Leitsatz (amtlich)
Kann der Drittschuldner an den Sicherungszessionar nicht mehr mit befreiender Wirkung leisten, weil ihm die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines ursprünglichen Gläubigers und die erfolgte Abtretung lediglich zu Sicherungszwecken bekannt sind, erlischt die gegen ihn gerichtete Forderung nicht im Wege der Konfusion, wenn der Drittschuldner durch Abtretung die mit dem Einziehungsrecht des Insolvenzverwalters über das Vermögen des ursprünglichen Gläubigers belastete Forderung gegen sich erwirbt.
Normenkette
InsO §§ 82, 166 Abs. 2; BGB §§ 407-408, 412
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats des OLG München - Zivilsenate in Augsburg - vom 20.12.2007 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen des LG Kempten vom 12.8.2004 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe zu Ziff. 1 Satz 1, dass festgestellt wird, dass dem Kläger in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. GmbH, eine Insolvenzforderung i.H.v. 140.930,56 EUR zusteht (Hauptforderung von 121.096,33 EUR zzgl. Zinsen bis zum Tag vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der G. GmbH).
Der Beklagte hat die Kosten beider Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin); der Beklagte ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. GmbH (im Folgenden: Drittschuldnerin).
[2] Mit Kaufvertrag vom 22.3.2003 veräußerte die Schuldnerin Teile des Anlage- und Umlaufvermögens an die Drittschuldnerin zu einem Kaufpreis von 121.096 EUR. Als Zahlungsziel wurde der 22.9.2003 vereinbart.
[3] Die Schuldnerin stand in Geschäftsverbindung mit der S. (fortan: S.). Sie hatte von dieser Kredite erhalten und dafür - u.a. durch eine Globalabtretung vom 29.3.2000 - Sicherheiten gestellt.
[4] Auf einen Eigenantrag vom 28.5.2003 hin wurde mit Beschluss vom 1.7.2003 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Nachdem die S. die Geschäftsverbindung mit der Schuldnerin gekündigt hatte, tilgte deren früherer Geschäftsführer/Gesellschafter G., der zugleich Geschäftsführer/Gesellschafter der Drittschuldnerin war, mit Hilfe eines persönlichen Kredits im Juli 2003 sämtliche Verbindlichkeiten der Schuldnerin bei der S. Mit Schreiben vom 1.10.2003 trat die S. ihre Rechte aus den seitens der Schuldnerin gewährten Sicherheiten an G. ab. Mit Vertrag vom 5.10.2003 übertrug G. diese Rechte, auch an der Forderung aus dem Kaufvertrag vom 22.3.2003, auf die Drittschuldnerin.
[5] Mit der vorliegenden Klage, die zunächst gegen die Drittschuldnerin gerichtet war, machte der Kläger den Kaufpreisanspruch aus dem Kaufvertrag vom 22.3.2003 geltend. Das LG hat die Drittschuldnerin bis auf einen geringen Zinsanteil antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte Erfolg. Das Berufungsgericht hat unter Aufhebung des Ersturteils die Klage, welche der Kläger im Berufungsverfahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Drittschuldnerin auf Feststellung zur Insolvenztabelle umgestellt hatte, abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung des Beklagten in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
[6] Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung des Beklagten nach Maßgabe der Klageänderung in der Berufungsinstanz.
I.
[7] Das Berufungsgericht hat gemeint, hinsichtlich der streitgegenständlichen Kaufpreisforderung sei bereits die Anmeldeberechtigung des Klägers gem. § 174 InsO fraglich, weil dieser womöglich nicht als Insolvenzgläubiger anzusehen sei. Jedenfalls könne die Kaufpreisforderung nicht mehr gem. § 166 Abs. 2 InsO vom Kläger eingezogen werden, weil die Drittschuldnerin nach den wirksamen Abtretungen vom 1.10.2003 an den Geschäftsführer und vom 5.10.2003 an die Drittschuldnerin zugleich Schuldnerin und Gläubigerin dieser Forderung geworden sei, so dass diese durch Konfusion erloschen sei. Die Abtretungen seien nicht wegen Verstoßes gegen § 166 Abs. 2 InsO nichtig, weil diese Vorschrift kein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB darstelle.
