Entscheidungsstichwort (Thema)
Herabsetzung der Kilometer-Pauschale von 0,50 DM auf 0,36 DM
Leitsatz (amtlich)
Die Herabsetzung der Kilometer-Pauschale von 0,50 DM auf 0,36 DM ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 4 S. 3; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
A.
I.
Bereits das Einkommensteuergesetz vom 16. Oktober 1934 (RGBl I S. 1005) erkannte die notwendigen Aufwendungen der Arbeitnehmer für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit an (§ 9 Nr. 4 EStG). Das Merkmal der Notwendigkeit diente dabei der Abgrenzung gegenüber den nichtabziehbaren Kosten der privaten Lebensführung im Sinne von § 12 Nr. 1 EStG. Bei Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs für diese Fahrten wurde in der Regel nur der Aufwand zum Abzug zugelassen, der auch bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel entstanden wäre.
Durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BGBl I S. 373) wurde § 9 Nr. 4 EStG geändert und die Beschränkung auf notwendige Fahrtkosten fallengelassen. Danach stand es im Ermessen des Arbeitnehmers, welches Verkehrsmittel er für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzte; seine Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wurden als Werbungskosten anerkannt. Auf Grund einer Ermächtigung in § 9 Nr. 4 des neugefaßten Einkommensteuergesetzes – EStG 1955 – setzte § 26 Abs. 2 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung vom 21. Dezember 1955 (BGBl I S. 756) – EStDV 1955 – zur Abgeltung der absetzbaren Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für jeden Arbeitstag, an dem der Steuerpflichtige für diese Fahrten ein eigenes Kraftfahrzeug benutzte, je Entfernungskilometer Pauschbeträge fest, und zwar für einen Kraftwagen in Höhe von 0,50 DM und außerdem seit 1958 (Zweite Verordnung zur Änderung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung vom 7. Februar 1958 – BGBl I S. 70 –) für einen Kleinstkraftwagen in Höhe von 0,36 DM.
Art. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa des Zweiten Gesetzes zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung vom 23. Dezember 1966 (BGBl I S. 702) – Steueränderungsgesetz 1996 – änderte § 9 Nr. 4 EStG erneut und nahm den Inhalt des § 26 Abs. 2 EStDV 1955 unter Vereinheitlichung und Kürzung der Kilometer-Pauschale bei Benutzung eines eigenen Kraftwagens in das Gesetz auf. § 9 Abs. 1 Nr. 4 des auf Grund dieser Änderung neugefaßten Einkommensteuergesetzes – EStG 1967 – lautet nunmehr:
… Werbungskosten sind auch
4. Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Hat der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz an einem Ort, der mehr als 40 km von der Arbeitsstätte entfernt liegt, so werden die Aufwendungen nur insoweit als Werbungskosten abgezogen, als sie durch die Fahrten bis zur Entfernung von 40 km verursacht werden. Bei Fahrten mit einem eigenen Kraftfahrzeug werden die Aufwendungen für jeden Arbeitstag, an dem das Kraftfahrzeug benutzt wird, nur in Höhe der folgenden Pauschbeträge anerkannt:
- bei Benutzung eines Kraftwagens 0,36 Deutsche Mark
- …
für jeden Kilometer, den die Wohnung von der Arbeitsstätte entfernt liegt; …
II.
1. Der Kläger des Ausgangsverfahrens benutzte 1967 für die Fahrten von seiner Wohnung zu seiner 33 km entfernten Arbeitsstätte seinen Personenkraftwagen Fiat 1500 C. Im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren 1967 beantragte er beim FA wegen seiner Aufwendungen für diese Fahrten einen Freibetrag von (240 Tage × 33 km × 0,50 DM = 3 960 DM abzüglich Werbungskosten-Pauschbetrag von 564 DM =) 3 396 DM auf die Lohnsteuerkarte 1967 vorab einzutragen. Das FA erkannte unter Hinweis auf das Steueränderungsgesetz 1966 lediglich eine Kilometer-Pauschale von 0,36 DM an. Gegen den ablehnenden Bescheid des FA erhob der Kläger Sprungklage zum Niedersächsischen Finanzgericht.
Dieses beschloß am 26. Juni 1968, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen,
ob die Vorschrift des Art. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa des Steueränderungsgesetzes 1966 vom 23. Dezember 1966 (BGBl I S. 702; BStBl 1967 I S. 2) insoweit verfassungswidrig ist, als sie die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs auf 0,36 DM je Entfernungskilometer begrenzt.
