Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsfähigkeit nachträglich geforderter Mehrwertsteuer bei Nettovereinbarung - Videofilmverwertung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob eine Vertragspartei (hier: eines Vertrages über die Herstellung und den Vertrieb eines Videofilms, bei dem die erzielten Nettoeinnahmen unter den Parteien zu gleichen Teilen aufgeteilt werden sollten) im Falle ihrer nachträglichen Heranziehung zur Abführung von Mehrwertsteuer diese vom Vertragspartner unter dem Gesichtspunkt der – auch ergänzenden – Vertragsauslegung oder nach den Regeln über das Fehlen der Geschäftsgrundlage erstattet verlangen kann (im Anschluß an BGH, Urt. v. 11.5.2001 – V ZR 492/99, NJW 2001, 2464).
Normenkette
UStG § 10 Abs. 1; BGB §§ 157, 242
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 23.06.1999; Aktenzeichen 8 U 19/99) |
LG Hamburg (Urteil vom 11.12.1998; Aktenzeichen 308 O 207/98) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 8. Zivilsenat, vom 23. Juni 1999 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 8, vom 11. Dezember 1998 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob eine zwischen ihnen getroffene Entgeltvereinbarung die Mehrwertsteuer einschließt.
Im Jahr 1993 trafen die Parteien und die B.-Zeitung eine Vereinbarung über die Herstellung und den Vertrieb eines Video-Films. Danach sollten die Nettoeinnahmen aus dem Verkauf des von der B.-Zeitung zu vermarktenden Films unter den drei Partnern zu gleichen Teilen aufgeteilt werden. Die Frage der Mehrwertsteuerpflichtigkeit des Klägers wurde weder in der Vereinbarung noch sonst zwischen den Parteien angesprochen.
Der Kläger hat aufgrund der Vereinbarung von der Beklagten für die Zeit von Dezember 1993 bis Oktober 1995 insgesamt 71.030,57 DM ausbezahlt bekommen. Er wurde deshalb zur Abführung von Mehrwertsteuer herangezogen, wobei auf seinen Einspruch hin der Steuersatz von ursprünglich 15 % auf 7 % herabgesetzt wurde.
Den sich hieraus ergebenden Betrag in Höhe von 4.972,14 DM verlangt der Kläger mit seiner in erster Instanz nach der Herabsetzung des Steuersatzes teilweise zurückgenommenen Klage nunmehr von der Beklagten ersetzt. Er macht geltend, die Beklagte sei ebenso wie er selbst davon ausgegangen, daß er der Mehrwertsteuer nicht unterliege.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat insbesondere bestritten, einem Irrtum über die Mehrwertsteuerpflichtigkeit des Klägers unterlegen zu sein.
Das Berufungsgericht hat der vom Landgericht abgewiesenen Klage stattgegeben.
Hiergegen richtet sich die (zugelassene) Revision der Beklagten, deren Zurückweisung der Kläger beantragt.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die Beklagte vertraglich für verpflichtet gehalten, dem Kläger die Mehrwertsteuer zu erstatten. Hierzu hat es ausgeführt:
Allerdings rechtfertigten das Gebot der Klarheit der Preisvereinbarung sowie die Überlegung, daß der leistende Unternehmer seine steuerlichen Belange selbst wahrnehmen möge, grundsätzlich die Annahme, daß vereinbarte Entgelte brutto zu verstehen seien. Der Streitfall weise jedoch Besonderheiten auf, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigten. So sei er dadurch gekennzeichnet, daß entgegen der Regel des § 14 Abs. 1 UStG nicht der leistende Unternehmer abgerechnet habe (vgl. § 14 Abs. 5 UStG). Auch sei die mehrwertsteuerpflichtige Leistungsbeziehung zwischen den Parteien nicht zwingend vorgegeben gewesen. Nach der Rechtsauffassung der Beklagten müßte der Kläger anders als die Beklagte, der ihr Drittel an den Nettoerlösen auch zukomme, die Mehrwertsteuer zweimal – zunächst für den Außenumsatz mit den Dritten und sodann nochmals für den Binnenumsatz der Parteien – tragen, obwohl die Parteien gleiche Anteile an den Erlösen vereinbart hätten. Unter diesen Umständen entspreche es der redlichen Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB), daß die Beklagte dem Kläger seinen Nettoanteil auch wirklich ungeschmälert auszahle, wenn es sie denn „nichts koste”. Dies sei hier der Fall, weil § 14 UStG einen fixen Zeitpunkt für die notwendige Abrechnung nicht nenne und die Beklagte auch nicht dargetan habe, daß sie ihre Möglichkeit des Vorsteuerabzugs nicht mehr wahrnehmen könne oder die Berichtigung der Abrechnung ihr einen unzumutbaren Aufwand verursachte.