[8] Eine Anfechtung der fraglichen streitgegenständlichen Rechtshandlungen sei gem. § 129 InsO nicht möglich, weil diese erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden seien. Eine analoge Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf die Drittschuldnerin komme im Hinblick auf die Konfusion nicht in Betracht, weil die Drittschuldnerin aufgrund der Globalzession nicht mehr Schuldnerin der KG, sondern der absonderungsberechtigten Sparkasse gewesen sei. Die Berufung auf eine eingetretene Konfusion verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben.
II.
[9] Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
[10] 1. Die Zweifel des Berufungsgerichts an der Anmeldeberechtigung des Klägers gem. § 174 InsO sind nicht berechtigt. Der Kläger wird als Verwalter über das Vermögen der Schuldnerin tätig, § 80 Abs. 1 InsO. Dabei ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr von Bedeutung, ob und unter welchen Voraussetzungen die Schuldnerin im Verhältnis zur Sicherungszessionarin hinsichtlich der an diese sicherungshalber abgetretenen Forderungen zum Einzug ermächtigt war. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergibt sich das Einziehungs- und Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters bezüglich der vom Schuldner zur Sicherheit abgetretenen Forderungen ohne Weiteres aus § 166 Abs. 2 InsO.
[11] Voraussetzung ist lediglich, dass diese Forderung im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch bestand (BGH, Urt. v. 17.11.2005 - IX ZR 174/04, ZIP 2006, 91, Rz. 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung war hier zweifelsfrei gegeben. Demgemäß hatte der Kläger zunächst die Aktivlegitimation, die Forderung gegen die Drittschuldnerin und vormalige Beklagte einzuklagen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen ergab sich daraus das Recht, die Forderung gem. § 174 Abs. 1 InsO zur Tabelle anzumelden und den Prozess gem. §§ 179, 180 InsO als Tabellenfeststellungsklage fortzusetzen. Ob es sich um eine stille oder um eine offene Zession handelte, ist unerheblich (BGH, Urt. v. 11.7.2002 - IX ZR 262/01, ZIP 2002, 1630).
[12] 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klageforderung nicht durch Konfusion erloschen.
[13] a) Allerdings ist die Annahme der Revision unzutreffend, die Abtretung der streitgegenständlichen Kaufpreisforderung, die unstreitig von der Globalzession zugunsten der S. erfasst worden war, von der S. an den ehemaligen Geschäftsführer der Schuldnerin und der Drittschuldnerin sei gem. § 134 BGB, § 166 Abs. 2 InsO unwirksam. Dies gilt auch für die Abtretung von dem Geschäftsführer an die Drittschuldnerin. Dies hat das Berufungsgericht im Ergebnis richtig gesehen.
[14] Die Revision meint unter Berufung auf Lüke (Festschrift für Gero Fischer S. 353, 360 f.), aus § 166 Abs. 2 InsO ergebe sich nach Insolvenzeröffnung ein Abtretungsverbot für den Sicherungszessionar hinsichtlich der an ihn abgetretenen Forderungen. Das trifft nicht zu.
[15] aa) Nach § 166 Abs. 2 InsO verliert allerdings der Absonderungsberechtigte mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens sein Einziehungs- und Verwertungsrecht hinsichtlich der an ihn zur Sicherheit abgetretenen Forderungen. Dieses geht vielmehr umfassend auf den Insolvenzverwalter über (BGHZ 166, 215, 218 Rz. 13; BGH, Urt. v. 11.7.2002 - IX ZR 262/01, ZIP 2002, 1630 f.; v. 20.11.2003 - IX ZR 259/02, ZIP 2004, 42; v. 23.4.2009 - IX ZR 65/08, z.V.b.). Der Sicherungszessionar kann deshalb das ihm entzogene Einziehungsrecht auch nicht mehr an einen Dritten übertragen, etwa im Wege einer gewillkürten Prozessstandschaft.