In der Begründung des Beschlusses wird ausgeführt:
a) Die streitige Vorschrift sei für die zu treffende Sachentscheidung erheblich; denn im Falle ihrer Nichtigkeit könne der Kläger des Ausgangsverfahrens seinen tatsächlichen Aufwand in Höhe des von ihm begehrten Betrages von 0,50 DM je Entfernungskilometer als Werbungskosten absetzen.
Die Klage sei zulässig, obwohl im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren ein Vorverfahren (Einspruch beim FA) erforderlich sei; denn das FA habe während des Rechtsstreits mit Sicherheit erkennen lassen, daß es dem Einspruch nicht stattgeben würde.
Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für die Fortsetzung des Ausgangsverfahrens bestehe fort, auch wenn das Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren 1967 nicht mehr unmittelbar zu einer Steuerermäßigung für 1967 führe und nicht automatisch in ein Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren oder in ein allgemeines Erstattungsverfahren übergehe. Der Staatsbürger habe das Recht, die Rechtmäßigkeit eines belastenden Verwaltungsaktes auch dann noch überprüfen zu lassen, wenn er durch ihn nicht mehr unmittelbar belastet werde; denn aus der erstrebten Entscheidung könne er Folgerungen für sein künftiges Verhalten ableiten.
b) Die Herabsetzung der Pauschale sei in doppelter Weise systemwidrig. Sie verletze einmal den im Einkommensteuerrecht festgelegten Grundsatz der vollen Abzugsfähigkeit der betrieblich oder beruflich veranlaßten Aufwendungen, die nicht mit der privaten Lebensführung in Berührung ständen. Zum anderen richte sie sich allein gegen den ein eigenes Kraftfahrzeug benutzenden Personenkreis, während alle anderen Steuerpflichtigen ihre Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in voller Höhe geltend machen könnten. Sie verstoße auch gegen den Leitgedanken des Einkommensteuerrechts, wonach die Höhe der Steuer von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen abhänge. Die Systemwidrigkeit werde zur Verfassungswidrigkeit, weil die nachteilige Behandlung der betroffenen Gruppe erhebliches Gewicht besitze und nicht durch einen von der Sache her einleuchtenden Grund gerechtfertigt werde. Mit der Herabsetzung der Kilometer-Pauschale entfalle der bisherige Anreiz zur Anschaffung und Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs; dadurch würden gerade die sozial Schwachen mehr betroffen, da die finanziell bessergestellten Arbeitnehmer eher bereit seien, die erhöhte Steuerbelastung auf sich zu nehmen.
III.
1. Der Bundesminister der Finanzen, der sich namens der Bundesregierung geäußert hat, hält die verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts nicht für begründet.
Der Gesetzgeber habe sich im Steueränderungsgesetz 1966 ohne eine besondere Berechnung zu einer Herabsetzung des ursprünglich aus den Kostentabellen der Automobil-Clubs ermittelten Pauschbetrages von 0,50 DM je Entfernungskilometer entschlossen. Die Berücksichtigung der für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte tatsächlich entstandenen Aufwendungen sei nicht zwingend, wie das Beispiel von Großbritannien und USA zeige. Der Gesetzgeber sei deshalb verfassungsrechtlich nicht gehindert, die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben und Werbungskosten zu beschränken, soweit dies bei gleichen Sachverhalten gegenüber allen Steuerpflichtigen in gleicher Weise geschehe. Da er die steuerliche Berücksichtigung der Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für alle auf den Betrag begrenzen dürfe, der regelmäßig bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel anfalle, würden die Benutzer eines eigenen Kraftwagens für diese Fahrten sogar in aller Regel begünstigt, weil die Kosten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in aller Regel geringer als der Pauschbetrag von 0,36 DM je Entfernungskilometer seien.
Die Begrenzung des Kilometer-Pauschbetrages sei u.a. durch verkehrspolitische und fiskalische Erwägungen gerechtfertigt.
2. Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat ausgeführt, Infolge der Herabsetzung des Pauschbetrages würden die tatsächlichen Fahrtaufwendungen nur zu 70 vom Hundert gedeckt. Diese Begrenzung sei willkürlich. Sie könne wegen der regional unterschiedlichen Verkehrsbelastung nicht mit verkehrspolitischen Erwägungen motiviert werden. Auch sei die Lenkungsmaßnahme mit dem Ziel, den Verkehrsstrom auf öffentliche Verkehrsmittel zu verweisen, nicht lückenlos; sie spreche nur die Einkommensschwachen an. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers gehe nicht so weit, daß er den Werbungskostenbegriff – je nach Haushaltslage – aushöhlen dürfe. Die von der Reduzierung der Kilometer-Pauschale Betroffenen seien steuerlich auch nicht günstiger gestellt als die anderen Arbeitnehmer; denn es werde bei ihnen ein Einkommen besteuert, das höher sei als der Überschuß der Einnahmen über die tatsächlichen Werbungskosten.
