Leitsatz (amtlich)
Im Hinblick auf die Regelung des § 449 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HGB scheidet eine stillschweigende Einbeziehung der die Haftung des Frachtführers in betragsmäßiger Hinsicht beschränkenden Bestimmung der Nummer 23.1.1 ADSp 1998 in einem Frachtvertrag aus.
Normenkette
HGB § 449 Abs. 2 S. 2 Nr. 1; ADSp 1998 Nr. 23.1.1
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 05.07.2000) |
LG Nürnberg-Fürth |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 5. Juli 2000 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die R. B. GmbH & Co. KG (im weiteren: Firma B. ) beauftragte am 11. November 1998 die Beklagte mit dem Transport einer Walzmaschine mit einem Bruttogewicht von 900 kg zu ihrem Firmensitz in Sch.. Der Auftrag umfaßte auch das Abladen und das Einbringen der Maschine.
Die Maschine stürzte bei ihrem Einbringen vom Hof des Werksgeländes in die Maschinenhalle der Firma B. von einem Gabelstapler und kippte um. Dadurch entstand an ihr ein Schaden in Höhe von 29.428,07 DM netto.
Die S. KG als Vertreterin der Verkehrshaftungsversicherer der Beklagten zahlte auf diesen Schaden an die Firma B. 8.500 DM. Sie ging hierbei von einer gemäß der Nr. 23.1.1 ADSp 1998 auf 10 DM für jedes Kilogramm Rohgewicht begrenzten Haftung sowie von einem Gewicht der Maschine von 850 kg aus.
Die Klägerin ist die Vertreterin des Transportversicherers der Firma B. und hat diese hinsichtlich des Restbetrages von 20.928,07 DM entschädigt. Sie nimmt die Beklagte im vorliegenden Verfahren aus abgetretenem und übergegangenem Recht auf Zahlung eines Betrag von 10.400 DM nebst Zinsen in Anspruch. Sie stützt sich insoweit auf Nr. 23.1.2 ADSp 1998 i.V. mit § 431 HGB, wobei sie den zu erstattenden Schaden auf der Grundlage des Bruttogewichts der Maschine von 900 kg und des Wertes von 8,33 Sonderziehungsrechten von je 21 DM mit 18.900 DM errechnet; hiervon bringt sie die bereits geleisteten 8.500 DM in Abzug.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
Im zweiten Rechtszug hat die Klägerin hilfsweise beantragt, die Beklagte zur Zahlung der 10.400 DM nebst Zinsen an die von der Klägerin vertretene Versicherung zu verurteilen.
Das Berufungsgericht hat die Beklagte unter Abweisung des Klagehauptantrags nach dem Hilfsantrag verurteilt (OLG Nürnberg TranspR 2000, 428).
Hiergegen richtet sich die (zugelassene) Revision der Beklagten. Mit ihr wendet sich die Beklagte, die nunmehr ebenfalls von einem für die Schadensersatzleistung maßgeblichen Gewicht der Maschine von 900 kg ausgeht, dagegen, daß sie zur Zahlung von mehr als 500 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin einen Anspruch aus §§ 459, 425, 429, 431 HGB zuerkannt. Hierzu hat es ausgeführt:
Die Klägerin mache als beauftragte Schadensabwicklerin in von der Beklagten nicht in Frage gestellter Prozeßstandschaft zu Recht den auf den Versicherer übergegangenen Schadensersatzanspruch in Höhe von 10.400 DM geltend. Es könne insoweit dahinstehen, ob die ADSp 1998 durch stillschweigende Einbeziehung Gegenstand des Vertrages zwischen der Firma B. und der Beklagten geworden seien. Denn die Beklagte schulde die Klagesumme sowohl auf der Grundlage der dortigen Bestimmungen als auch nach den Regeln des gesetzlichen Speditions- und Frachtrechts. Die frachtrechtliche Obhutszeit i.S. des § 459 HGB habe erst nach der Durchführung des vertraglich ausdrücklich übernommenen Einbringens der Maschine nebst Zubehör an den Aufstellungsort im Betriebsgelände der Firma B. geendet. Im Falle der Geltung der ADSp 1998 wäre nicht deren Nr. 23.1.1 mit der Beschränkung auf 10 DM/kg einschlägig, sondern würde gemäß Nr. 23.1.2 ebenfalls die Haftungsgrenze des § 431 HGB gelten. „Transport” im Sinne der letzteren Bestimmung sei nicht nur die Ortsveränderung des Transportgutes bis zum Betriebsgelände, sondern umfasse ebenso die Ortsveränderung der Maschine auf dem Gelände. Der dabei benutzte Gabelstapler sei auch ein Beförderungsmittel i.S. der Nr. 23.1.2 ADSp 1998.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß die Haftung der Beklagten in betragsmäßiger Hinsicht nicht nach Nr. 23.1.1 ADSp 1998 beschränkt ist.
