Entscheidungsstichwort (Thema)
Bei Erwerb verbrauchsteuerpflichtiger Waren durch eine Privatperson für deren Privatbedarf in Mitgliedstaat A und Verbringung der Waren durch Beförderungsunternehmen in Mitgliedstaat B entsteht die Steuer in Mitgliedstaat B
Leitsatz (amtlich)
Die Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren in der durch die Richtlinie 92/108/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass dann, wenn ‐ wie im Ausgangsverfahren ‐ eine Privatperson, die nicht gewerblich tätig wird und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, in einem ersten Mitgliedstaat für ihren Eigenbedarf und für den Bedarf anderer Privatpersonen verbrauchsteuerpflichtige Waren erwirbt, die in diesem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, und sie für ihre Rechnung in einen zweiten Mitgliedstaat durch ein in diesem zweiten Staat niedergelassenes Beförderungsunternehmen verbringen lässt, Artikel 7 der Richtlinie und nicht deren Artikel 8 anwendbar ist, so dass Verbrauchsteuern auch in diesem Staat erhoben werden. Gemäß Artikel 7 Absatz 6 der Richtlinie wird die im erstgenannten Staat entrichtete Verbrauchsteuer in einem solchen Fall nach den Bestimmungen des Artikels 22 Absatz 3 der Richtlinie rückerstattet.
Normenkette
EWGRL 12/92 Art. 7-8
Beteiligte
Staatssecretaris van Financiën |
Verfahrensgang
Hoge Raad (Niederlande) (Urteil vom 07.01.2005; Abl.EU 2005, Nr. C 106/13) |
Tatbestand
„Steuerrecht ‐ Harmonisierung der Rechtsvorschriften ‐Richtlinie 92/12/EWG ‐ Verbrauchsteuer ‐ Wein ‐ Artikel 7 bis 10 ‐ Bestimmung des Mitgliedstaats der Entstehung des Steueranspruchs ‐ Erwerb durch eine Privatperson für ihren Eigenbedarf und den Bedarf anderer Privatpersonen ‐ Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat durch ein Beförderungsunternehmen ‐ Im Bestimmungsmitgliedstaat geltende Regelung“
In der Rechtssache C-5/05
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 7 Januar 2005, beim Gerichtshof eingegangen am selben Tag, in dem Verfahren
Staatssecretaris van Financiën
gegen
B. F. Joustra
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Borg Barthet und A. Ó Caoimh (Berichterstatter),
Generalanwalt: F. G. Jacobs,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen:
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster als Bevollmächtigte,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Albenzio, avvocato dello Stato,
‐ der polnischen Regierung, vertreten durch T. Nowakowski als Bevollmächtigten,
‐ der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und Â. Seiça Neves als Bevollmächtigte,
‐ der schwedischen Regierung, vertreten durch K. Wistrand als Bevollmächtigte,
‐ der Regierung des Vereinigtes Königreichs, vertreten durch M. Bethell als Bevollmächtigten im Beistand von S. Moore, Barrister,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. van Nuffel und K. Gross als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Dezember 2005
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 7 bis 9 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. L 76, S. 1) in der durch die Richtlinie 92/108/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 (ABl. L 390, S. 124) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtstreits zwischen dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen) und B. F. Joustra über die Erhebung von Verbrauchsteuer auf Wein in den Niederlanden, den der Betroffene in Frankreich für seinen eigenen Bedarf sowie für den Bedarf anderer Privatpersonen erworben und für seine Rechnung in die Niederlande durch ein in diesem Mitgliedstaat niedergelassenes Beförderungsunternehmen hat verbringen lassen.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
In der fünften bis achten Begründungserwägung der Richtlinie heißt es:
„Jede Warenlieferung, jeder Besitz von zur Lieferung bestimmten Waren oder jede Bereitstellung von Waren für den Bedarf eines Wirtschaftsbeteiligten, der eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, oder einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung innerhalb eines anderen Mitgliedstaats als dem, in dem die Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, lässt den Verbrauchsteueranspruch in diesem anderen Mitgliedstaat entstehen.
Bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren, die Privatpersonen für ihren Eigenbedarf erwerben und die sie selbst befördern, sind die Steuern im Mitgliedstaat des Erwerbs zu erheben.
Die Mitgliedstaate...