3. Der Präsident des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts und hat detaillierte Berechnungen über die Fahrtkosten eines Personenkraftwagens Fiat 1500 C vorgelegt.
Entscheidungsgründe
B.
Die Vorlage ist zulässig, denn die Entscheidung des FG über die Sprungklage hängt von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm ab.
Das vorlegende Gericht hält Art. 1 Nr. 2 Buchst b Doppelbuchst. aa des Steueränderungsgesetzes 1966 vom 23. Dezember 1966 für verfassungswidrig. Ist die Vorschrift verfassungsgemäß, so wird es die Sprungklage als unbegründet abweisen. Bei Nichtigkeit der Bestimmung will es den tatsächlichen Aufwand – den es allerdings ebenfalls auf 0,50 DM schätzt – berücksichtigen. Es will also – bei Verfassungswidrigkeit der angerührten Bestimmung des Steueränderungsgesetzes 1966 – nicht mehr die ursprüngliche Fassung des § 9 Nr. 4 EStG 1955/65 anwenden, die ohne Nachweis im Einzelfall den Abzug eines Betrages von 0,50 DM zulaßt, sondern den tatsächlichen Aufwand ermitteln. Deshalb muß die Vorlage dahin ausgelegt werden, daß in Wirklichkeit § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 erster Halbsatz Buchst. a EStG 1967 zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellt wird. Bei Nichtigkeit dieser Vorschrift wären nämlich nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 1967 die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Werbungskosten, die nach entsprechender tatsächlicher Ermittlung abzuziehen waren (vgl. § 2 Abs. 4 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG).
Die weiteren Ausführungen, mit denen das Gericht die Zulässigkeit der Klage im Ausgangsverfahren und damit die Erheblichkeit der Vorlagefrage für die zu treffende Sachentscheidung bejaht, sind vertretbar.
C.
Die zur Prüfung gestellte Vorschrift verletzt nicht das Grundgesetz.
I.
1. Für die ursprünglich gewährte Kilometer-Pauschale von 0,50 DM je Entfernungskilometer war die Berechnung maßgebend, die die Automobil-Clubs für einen Mittelklassewagen abgestellt hatten. Die neue Kilometer-Pauschale von 0,36 DM je Entfernungskilometer faßt die ursprünglichen Pauschbeträge von 0,50 DM und 0,36 DM zu einer einheitlichen Pauschale zusammen; sie beruht nicht mehr auf einer Durchschnittsberechnung (Schätzung) nach den inzwischen geänderten Tabellen der Automobil-Clubs; vielmehr waren Verkehrs-, finanz- und haushaltspolitische Erwägungen maßgebend. Auf Grund der von den Automobil-Clubs inzwischen aufgestellten Kostentabellen muß davon ausgegangen werden, daß die neue Kilometer-Pauschale die im Durchschnitt tatsächlich entstehenden und steuerlich zu berücksichtigenden regelmäßigen Aufwendungen nicht deckt. Der Bundesminister der Finanzen hat keine entgegenstehenden Angaben gemacht.
2. Die Kürzung der Kilometer-Pauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Betrieb) hat auch Bedeutung für andere Steuerpflichtige als Arbeitnehmer z.B. Gewerbetreibende, Freiberufler, Landwirte usw. (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 3 EStG 1967). Bei ihnen sind die tatsächlichen Aufwendungen für diese Fahrten, soweit sie über die abzugsfähigen Beträge hinausgehen, als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben zu behandeln (vgl. Abschnitt 20 a Abs. 2 Einkommensteuer-Richtlinien 1967).
II.
