Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung der Spekulationsfrist für Grundstücke
Leitsatz (redaktionell)
Die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist für private Grundstücksveräußerungen auf zehn Jahre ist jedenfalls in solchen Fällen nicht verfassungswidrig, in denen die zuvor gültige zweijährige Spekulationsfrist am 24.3.1999 -dem Zeitpunkt, in dem das StEntlG 1999/2000/2002 beschlossen wurde- noch nicht abgelaufen war.
Normenkette
EStG 1997 § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EStG § 22 Nr. 3; StEntlG 1999/2000/2002; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 100 Abs. 1; EStG 1997 § 23 Abs. 3
Tatbestand
Streitig ist die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der einkommensteuerlichen Erfassung eines Gewinns aus der Veräußerung einer Eigentumswohnung.
Die Kläger (Kl), Eheleute, erklärten für das Streitjahr 1999 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte aus einer Leibrente. Abweichend von der Einkommensteuer (ESt)-Erklärung erfasste der Beklagte auf Grundlage einer Veräußerungsmitteilung im ESt-Bescheid vom 21.07.2000 Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von … DM. Grundlage hierfür war die Veräußerung einer Eigentumswohnung durch den Kl mit Kaufvertrag vom 21.04.1999 zum Preis von … DM. Der Kl hatte die Wohnung mit Kaufvertrag vom 26.03.1997 für … DM zuzüglich … DM Notarkosten erworben.
Die Kl wandten sich gegen den ESt-Bescheid vom 21.07.2000 mit beim Beklagten am 10.08.2000 eingegangenem Einspruchsschreiben mit der Begründung, dass das Gesetz erst nach dem Wohnungsverkauf verabschiedet worden sei, die gesetzliche Änderung rückwirkend zum 01.01.1999, der Verkauf jedoch erst im April 1999 erfolgt sei, zu einem Zeitpunkt, zu dem das Gesetz noch nicht bekannt gewesen sei.
Mit Einspruchsentscheidung vom 11.10.2000 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Nach § 22 Nr. 3, 23 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 unterlägen der ESt auch die Gewinne aus der Veräußerung privater Grundstücke, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre betrage. Gemäß 52 Abs. 39 EStG sei diese Neuregelung auf alle Veräußerungsgeschäfte anzuwenden, bei denen die Veräußerungen auf einem nach dem 31.12.1998 rechtwirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag beruhe. Die Besteuerung entfalle nicht deshalb, weil die Verlängerung der sogenannten Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre rückwirkend eingeführt worden sei. Denn im Streitfall liege eine unzulässige Rückwirkung nicht vor, weil das Steueränderungsgesetz bereits am 24.03.1999 verabschiedet und noch Ende März 1999. also vor dem Verkauf der Eigentumswohnung durch den Kl, veröffentlicht worden sei. Unerheblich sei, ob dem Kl die gesetzliche Neuregelung, über die in den Medien immer wieder berichtet worden sei, im Notartermin am 21.04.1999 bekannt gewesen sei. Im Übrigen liege auch keine unzulässige Rückwirkung vor, weil im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung die bis dahin geltende Spekulationsfrist von zwei Jahren im Falle der Eigentumswohnung des Kl noch nicht abgelaufen und eine Steuerentstrickung daher noch nicht eingetreten sei (Hinweis auf Birk/Kulosa, Finanzrundschau – FR – 1999, 433). Das Steueränderungsgesetz vom 24.03.1999 beinhalte lediglich eine verfassungsrechtlich zulässige „unechte” Rückwirkung, da das Gesetz nur auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirke, weil Gegenstand der Besteuerung nicht der unter Umständen längere Zeit zurückliegende Erwerb, sondern die nach Inkrafttreten des Gesetzes erfolgte Veräußerung sei (Hinweis auf Herrmann-Heuer-Raupach, Steuerreform 1999/2000/2002, § 23 EStG, Anmerkung R 2; Wendt, FR 1999, 353).
Mit beim FG am 14.11.2000 erhobener Klage wenden sich die Kl gegen die Besteuerung des Veräußerungsgewinns, weil darin eine unzulässige Rückwirkung liege. Da die Spekulationsfrist weder bis zum Beschluss des Bundestages vom 04.03.1999 noch bis zum Tag der Verkündung am 24.03.1999 vollständig abgelaufen gewesen sei, liege eine echte Rückwirkung nicht vor. Es liege jedoch eine unechte und im Streitfall unzulässige Rückwirkung vor. Die Kl hätten im Vertrauen auf die Gesetzeslage gekauft und ihren Finanzierungsplan darauf eingerichtet. Die Verlängerung der Spekulationsfrist habe sie in ihrem Vertrauen, die Wohnung nach einen Zeitraum von zwei Jahren wieder ohne ESt-Belastung veräußern zu können, verletzt. Im Übrigen sei den Kl Mitte März 1999 von einer Mitarbeiterin des Beklagten auf die Frage, ob eine Veräußerung nach dem 26.03.1999 zu einer Besteuerung des Verkaufserlöses führe, geantwortet worden, dass bislang nichts bekannt sei und nach Ablauf der Zweijahresfrist nicht besteuert werde. Ergänzend verweisen die Kl auf den Beschluss des BFH vom 05.03.2001 (IX B 90/00). Es fehle an einer abfedernden Übergangsregelung; die „abrupte Kursänderung” des G esetzgebers sei verfassun...