[16] bb) Das Recht des Verwalters zur Einziehung und Verwertung steht jedoch der weiteren Abtretung der sicherungshalber abgetretenen Forderung durch den Sicherungszessionar insoweit nicht entgegen, als dieser lediglich über die ihm verbliebene Rechtsposition als Sicherungsgläubiger verfügt (Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch 3. Aufl., § 90 Rz. 403), also über das Sicherungsrecht an der Forderung, beschränkt durch das Einziehungs- und Verwertungsrecht des Verwalters. Insoweit kann der Insolvenzordnung eine weitere Begrenzung der Rechte des Sicherungszessionars nicht entnommen werden. Der Sicherungszessionar ist insb. nicht darauf beschränkt, lediglich den Befriedigungsanspruch nach § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO abzutreten. Das würde dem neuen Gläubiger die Schutzrechte der §§ 167 ff. InsO entziehen, ohne dass hierfür insolvenzrechtlich ein Bedürfnis oder eine Notwendigkeit bestünde. Das Insolvenzverfahren und insb. das Einziehungs- und Verwertungsrecht des Verwalters werden durch eine solche Abtretung nicht beeinträchtigt. Aus § 166 Abs. 2 InsO ergibt sich insb., wie das Berufungsgericht zutreffend gesehen hat, in dem genannten Umfang kein gesetzliches Veräußerungsverbot i.S.d. § 134 BGB mit der Folge, dass eine gleichwohl vorgenommene Abtretung nichtig wäre. Auch aus § 166 Abs. 2 InsO unmittelbar lässt sich ein derartiges Veräußerungsverbot nicht entnehmen.
[17] b) Durch die Abtretung der streitgegenständlichen Kaufpreisforderung von der S. als Sicherungszessionarin an den Geschäftsführer der Schuldnerin und von diesem an die Drittschuldnerin konnte letztere damit allerdings nur die Rechtsposition erwerben, die zuvor die S. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens innehatte; sie erhielt also allenfalls die Stellung einer Sicherungszessionarin, deren Einziehungs- und Verwertungsrecht an der Forderung an den Verwalter übergegangen ist. In dieser Konstellation findet eine Konfusion nicht statt.
[18] aa) Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag in der Sache IX ZR 65/08 entschieden hat, kann der Drittschuldner allerdings trotz des Einziehungs- und Verwertungsrechtes des Insolvenzverwalters weiterhin mit befreiender Wirkung an den Sicherungszessionar leisten, solange ihm die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines ursprünglichen Gläubigers unbekannt ist oder er nicht weiß, dass die erfolgte Abtretung lediglich zu Sicherungszwecken erfolgt ist. Denn auf ihn finden §§ 408, 407 Abs. 1, 412 BGB, § 82 Abs. 1 Satz 1 InsO entsprechende Anwendung. Wie in den dort geregelten Fällen kann auch hier dem Drittschuldner nicht das Risiko auferlegt werden, ohne schuldbefreiende Wirkung an den Drittschuldner zu zahlen, wenn er von den Umständen, die das alleinige Einziehungs- und Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters begründen, keine Kenntnis hat. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das genannte Urteil Bezug genommen (BGH, Urt. v. 23.4.2009 - IX ZR 65/08, z.V.b.).
[19] bb) Die Folgen der Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person (Konfusion) sind im Gesetz nicht geregelt. Es besteht jedoch Übereinstimmung, dass in diesen Fällen das Schuldverhältnis in der Regel erlischt (BGHZ 48, 214 [218]; BGH, Urt. v. 11.12.1981 - V ZR 222/80, NJW 1982, 2381 [2382]; v. 14.6.1995 - IV ZR 212/94, NJW 1995, 2287 [2288]).
[20] Etwas anderes gilt, wenn gesetzliche Vorschriften das Bestehenbleiben der Forderung vorsehen (vgl. z.B. §§ 1164, 1173, 1976, 1991 Abs. 2, 2143, 2175 oder 2377 BGB). Die Vereinigung führt auch dann nicht zum Erlöschen der Schuld, wenn Ausnahmen von diesem Grundsatz mit Rücksicht auf Dritte geboten sind (BGH, Beschl. v. 30.4.1980 - V ZR 56/79, WM 1981, 15 [16]; Urt. v. 14.6.1995, a.a.O.; Beschl. v. 27.9.1995 - IV ZR 52/94, ZEV 1995, 453; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl. vor § 362 Rz. 4; MünchKomm/BGB/Wenzel, 5. Aufl. vor § 362 Rz. 4; Staudinger/Olzen, BGB, Neubearbeitung 2006, Einleitung vor §§ 362 ff. Rz. 25 ff., 29; Erman/H.P. Westermann/Buck-Heeb, 12. Aufl. vor § 362 Rz. 3; Wolf LMK 2004, 87, 88).
[21] Dem Erlöschen der Forderung steht es danach entgegen, wenn der Schuldner, der die Forderung erwirbt, an den bisherigen Gläubiger, der die Forderung an ihn abtritt, mit Rücksicht auf die Belange Dritter nicht mehr mit befreiender Wirkung hätte leisten können. Denn hieran kann sich nichts dadurch ändern, dass er selbst die - eingeschränkte - Rechtsstellung dieses Sicherungszessionars und Zedenten erwirbt.
[22] So liegt der Fall hier. Das Erlöschen der Forderung durch Konfusion ist mit § 166 Abs. 2 InsO unvereinbar. Die Schutzvorschriften zugunsten des Drittschuldners entsprechend §§ 408, 407 Abs. 1, 412 BGB, § 82 Abs. 1 Satz 1 InsO greifen nicht ein. Der Drittschuldnerin war durch ihren Geschäftsführer bekannt, dass die von ihr erworbene Forderung der Schuldnerin gegen sie von der Schuldnerin zur Sicherheit an die S. und von dort über den Geschäftsführer der Schuldnerin an sie selbst abgetreten worden war. Sie wusste ferner, dass bereits im Zeitpunkt der Abtretung der S. an den Geschäftsführer das Insolvenzverfahren über das Vermögen ihrer ursprünglichen Gläubigerin eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt worden war. Sie hätte deshalb - wie ausgeführt - an die S. und deren Rechtsnachfolger nicht mehr mit befreiender Wirkung leisten können. Dies wäre mit der gesetzlichen Einziehungs- und Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters nach § 166 Abs. 2 InsO unvereinbar.
[23] c) Dem Klageanspruch kann der Beklagte nicht den Einwand der Arglist entgegenhalten. Auch wenn die Drittschuldnerin an der Forderung ein Absonderungsrecht in der Insolvenz der Schuldnerin erworben hat und deshalb der Erlös nach Abzug der Kosten an den Beklagten auszukehren ist, kann er nach Treu und Glauben nicht verlangen, so gestellt zu werden, als habe er die Forderung selbst bereits unter Verstoß gegen § 166 Abs. 2 InsO eingezogen und könne nur auf Kosten und Schadensersatz in Anspruch genommen werden (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 23.4.2009 - IX ZR 65/08, z.V.b.). Andernfalls würde das bestehende Einziehungs- und Verwertungsrecht des klagenden Insolvenzverwalters ausgehöhlt und ein vorsätzlicher Verstoß gegen § 166 Abs. 2 InsO belohnt. Ein Arglisteinwand kann nicht daraus abgeleitet werden, dass die Drittschuldnerin womöglich folgenlos gegen das Gesetz hätte verstoßen können. Davon abgesehen kann der Kläger in der Insolvenz der Drittschuldnerin ohnehin lediglich eine Quote erzielen, deren Höhe noch nicht feststeht.
[24] 3. Weil das Urteil des LG in Ziff. 2 mit der Berufung nicht angefochten worden ist, war es in diesem Umfang rechtskräftig geworden und durfte deshalb vom Berufungsgericht nicht aufgehoben werden. Der Formulierung des Berufungsgerichts liegt insoweit ein offenkundiges Versehen zugrunde, das richtig zu stellen war.
Fundstellen
Haufe-Index 2166107 |
BB 2009, 1137 |
DB 2009, 1234 |