1. Die Einkommensteuer will als Personensteuer die steuerliche Leistungsfähigkeit erfassen. Daraus ergibt sich vor allem das Prinzip der Nettobesteuerung des Einkommens, wonach bei den hier in Frage kommenden Einkünften der Einkommensteuer nur der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten unterliegt und grundsätzlich alle beruflich veranlaßten Aufwendungen auch Werbungskosten darstellen. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts verstößt die Kürzung der Kilometer-Pauschale gegen den in § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 3 EStG 1967 festgelegten Grundsatz der vollen Abzugsfähigkeit der beruflich veranlaßten Aufwendungen des Arbeitnehmers und damit gegen den Leitgedanken, daß es für das Einkommensteuerrecht auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ankommt
Es mag dahinstehen, ob dem geltenden Einkommensteuerrecht eine solche Sachgesetzlichkeit der Nettobesteuerung innewohnt. Auch wenn dies zuträfe, könnte der Gesetzgeber von diesem Prinzip abweichen, sofern er hierfür sachlich einleuchtende Gründe hätte (BVerfGE 17, 232 [249 f.]; 18, 315 [333 f.] mit weiteren Nachweisen; 24, 174 [181]; 25, 371 [401 f.]). Dies ist der Fall.
a) Für die Kürzung der Kilometer-Pauschale waren nach den Gesetzesmaterialien in erster Linie allgemeine verkehrspolitische Erwägungen maßgebend (vgl. BT-Drucks. V/1068 S 23, IV/2661 S. 87 f.). Das Bundesverfassungsgericht hat bereits anerkannt (BVerfGE 16, 147 [184]), daß solche Erwägungen sachliche Gründe im Sinne dieser Rechtsprechung darstellen können.
Nach dem Bericht der Sachverständigenkommission auf Grund des Gesetzes über eine Untersuchung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (BT-Drucks. IV/2661, insbesondere S. 89), der in der Begründung des Entwurfs des Steueränderungsgesetzes 1966 herangezogen wurde, übt die Möglichkeit der Steuerersparnis einen nicht zu unterschätzenden, mit rationalen Gründen allein nicht zu erklärenden Anreiz auf die Steuerpflichtigen aus, für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen Personenkraftwagen zu benutzen. Die Verkehrssachverständigen erhofften sich durch die Kürzung der Kilometer-Pauschale eine Milderung der Verkehrsschwierigkeiten in den Ballungsräumen zu den Hauptverkehrszeiten und eine gewisse Verlagerung des Berufsverkehrs von dem Kraftfahrzeug auf die öffentlichen Verkehrsmittel.
Der Gesetzgeber hat sich mit der Kürzung der Kilometer-Pauschale dieser Auffassung angeschlossen. Die steuerliche Lenkung durch Änderung der Steuerbelastung einer Gruppe erscheint als ein sachbezogenes und jedenfalls nicht evident ungeeignetes Mittel, in gewissem Umfang die erstrebte Umschichtung von der Benutzung des eigenen Personenkraftwagens auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu erreichen oder zumindest der zunehmenden Verschlechterung der Verkehrsverhältnisse entgegenzuwirken. Hierbei konnte auch die Rücksicht auf die Rentabilität der öffentlichen Verkehrsmittel eine Rolle spielen. Es sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, daß der Gesetzgeber mit den eingeleiteten Lenkungsmaß ahmen eine völlig fehlsame Entscheidung getroffen ha (vgl. BVerfGE 24, 1 [19 f.]).
Allerdings ist nicht zu verkennen, daß die Verkehrsverhältnisse nicht in allen Gebieten der Bundesrepublik gleichgelagert sind und daß es Regionen geben kann, in denen die Benutzung eigener Personenkraftwagen durch Arbeitnehmer keine unerträgliche Verkehrszusammenballung verursacht. Auch mag es zutreffen, daß Arbeitnehmer wegen der Lage der Wohnung oder der Arbeitsstätte auf die Benutzung eines Personenkraftwagens mehr oder weniger angewiesen sind. Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, daß es sich – gemessen an der großen Zahl der Fälle – um in ihrer Bedeutung und ihrer Auswirkung geringer zu veranschlagende Fälle handelt. Er durfte eine Bestimmung, die an Massenvorgänge des Wirtschaftslebens die gleichen steuerlichen Folgen knüpfen soll, weit fassen und Besonderheiten einzelner Gruppen vernachlässigen.
b) Der Gesetzgeber konnte die Kürzung der Kilometerpauschale auch mit finanzpolitischen und steuertechnischen Erwägungen rechtfertigen. Er hat eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, wenn es darum geht, neue Steuerquellen zu erschließen oder bestehende Steuersätze zu erhöhen. Das gleiche muß auch bei dem Abbau einer Steuervergünstigung gelten, insbesondere wenn diese Maßnahme in den Rahmen eines Gesamtprogramms eingefügt ist, dessen Ziel die Herstellung eines ausgeglichenen Haushalts ist. Die Mehreinnahmen für die Jahre 1967 bis 1971 wurden auf 290 bis 540 Millionen DM geschätzt (BT zu Drucks. V/1187 S. 5).
