelhaft – lauffähig. Nach Abschluß der Nachbesserungsarbeiten der Klägerin war indessen die Beklagte zur Erhaltung ihrer Gewährleistungsansprüche gemäß § 377 Abs. 1 HGB gehalten, die Kaufsache unverzüglich erneut zu untersuchen und etwa verbliebene oder auch neue Mängel ebenfalls unverzüglich zu rügen (Senatsurteil vom 16. April 1975 – VIII ZR 227/73, unveröffentlicht – UA S. 10 unten; Senatsbeschluß vom 19. Mai 1999 – VIII ZR 203/98, zur Veröffentlichung in BGHR vorgesehen; OLG Stuttgart SeuffArch 81, 51; OLG Hamm MDR 1959, 493; Staub/Brüggemann, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1970, § 377 Rdnr. 52 – S. 435 unten; vgl. auch für den insoweit gleichgelagerten Fall der Nachlieferung durch den Verkäufer von Gattungssachen aufgrund rechtzeitiger Mängelrügen des Käufers Senatsurteile vom 10. Januar 1983 – VIII ZR 244/81, WM 1983, 339 = NJW 1983, 1495 unter I 2 – insoweit in BGHZ 86, 198 nicht abgedruckt – und vom 22. Mai 1985 – VIII ZR 140/84, WM 1985, 975 = NJW 1985, 2526 unter I 2; K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl., § 29 III 2 d bei Fn. 76, S. 800).
Gleiches gilt auch für die in der Revisionsverhandlung angesprochenen etwaigen Ansprüche der Beklagten aus §§ 320 ff BGB wegen einer auch nach Beendigung der Nachbesserungsarbeiten möglicherweise fortbestehenden Mangelhaftigkeit der Software (vgl. dazu Senatsurteil vom 10. Oktober 1994 – VIII ZR 295/93, WM 1995, 111 = NJW 1995, 187 unter II 2 b und c); auch diese Ansprüche wären durch die nicht rechtzeitige Untersuchung und Rüge verlorengegangen (Senatsurteil vom 20. Dezember 1978 – VIII ZR 236/77, WM 1979, 255 = NJW 1979, 811 unter II 1; Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., § 377 Rdnr. 4).
dd) Die erstmals nach dem 22. Oktober 1991 erfolgte Mängelrüge der Beklagten vom 11. Dezember 1991 sieht das Berufungsgericht als nicht mehr unverzüglich (§ 377 Abs. 1 HGB) an. Auch dies hält den Revisionsangriffen stand.
Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß die nach Beendigung der Nachbesserungsarbeiten der Klägerin am 22. Oktober 1991 gebotene unverzügliche erneute Untersuchung der Software durch die Beklagte die immer noch vorhandenen Mängel des Programms zutage gefördert hätte. Diese Annahme liegt schon aufgrund des eigenen Vorbringens der Beklagten nahe, das gekaufte Programm sei auch nach dem 22. Oktober 1991 nur eingeschränkt lauffähig und fehlerbehaftet gewesen. Im übrigen hätte Gegenteiliges von der Beklagten vorgetragen werden müssen; denn wenn die Ablieferung der Kaufsache als Voraussetzung der Rügelast im Sinne von § 377 HGB feststeht, ist es Sache des Käufers, darzulegen und zu beweisen, daß er die Mängel rechtzeitig gerügt hat (Baumgärtel/Reinicke, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. 4, § 377 HGB Rdnr. 3 m.Nachw.). Entsprechendes Vorbringen in den Tatsacheninstanzen zeigt die Revision nicht auf.
Sie vermag auch nicht darzutun, daß die Beklagte die nach Einstellung der Nachbesserungsarbeiten der Klägerin verbliebenen Mängel der Software rechtzeitig und ausreichend konkret gerügt hat. Ihr Hinweis auf erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten, wonach diese „durchgehend von der Klägerin die Lieferung eines funktionstüchtigen Programms verlangt” und „von Anfang an auf die fehlenden Hilfsfunktionen hingewiesen und dies als Fehler gerügt (habe)” und ferner „über Monate hinweg wegen der Behebung der Mängel im Haus der Beklagten oder über MODEM im System eingeloggt gewesen (sei)” und die Parteien „wegen der fehlenden Funktionstüchtigkeit des Lohnprogramms ständig verhandelt (hätten)”, ist nicht ausreichend bestimmt. Dies Vorbringen läßt schon nicht erkennen, ob es sich auf den Zeitraum zwischen dem 15. Juli und dem 22. Oktober 1991 – in welchem es unstreitig zu Nachbesserungsversuchen der Klägerin kam – oder denjenigen nach dem 22. Oktober 1991 bezieht. Es ist im übrigen auch seinem Inhalt nach derart allgemein gehalten, daß es einer Beweisaufnahme nicht zugänglich war. Ist somit davon auszugehen, daß das Telefax-Schreiben vom 11. Dezember 1991 die erste – inhaltlich wiederum nur ganz allgemein gefaßte – Mängelrüge der Beklagten nach dem 22. Oktober 1991 war, so begegnet die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die nach dem 22. Oktober 1991 verbliebenen und bei der gebotenen Untersuchung auch erkennbaren Mängel – soweit überhaupt – nicht unverzüglich gerügt, selbst bei Zugrundelegung eines großzügigeren Maßstabes gemäß den vorstehenden Ausführungen keinen Bedenken; auch die Revision wendet sich hiergegen nicht.
ee) Ohne Erfolg bleibt schließlich auch die Verfahrensrüge der Revision, das ohne vorherigen Hinweis (§ 139 Abs. 1 ZPO) auf § 377 Abs. 1 und 2 HGB gestützte Berufungsurteil sei eine Überraschungsentscheidung (§ 278 Abs. 3 ZPO). Vielmehr lassen die erstinstanzlichen Schriftsätze gerade der Beklagten erkennen, daß jedenfalls im ersten Rechtszug über die Vorschrift des § 377 HGB diskutiert worden ist. Überdies verweist die Revision zu der Frage, was die Beklagte im Falle eines gerichtlichen Hinweises zur rechtzeitigen Erhebung von Mängelrügen vorgetragen hätte, wiederum nur auf das vorerwähnte unsubstantiierte Vorbringen der Beklagten.
3. Auf die vom Berufungsgericht ebenfalls bejahte Verjährung der Gewährleistungsansprüche der Beklagten kommt es hiernach nicht mehr an, so daß auch auf die dagegen gerichteten Revisionsangriffe nicht mehr einzugehen ist.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Zülch, Dr. Hübsch, Ball, Wiechers
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 22.12.1999 durch Mayer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BGHZ |
BGHR |
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