Entscheidungsstichwort (Thema)
Pensionsverpflichtungen bei der Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens des Trägerunternehmens einer Unterstützungskasse nicht abzugsfähig. Nichtvorlage eines Verfahrens an den Gemeinsamen Senat der obersten Bundesgerichte
Leitsatz (redaktionell)
1. Daß das Trägerunternehmen einer Unterstützungskasse bei der Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens die durch den Eintritt des Versorgungsfalls aufschiebend bedingten Ansprüche der Versorgungsberechtigten nicht als betriebliche Schuld abziehen kann, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
2. Die Nichtvorlage eines Verfahrens an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe kann zu einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG führen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 95 Abs. 3, Art. 101 Abs. 1 S. 2; BewG §§ 103-104; RsprEinhG § 2 Abs. 1; BetrAVG § 1; EStG §§ 4b, 4c, 4d, 6a
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 04.04.1990; Aktenzeichen II B 29/89) |
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 03.11.1988; Aktenzeichen VI K 258/85) |
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, denn die angegriffenen Entscheidungen lassen einen Verstoß gegen Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte der Beschwerdeführerin nicht erkennen.
I.
Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Ob das Trägerunternehmen einer Unterstützungskasse bei der Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens die durch den Eintritt des Versorgungsfalls aufschiebend bedingten Ansprüche der Versorgungsberechtigten nach § 104 BewG als betriebliche Schuld abziehen kann, ist eine Frage des einfachen Rechts, dessen Auslegung und Anwendung vom Bundesverfassungsgericht nur in engen Grenzen überprüft werden kann. Eine Grundrechtsverletzung kann in einem solchen Fall nur angenommen werden, wenn Auslegungsfehler erkennbar sind, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫). Die Auslegung des § 104 BewG in der jeweils anzuwendenden Fassung durch das Finanzgericht läßt einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht erkennen. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes kann in diesem Zusammenhang nur angenommen werden, wenn die Rechtsanwendung so fehlerhaft erscheint, daß sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 54, 117 ≪125≫; 67, 90 ≪94≫).
Die angegriffene Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg läßt sachfremde Erwägungen nicht erkennen. Das Finanzgericht geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs davon aus, daß die Berücksichtigung von Pensionsanwartschaften als betriebliche Schuld bei der Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs durch § 104 BewG abschließend geregelt sei und lehnt einen Schuldabzug für Pensionsanwartschaften nach dieser Vorschrift ab, wenn sich der Arbeitgeber zur Erfüllung der Versorgungszusagen einer Unterstützungskasse bediene. Der Entscheidung liegt offenbar die Annahme zugrunde, § 104 BewG erfasse – wie die in den Voraussetzungen des Ansatzes einer Pensionsrückstellung übereinstimmende Vorschrift des § 6a EStG – nur Direktzusagen, also Versorgungszusagen, die der Arbeitgeber zu erfüllen versprochen hat, ohne einen rechtlich selbständigen Träger (Direktversicherung, Pensionskasse, Unterstützungskasse) einzuschalten. Diese auch im Einkommensteuerrecht in den §§ 4b bis 4d, 6a EStG angelegte unterschiedliche Behandlung der aus den Versorgungszusagen für den Arbeitgeber resultierenden Verpflichtungen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. § 104 BewG läßt ausnahmsweise den Abzug von Verbindlichkeiten als betriebliche Schuld zu, deren Entstehung am Bewertungsstichtag ungewiß ist, für die aber in der Steuerbilanz nach § 6a EStG Rückstellungen gebildet werden können (vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 7. Auflage 1989, § 26 III 3 f ≪S. 763 f.≫; Rößler/Troll/Langner, Bewertungs- und Vermögenssteuergesetz, 12. Auflage 1981, § 104 BewG a.F. Rdnr. 2, § 104 BewG n.F. Rdnr. 2). Ein Arbeitgeber, der sich zur Erfüllung seiner Versorgungszusagen einer Unterstützungskasse bedient, ist auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor Eintritt des jeweiligen Versorgungsfalles weder einer direkten Inanspruchnahme durch den Versorgungsberechtigten ausgesetzt noch verpflichtet, die Unterstützungskasse mit einem bestimmten Kapital auszustatten. Ob in den Fällen, in denen eine Unterstützungskasse zur Erfüllung der Pensionszusagen eingeschaltet wird, für die am Stichtag bestehenden Anwartschaften in der Steuerbilanz eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten i.S. des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB oder nach § 6a EStG gebildet werden darf (ablehnend Ahren/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 2. Auflage, Stand Dezember 1990, 3. Teil Rdnr. 239 f.; Schmidt/Seeger, EStG, 10. Auflage 1991, § 4d Anm. 2b), kann dahinstehen. Es ist jedenfalls nicht vertretbar, wenn das Finanzgericht im Hinblick auf die nur subsidiäre Einstandspflicht des Arbeitgebers, der sich der Erfüllung von Pensionszusagen einer Unterstützungskasse bedient, die Regelung des § 104 BewG für nicht anwendbar hält.