Ebenso ist das Bestreben, einen unwirtschaftlichen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, ein anzuerkennendes Motiv des Gesetzgebers (vgl. Osterr. Verfassungsgerichtshof, Erk.Slg. Nr. 4958/1965, S. 194 [195]). Arbeitnehmer, die sonst keine Werbungskosten geltend machen, können erst dann in den Genuß eines die Werbungskosten-Pauschale überschreitenden Freibetrages kommen, wenn ihre Wohnung mehr als 8 km von der Arbeitsstätte entfernt liegt. Der Gesetzgeber rechnete damit, daß die Einschränkung der bisherigen Regelung insoweit zu einer Entlastung der Finanzverwaltung führen würde, als in etwa 600 000 Fällen dieser Grund für Ermäßigungsanträge entfallen würde.
c) Der Gesetzgeber durfte daher im Rahmen seines gesetzgeberischen Ermessens nach steuersystematischen sowie nach Verkehrs- und finanzpolitischen Gesichtspunkten bestimmen, daß die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur in der im Gesetz vorgesehenen Höhe als Werbungskosten berücksichtigt werden dürfen. Es ist nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, die vom Gesetzgeber gewählte Lösung auf ihre Zweckmäßigkeit zu prüfen oder zu untersuchen, ob sie die gerechteste Lösung darstellt. Das Bundesverfassungsgericht kann bei Beurteilung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit nur prüfen, ob der Gesetzgeber gewisse äußerste Grenzen überschritten hat, ob also für die von ihm angeordnete Differenzierung sachlich einleuchtende Gründe nicht mehr erkennbar sind. Dies ist nicht der Fall (BVerfGE 18, 121 [124] mit weiteren Nachweisen; 19, 354 [367]).
2. Die Einkommensbesteuerung knüpft generell an die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen an, während z.B. im Gegensatz hierzu die Gewerbesteuer als Objektsteuer persönliche Verhältnisse grundsätzlich außer Betracht läßt. Der Bundesminister der Finanzen ist hierzu der Auffassung, für die Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen seien nicht alle, sondern nur die vom Gesetzgeber selbst anerkannten Ausgaben zu berücksichtigen.
Demgegenüber steht das vorlegende Gericht auf dem Standpunkt, daß alle Aufwendungen, die ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit seinem Dienstverhältnis macht, allein aus diesem Grund seine Steuerpflicht mindern müßten. Diese Frage braucht hier nicht entschieden zu werden, da feststeht, daß trotz der Kürzung der Kilometer-Pauschale das Prinzip der Leistungsfähigkeit im Einkommensteuerrecht erhalten geblieben ist. Zu einer reinen Verwirklichung dieses Prinzips ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verpflichtet.
3. Durfte der Gesetzgeber somit die Kilometer-Pauschale kürzen, so mußte er hierbei allerdings das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG auch insoweit beachten, daß er vergleichbare Personengruppen nicht ohne sachliche Gründe verschieden behandelte.
a) Die durch das Steueränderungsgesetz 1966 bewirkte Vereinheitlichung des für Kraftwagenbenutzer maßgebenden Kilometer-Pauschbetrages ist sachgerecht. Nach den bis einschließlich 1966 anzuwendenden Vorschriften (§ 9 Ziff. 4 EStG 1965 in Verbindung mit § 26 EStDV 1965) wurden für Kraftwagen und Kleinstkraftwagen (Hubraum bis zu 500 ccm) unterschiedliche Kilometer-Pauschbeträge gewährt. Diese Differenzierung wurde durch das Steueränderungsgesetz 1966 mit Wirkung ab 1967 aufgegeben. Grund dafür war der Umstand, daß nach der Entwicklung des Kraftfahrzeugverkehrs Kleinstkraftwagen kaum mehr gefahren werden. Außerdem war die Erwägung maßgebend, eine Differenzierung der Pauschbeträge nach den Kraftfahrzeugtypen könne die in Betracht kommenden Unterschiede nicht erschöpfen. Eine Abstufung der Pauschbeträge müßte bei Einbeziehung aller in Betracht kommenden Umstände nicht nur die unterschiedlichen Fahrzeugtypen berücksichtigen, sondern auch innerhalb der Fahrzeugtypen die Jahresfahrtleistungen. Als dann aber würde die Vereinfachungswirkung nicht erreicht werden können, die mit der Bildung der Kilometer-Pauschbeträge in verfassungsrechtlich zulässiger Weise erstrebt wird. So wird auch in dem Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses (BT zu Drucks. V/1187 S. 6) die Zusammenfassung der Pauschbeträge ausdrücklich mit der Entwicklung des Kraftfahrzeugverkehrs und mit Vereinfachungsgründen gerechtfertigt.