1. Eine stillschweigende Einbeziehung dieser Bestimmung in den Vertrag zwischen der Firma B. und der Beklagten, wie sie für die am 30. Juni 1998 außer Kraft getretenen Vorschriften der ADSp a.F. bejaht wurde (vgl. BGH, Urt. v. 14.12.1988 – I ZR 235/86, TranspR 1989, 141, 142 = VersR 1989, 309; OLG Dresden TranspR 1999, 62, 63, je m.w.N.), scheidet – wie bereits das Landgericht mit Recht angenommen hat – schon im Hinblick auf die am 1. Juli 1998 in Kraft getretene Regelung des § 449 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HGB aus (LG Memmingen TranspR 2002, 82, 83; Koller, TranspR 2000, 1, 3 f. und TranspR 2001, 359, 361 ff.; Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 9. Aufl., Anh. §§ 9-11 Rdn. 16; a.A. OLG Brandenburg TranspR 2001, 474, 476; Philippi, TranspR 1999, 375, 377 f.; Herzog, TranspR 2001, 244, 246 f.).
Nach dieser Bestimmung muß eine in vorformulierten Vertragsbedingungen enthaltene Begrenzung der vom Frachtführer zu leistenden Entschädigung wegen Verlust oder Beschädigung des Gutes, die zugunsten des Verwenders von dem in § 431 Abs. 1 und 2 HGB vorgesehenen Betrag abweicht, in drucktechnisch deutlicher Gestaltung besonders hervorgehoben sein. Das danach bestehende Erfordernis qualifizierter Information entfällt nicht im Hinblick auf die von der Beklagten auch für die Neufassung behauptete Verkehrsüblichkeit der ADSp. Die Bestimmung des § 449 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HGB ist weder im Hinblick darauf, daß durch sie nach der Begründung des Regierungsentwurfs zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts (BT-Drucks. 13/8445, S. 88) die Frage der Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag nicht berührt werden sollte, noch aus Gründen der Praktikabilität dahingehend einschränkend auszulegen, daß sie für die Einbeziehung der ADSp 1998 als unter den Marktbeteiligten ausgehandelte und damit gemeinsam festgestellte Vertragsordnung nicht gilt (a.A. Philippi aaO S. 377 f.; Herzog aaO S. 247). Einer solchen einschränkenden Auslegung steht schon entgegen, daß keineswegs alle Verbände beider Seiten an der Aushandlung der ADSp 1998 beteiligt waren (Koller, TranspR 2001, 359, 362). Außerdem ist das in der Begründung des Regierungsentwurfs angesprochene Ziel, die Frage der Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen unberührt zu lassen, mit der Warnfunktion des § 449 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HGB unvereinbar (Koller, TranspR 2000, 1, 3; Herzog aaO S. 246 f.), wobei es – anders als diese – in der gesetzlichen Neuregelung keinen Niederschlag gefunden hat (Koller, TranspR 2001, 359, 362). Im übrigen gibt es, auch außerhalb laufender Geschäftsbeziehungen, regelmäßig ausreichend Möglichkeiten, um den – insoweit im übrigen zwingenden – Anforderungen des § 449 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HGB auch ohne unzumutbaren Aufwand und ohne unzumutbare Verzögerungen zu entsprechen (vgl. Koller, TranspR 2000, 1, 4 und TranspR 2001, 359, 361 f.). Dabei ist zu berücksichtigen, daß dem Vertragspartner nicht der gesamte Text der ADSp, sondern allein deren die Regelung des § 431 HGB durchbrechender Teil in qualifizierter Form zur Kenntnis gebracht werden muß (Koller, TranspR 2001, 359, 361).
2. Mit dem Vorbringen, eine den Erfordernissen des § 449 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HGB entsprechende Unterrichtung der Firma B. sei erfolgt, kann die Revision schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sie sich dabei nicht auf in den Vorinstanzen gehaltenen Sachvortrag stützen kann.
III. Dementsprechend stellt sich nicht die vom Berufungsgericht in den Vordergrund seiner Erwägungen gerückte Frage nach dem Anwendungsbereich der Nr. 23.1.2 ADSp 1998.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Ullmann, Starck, Bornkamm, Büscher, Schaffert
Fundstellen
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