Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Gewinnschätzung bei der Verwertung von Altmaterial durch einen gemeinnützigen Verein
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein gemeinnütziger Verein übt mit der geschäftsmäßigen Sammlung und Weiterveräußerung von Altkleidern eine Tätigkeit im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs und keinen Zweckbetrieb aus, wenn er durch die Tätigkeit Einnahmen und andere wirtschaftliche Vorteile erzielt, die über den Rahmen der Vermögensverwaltung hinausgehen und in den Wettbewerb eingreifen können.
2. Die Regelung des § 64 Abs. 5 AO ist eng auszulegen, so dass eine Gewinnschätzung nicht in Betracht kommt, wenn Altmaterial unter einzelhandelsähnlichen Bedingungen auf Flohmärkten oder Basaren verkauft wird, da sich sonst eine Konkurrenz zum gewerblichen Einzel- und Gebrauchtwarenhandel ergäbe.
Normenkette
AO § 64 Abs. 5, 3, 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 14; KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der klagende Verein Altmaterial im Sinne des § 64 Abs. 5 der Abgabenordnung – AO – verwertet und die dafür vorgesehene, vereinfachte Gewinnschätzung in Anspruch nehmen kann.
Der Kläger ist ein im Vereinsregister des Registergerichts M eingetragener Verein, der nach Art. 2 der Satzung vom 6. Mai 1987 u.a. der Förderung der Völkerverständigung dient. Die Mitglieder des Vereins sollen nach deren Art. 3 Frauen sein, die an den Zielen des Vereins interessiert und gewillt sind, aktive ehrenamtliche Mitarbeit zu leisten. Der Verein veranstaltet regelmäßig einen Pfennigbasar und einen Nikolausball. Für den Pfennigbasar sammelt er durch seine ehrenamtlich tätigen Vereinsmitglieder gebrauchte Gegenstände aller Art, z. B. Kleidung, Bücher, Haushaltsgeräte und vieles mehr, die er auf einem Basar unter flohmarktähnlichen Bedingungen verkauft. Der Verein wird durch eine Vielzahl von Helferinnen unterstützt. Die Gewinne aus dem Pfennigbasar werden für wohltätige Zwecke gespendet. Der Pfennigbasar findet in der Bevölkerung großen Zuspruch und hat eine lange Tradition.
Im Streitjahr 2002 erzielte der Verein aus der Veranstaltung des Pfennigbasars Erlöse in Höhe von Brutto 42.579 Euro und erwirtschaftete nach Abzug der Ausgaben einen zwischen den Beteiligten unstreitigen Überschuss in Höhe von 30.008 Euro. In der Steuererklärung 2002 beantragte der Verein, den Überschuss nach § 64 Abs. 5 AO in Höhe des branchenüblichen Reingewinns zu schätzen, da er Altmaterial außer Altpapier im Sinne des § 64 Abs. 5 AO verwerte. Gemäß Tz. 27 des AEAO zu § 64 AO betrage der branchenübliche Reingewinn 20 % der Nettoeinnahmen. Somit seien lediglich 7.341 Euro der Körperschaftsteuer zu unterwerfen.
Das beklagte Finanzamt wandte die vereinfachte Gewinnermittlung nach dem branchenüblichen Reingewinn nicht an, weil nach seiner Auffassung die Voraussetzungen des § 64 Abs. 5 AO nicht erfüllt seien. Gegen die daraufhin am 27. August und 2. September 2003 ergangenen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für 2002 legte der Verein form- und fristgerecht Einsprüche ein.
Zur Begründung trägt er im erfolglos gebliebenen Einspruchsverfahren und dem anhängigen Klageverfahren vor, im Rahmen des Pfennigbasars werde unentgeltlich erworbenes Altmaterial verwertet. Damit seien die Voraussetzungen des § 64 Abs. 5 AO erfüllt. Mehr verlange der Wortlaut der Vorschrift nicht. Die von der Finanzverwaltung vorgenommene Ausgrenzung von Basaren sei nicht gerechtfertigt. Schon der Sinn und Zweck der Norm gebiete die Einbeziehung von Basaren in die Vorschrift des § 64 Abs. 5 AO. Zwar habe im Gesetzgebungsverfahren der Finanzausschuss, abweichend von dem Vorschlag des Bundesrates, die Regelung auf Altmaterialsammlungen begrenzt. Einzige Begründung für den Ausschluss von Basaren sei jedoch der Umstand gewesen, dass anderenfalls schwierige Abgrenzungsprobleme entstünden. Dies sei nach Auffassung des Ausschusses dann der Fall, wenn bei Basaren sowohl gekaufte als auch unentgeltlich erworbene Sachen verkauft würden, was häufig der Fall sei. Mischfälle seien z.B. der Verkauf gespendeter Lebensmittel, wie Kuchen oder Glühwein, zusammen mit dem Verkauf von gekauften Sachen, wie z. B. Würsten oder selbst gebastelten Sachen, wenn der Verein das Herstellungsmaterial zur Verfügung stelle. Diese vom Finanzausschuss berücksichtigten Problemfälle seien jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Pfennigbasar stelle keine der angeführten Mischformen dar. Es erfolge lediglich eine umfangreiche, auf eine kurze Zeitspanne begrenzte Sammlung nicht neuwertiger Sachen im Vorfeld, die auf dem Basar verkauft würden. Ein Verkauf von selbst gebastelten Sachen oder Speisen und Getränken jeglicher Provenienz finde nicht statt. Es handele sich nicht um einen typischen Basar in einer der genannten Mischformen. Die alleinigen Argumente des Ausschusses lägen nach der Gesetzesbegründung im S...