Die Vereinheitlichung der Kilometer-Pauschale anstelle einer prozentualen Kürzung der tatsächlichen Aufwendungen (Fichtelmann, StWarte 1967, S. 55) ist auch Ausfluß einer sozialen Tendenz des Gesetzgebers, die Benutzer kleinerer Personenkraftwagen mit der Kürzung nicht über Gebühr zu treffen.
b) Die nachzuprüfende Norm verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn sie den Benutzern eines eigenen Personenkraftwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte den vollen Abzug der tatsächlich entstandenen Fahrtaufwendungen versagt, den Benutzern öffentlicher Verkehrsmittel aber gestattet.
Zwar läßt sich diese verschiedene Behandlung nicht allein mit der Erwägung rechtfertigen, daß die Benutzer eines eigenen Personenkraftwagens gegenüber den Benutzern öffentlicher Verkehrsmittel sogar begünstigt würden, weil sie einen die Kosten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel übersteigenden Pauschbetrag erhielten. Zu vergleichen ist nicht, welcher Betrag der absoluten Höhe nach abgesetzt werden darf, sondern in welchem Verhältnis der steuerlich anerkannte Betrag jeweils zur Höhe der tatsächlichen Fahrtaufwendungen steht. Dabei zeigt sich, daß die Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel ihre Fahrtkosten in voller Höhe absetzen dürfen, während für die Benutzer eines eigenen Personenkraftwagens nur ein Betrag anerkannt wird, der erfahrungsgemäß die Kosten nicht voll deckt.
Dagegen rechtfertigen die bereits erörterten verkehrspolitischen Gründe, die eine nicht vollständige Berücksichtigung der Aufwendungen für einen eigenen Personenkraftwagen als zulässig erscheinen lassen, auch die verschiedene Behandlung der beiden Gruppen. Auch dem Gesichtspunkt, daß es sich bei den Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht um Kosten der Lebensführung handeln darf (§ 12 Nr. 1 EStG), kommt bei den Benutzern eines eigenen Personenkraftwagens größere Bedeutung zu als bei den Benutzern öffentlicher Verkehrsmittel; es entspricht der Lebenserfahrung, daß bei der Benutzung eines eigenen – zumal eines größeren – Personenkraftwagens Gründe der privaten Lebensführung (größere Bequemlichkeit, Unabhängigkeit, Freizügigkeit, Repräsentation, soziales Prestige) die Wahl des Verkehrsmittels entscheidend beeinflussen.
c) Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in der steuerlichen Behandlung der Aufwendungen eines Arbeitnehmers für seinen Personenkraftwagen im Verhältnis zu den Beziehern anderer Einkünfte vor. Aufwendungen dieser Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte werden nur in gleichem Umfang wie bei Arbeitnehmern berücksichtigt. Nach § 4 Abs. 5 Satz 3 EStG gilt § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1967 bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach §§ 4, 5 EStG ermitteln, entsprechend. Darüber hinaus ist diese Bestimmung bei der Ermittlung der Einkünfte aus den übrigen Einkunftsarten (Einkünfte aus Kapitalvermögen Vermietung und Verpachtung und sonstige Einkünfte) anzuwenden, sofern Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte mit dem eigenen Personenkraftwagen vorkommen (vgl. Nissen, DStR 1967, S. 20) Diese Ausdehnung des Geltungsbereiches des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG verfolgt den Zweck, die nach Art. 3 Abs. 1 GG gebotene Gleichstellung der übrigen Steuerpflichtiger mit den Arbeitnehmern zu erreichen (vgl. Herrmann Heuer, EStG, 12. Aufl., § 4, Anm. 51 I). Die neuen Pauschbeträge gelten erstmalig nicht nur für Arbeitnehmer sondern für alle Steuerpflichtigen.
Allerdings werden die Aufwendungen für Geschäfts und Dienstreisen im eigenen Personenkraftwagen in vollem Umfang steuerlich berücksichtigt. Solche Reisen können jedoch den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht gleichgestellt werden, weil bei ihnen die Benutzung des Kraftwagens unmittelbar der Berufsausübung dient.
Fundstellen
BStBl II 1970, 140 |
BVerfGE 27, 58 |
BVerfGE, 58 |