II.
Der die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückweisende Beschluß des Bundesfinanzhofs läßt einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht erkennen.
Zwar kann die Nichtvorlage eines Verfahrens an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe zu einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG führen. Der gesetzliche Richter kann dadurch entzogen werden, daß ein Gericht die Verpflichtung zur Vorlage an ein anderes Gericht außer acht läßt. Das gilt auch, wenn das Gericht, dem vorzulegen ist, nur über eine bestimmte Rechtsfrage zu entscheiden hat (BVerfGE 13, 132 ≪143≫; 18, 441 ≪447≫; 19, 38 ≪43≫; 23, 288 ≪319≫). Der auf der Grundlage des Art. 95 Abs. 3 GG zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung geschaffene Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe ist danach anzurufen, wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats abweichen will (§ 2 Abs. 1 RsprEinhG, BGBl. 1968 I, S. 661). Es ist indessen nicht jeder die Zuständigkeit eines Gerichts berührende Verfahrensfehler verfassungsrechtlich zu beanstanden. Die Zuständigkeitsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird vom Bundesverfassungsgericht als Teil des rechtsstaatlichen Objektivitätsgebots beurteilt, das auch die Beachtung der Kompetenzregeln fordert, die den oberen Fachgerichten die Kontrolle über die Befolgung der Zuständigkeitsordnung überträgt und auf den Instanzenzug begrenzt. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet deshalb die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (BVerfGE 82, 159 ≪194≫). Einen solchen Verfahrensfehler läßt die vom Bundesfinanzhof mit der Nichtzulassung der Revision getroffene Entscheidung, das Verfahren nicht dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe vorzulegen, nicht erkennen.
Der Bundesfinanzhof hatte sich bereits in der vom Finanzgericht in Bezug genommenen Entscheidung (BFH III R 38/79 vom 18.5.1984, BStBl. 1984 II, S. 741) eingehend mit der im Ausgangsverfahren streitigen Frage auseinandergesetzt, ob die Anwartschaften, die durch § 1 BetrAVG auch für Versorgungsleistungen begründet werden, die durch Unterstützungskassen erbracht werden sollen, bei der Feststellung des Einheitswerts des Trägerunternehmens als betriebliche Schuld abzugsfähig sind. Der Bundesfinanzhof hat dabei die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berücksichtigt und mit sachlich vertretbarer Begründung unter Einbeziehung der dem Bewertungsgesetz innewohnenden Prinzipien einen Schuldabzug beim Trägerunternehmen nach § 104 und § 103 BewG abgelehnt. Die Nichtzulassung der Revision, durch die sich der Bundesfinanzhof der Möglichkeit begeben hat, über eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe zu entscheiden, ist danach nicht offensichtlich unhaltbar.
III.
Auch soweit die Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unbegründet. Art. 19 Abs. 4 GG eröffnet jedem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, den Rechtsweg. Art. 19 Abs. 4 GG gewährt indessen keinen Schutz gegen Akte der Rechtsprechung (BVerfGE 15, 275 ≪280≫; 49, 329 ≪340 f.≫). Daß der Beschwerdeführerin durch die angegriffenen Entscheidungen die Möglichkeit genommen worden ist, angemessenen Rechtsschutz zu erlangen, ist nicht erkennbar.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen