Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbeziehung der Gewinne beherrschter ausländischer Gesellschaften in die Steuerbemessungsgrundlage der Muttergesellschaft, Vereinigtes Königreich
Leitsatz (amtlich)
Die Artikel 43 EG und 48 EG sind dahin auszulegen, dass es ihnen zuwiderläuft, dass in die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft die von einer beherrschten ausländischen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Gewinne einbezogen werden, wenn diese Gewinne einem niedrigeren Besteuerungsniveau als im erstgenannten Staat unterliegen, es sei denn, eine solche Einbeziehung betrifft nur rein künstliche Gestaltungen, die dazu bestimmt sind, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen. Von der Anwendung einer solchen Besteuerungsmaßnahme ist folglich abzusehen, wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweist, dass die genannte beherrschte ausländische Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht.
Normenkette
EGVtr Art. 43, 48
Beteiligte
Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas |
Cadbury Schweppes Overseas Ltd |
Commissioners of Inland Revenue |
Verfahrensgang
Special Commissioners of Income Tax (Vereinigtes Königreich) (Entscheidung vom 29.04.2004; Abl.EU 2004, Nr. C 168/3) |
Tatbestand
„Niederlassungsfreiheit ‐ Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften ‐ Einbeziehung der Gewinne beherrschter ausländischer Gesellschaften in die Steuerbemessungsgrundlage der Muttergesellschaft“
In der Rechtssache C-196/04
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von den Special Commissioners of Income Tax, London (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 29. April 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Mai 2004, in dem Verfahren
Cadbury Schweppes plc und
Cadbury Schweppes Overseas Ltd
gegen
Commissioners of Inland Revenue
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann und A. Rosas sowie des Richters J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta und der Richter K. Lenaerts (Berichterstatter), E. Juhász, G. Arestis und A. Borg Barthet
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Cadbury Schweppes plc und der Cadbury Schweppes Overseas Ltd, vertreten durch J. Ghosh, Barrister, und J. Henderson, Adviser,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch R. Caudwell als Bevollmächtigte im Beistand von D. Anderson, QC, sowie von M. Lester und D. Ewart, Barristers,
‐ der belgischen Regierung, vertreten durch E. Dominkovits als Bevollmächtigte,
‐ der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch A. Tiemann und U. Forsthoff als Bevollmächtigte,
‐ der spanischen Regierung, vertreten durch L. Fraguas Gadea und M. Muñoz Pérez als Bevollmächtigte,
‐ der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und C. Mercier als Bevollmächtigte,
‐ von Irland, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von R. L. Nesbitt und A. Collins, SC, sowie von P. McGarry, BL,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von A. Cingolo, avvocato dello Stato,
‐ der zyprischen Regierung, vertreten durch A. Pantazi als Bevollmächtigte,
‐ der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und J. de Menezes Leitão als Bevollmächtigte,
‐ der finnischen Regierung, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,
‐ der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse und I. Willfors als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Mai 2006
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 43 EG, 49 EG und 56 EG.
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich die Cadbury Schweppes plc (im Folgenden: CS) und die Cadbury Schweppes Overseas Ltd (im Folgenden: CSO) zum einen und die Commissioners of Inland Revenue zum anderen wegen der Besteuerung der letztgenannten Gesellschaft in Bezug auf die Gewinne gegenüberstehen, die 1996 von der Cadbury Schweppes Treasury International (im Folgenden: CSTI), einer im International Financial Services Centre Dublin (Irland) (im Folgenden: IFSC) niedergelassenen Gesellschaft des Cadbury-Schweppes-Konzerns, erzielt wurden.
Nationales Recht
3 Nach dem Steuerrecht des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland unterliegt eine in diesem Mitgliedstaat im Sinne des genannten Rechts ansässige Gesellschaft (im Folgenden: ansässige Gesellschaft) dort mit ihr...