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision der Beklagten haben Erfolg. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden landgerichtlichen Urteils. Dem Kläger steht der mit der Klage geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gilt der für eine Leistung vereinbarte Preis grundsätzlich auch die Aufwendung für die von dem Leistenden zu entrichtende Mehrwertsteuer ab. Die Abgeltung der Aufwendung ist unselbständiger Teil des zu zahlenden Entgelts („Bruttopreis”; vgl. BGHZ 58, 292, 295; 60, 199, 203; 103, 284, 287; BGH, Urt. v. 14.1.2000 – V ZR 416/97, NJW-RR 2000, 1652; Urt. v. 11.5.2001 – V ZR 492/99, NJW 2001, 2464). Hiervon ist auch bei Angeboten an einen zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer auszugehen (BGH, Urt. v. 4.4.1973 – VIII ZR 191/72, WM 1973, 677, 678; BGH NJW 2001, 2464). Etwas anderes gilt, wenn die Parteien einen „Nettopreis” vereinbart haben, wofür auch ein Handelsbrauch oder eine Verkehrssitte maßgeblich sein kann (BGH NJW 2001, 2464). Umstände, die im Streitfall eine entsprechende Vertragsauslegung rechtfertigen könnten, hat der Kläger, der sich vielmehr auf einen übereinstimmenden Irrtum beider Parteien hinsichtlich der Mehrwertsteuerpflichtigkeit der ihm von der Beklagten ausbezahlten Erlösanteile berufen hat (vgl. dazu sogleich zu 2.), jedoch nicht geltend gemacht und hat auch das Berufungsgericht nicht festgestellt. Dieses hat in den Gründen seiner Entscheidung (Ziffer I.4) nämlich unter anderem ausgeführt, die Frage nach der Umsatzsteuerpflicht (des Klägers) sei unstreitig gar nicht erst gestellt worden.
2. Die Frage, wer die tatsächlich angefallene Mehrwertsteuer zu tragen hat, kann allerdings, wenn – wie im Streitfall – dem Wortlaut des Vertrages in dieser Hinsicht nichts zu entnehmen ist, einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich sein. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß die Parteien irrtümlicherweise übereinstimmend davon ausgegangen sind, daß ein zwischen ihnen getätigter Umsatz nicht der Mehrwertsteuerpflicht unterliegt (BGH NJW-RR 2000, 1652, 1653; NJW 2001, 2464, 2465). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
Einen entsprechenden Irrtum hatte der Kläger zwar bereits im ersten Rechtszug behauptet, die Beklagte jedoch bestritten und auch das Landgericht, das dabei namentlich die vom Kläger vorgelegten Urkunden berücksichtigt hat, in seinem Urteil verneint. Im zweiten Rechtszug haben die Parteien ihren entsprechenden Vortrag erster Instanz wiederholt und vertieft. Der – hinsichtlich des Vorliegens eines gemeinschaftlichen Irrtums, der der Klage unter dem Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung zum Erfolg verhelfen konnte, beweisbelastete – Kläger hat aber auch im Berufungsverfahren keinen weitergehenden Beweis für die Richtigkeit seines Sachvortrags angetreten.
Das Berufungsgericht hat der Klage in seiner – zeitlich vor den zuletzt zitierten beiden Urteilen des Bundesgerichtshofes ergangenen – Entscheidung zwar stattgegeben. Seine letztlich allein Billigkeitserwägungen Rechnung tragenden Ausführungen lassen aber keinen Zweifel daran, daß es aufgrund des Vortrags des Klägers und der von diesem in Bezug genommenen Urkunden ebenfalls nicht die Überzeugung zu gewinnen vermocht hat, daß sich neben dem Kläger auch die Beklagte in einem Irrtum über die Mehrwertsteuerpflichtigkeit der von ihr an den Kläger ausbezahlten Erlösanteile befunden hatte. Das Berufungsgericht ist daher in tatsächlicher Hinsicht ebenso wie das Landgericht von einem sogenannten internen oder verdeckten Kalkulationsirrtum ausgegangen. Ein solcher Irrtum aber stellt einen bloßen Motivirrtum dar, der als solcher rechtlich unbeachtlich ist (BGH NJW 2001, 2464, 2465; Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 119 Rdn. 29; Erman/H. Palm, BGB, 10. Aufl., § 119 Rdn. 38 und 51; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl., § 36 Rdn. 78).
Es kann dahinstehen, ob sich eine andere Beurteilung ergeben würde, wenn, wie der Kläger in der mündlichen Revisionsverhandlung geltend gemacht hat, die Parteien die Frage der Mehrwertsteuerpflicht beide nicht bedacht hätten. Zum einen steht der Hilfsvortrag des Klägers, auf den er sich in diesem Zusammenhang bezogen hat, in einem unauflöslichen Widerspruch zu seinem Hauptvortrag, er sei hinsichtlich der Umsatzsteuerpflichtigkeit der an ihn erfolgten Auszahlungen einem Irrtum unterlegen. Sodann hat die Beklagte im Rechtsstreit stets in Abrede gestellt, hinsichtlich der Mehrwertsteuerpflichtigkeit dieser Auszahlungen einer – sei es auch nur unbewußten – Fehlvorstellung unterlegen zu sein, ohne daß der Kläger für seine gegenteilige Behauptung Beweis angetreten hat.
3. Die Klage stellt sich im übrigen auch nicht nach den Regeln über das Fehlen der Geschäftsgrundlage als begründet dar (§ 242 BGB). Die Geschäftsgrundlage setzt eine gemeinsame Vorstellung der Geschäftsbeteiligten voraus, die allerdings auch dann bejaht werden kann, wenn eine einseitige Vorstellung von der Geschäftsgrundlage dem Geschäftsgegner erkennbar geworden und von ihm nicht beanstandet worden ist (BGHZ 128, 230, 236; BGH NJW 2001, 2464, 2465). Davon aber ist nicht allein schon deshalb auszugehen, weil der andere Teil dem Geschäftsgegner seine Kalkulationsgrundlagen offengelegt hat (BGH NJW 2001, 2464, 2466). Dementsprechend verbleibt auch in einem solchen Fall das Risiko der Fehleinschätzung hinsichtlich der Steuerpflichtigkeit der Umsätze beim Leistenden und kann nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben auf den anderen Vertragspartner abgewälzt werden (BGH NJW 2001, 2464, 2466). Da im Streitfall nach dem eigenen (Hilfs-)Vortrag des Klägers auf seiten der Beklagten keine Vorstellungen über die steuerliche Seite der Angelegenheit bestanden hatten, scheidet zudem namentlich die Vorstellung, der Kaufpreis solle dem Kläger ungeschmälert erhalten bleiben, als Geschäftsgrundlage aus (BGH NJW 2001, 2464, 2466). Dementsprechend steht dem Kläger auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Fehlens der Geschäftsgrundlage schon dem Grunde nach kein Anspruch zu. Auf die weitere, zwischen den Parteien ebenfalls streitige Frage, inwieweit es der Beklagten zuzumuten ist, dem Kläger die von diesem an das Finanzamt bezahlten Umsatzsteuerbeträge zu ersetzen, weil sie sich diese Beträge ihrerseits vom Finanzamt erstatten lassen kann, kommt es damit nicht mehr an.
III. Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben. Da auch kein weitergehender Sachvortrag und insbesondere kein Beweis des Klägers für einen Irrtum der Beklagten über die Mehrwertsteuerpflichtigkeit der in Rede stehenden Erlösanteile mehr zu erwarten ist, ist das die Klage abweisende Urteil erster Instanz wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Erdmann, Starck, Bornkamm, Büscher, Schaffert
Fundstellen
NJW 2002, 2312 |
NWB 2002, 2275 |
BGHR 2002, 666 |
BGHR |
GRUR 2003, 84 |
Nachschlagewerk BGH |
StuB 2003, 89 |
WM 2003, 585 |
AfP 2003, 92 |
MDR 2002, 935 |
WRP 2002, 839 |
ZUM-RD 2002, 407 |
KUR 2002, 87 |