Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Geschäftsführers für Lohnsteuer bei Insolvenzanfechtung
Leitsatz (redaktionell)
Wird aufgrund einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung bereits abgeführte Lohnsteuer rückwirkend wieder begründet, besteht kein adäquater Kausalzusammenhang zwischen der Nichtzahlung der abzuführenden Lohnsteuer und dem eingetretenen Schaden des Finanzamts, so dass eine Haftung des Geschäftsführers für die rückständige Lohnsteuer der Gesellschaft ausscheidet.
Normenkette
AO §§ 34, 69, 191, 47, 224; InsO § 131 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Haftungsbescheid vom 7. April 2004 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 16.06.2005 werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids für Lohn-, Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschlag der Firma A GmbH.
Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer der A GmbH. Er reichte die Lohnsteueranmeldungen für die GmbH für den Zeitraum April bis Juni 2003 fristgerecht beim Beklagten ein, zahlte jedoch die angemeldete Steuerschuld nicht sofort. Die Steuerschulden wurden durch Zahlung an den Vollziehungsbeamten des Beklagten am 19.09.2003 beglichen. Weitere Verbindlichkeiten aus Lohnsteuern und Nebenabgaben bestanden danach nicht mehr.
Wegen anderweitiger Steuerschulden beantragte der Beklagte am 22.10.2003 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma A GmbH (Vollstreckungsakte BD. III, 1). Das Amtsgericht X ordnete daher am 21.11.2003 an, dass zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse und zur Aufklärung des Sachverhalts Rechtsanwältin C zur vorläufigen Insolvenzverwalterin bestellt werde (Allgemeine Akte (AA), 1). Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss vom 16.01.2004 eröffnet (AA, 18).
Mit Schreiben vom 3. Februar 2004 hat die Insolvenzverwalterin die oben genannten Zahlungen nach § 131 Abs. 1 InsO angefochten (AA, 37). Der Beklagte erkannte die Insolvenzanfechtung an (AA, 43,49) und erstattete die Zahlungen an die Insolvenzmasse. Buchungstechnisch entstanden dadurch wiederum offene Steuerschulden aus den Lohnsteueranmeldungen April bis Juni 2003 sowie Säumniszuschläge hierzu. Auch die Säumniszuschläge zum Solidaritätszuschlag aus den Lohnsteueranmeldungen Januar und Februar 2003 wurden wieder fällig. Für diese wieder begründeten Forderungen nahm der Beklagte den Kläger mit Haftungsbescheid vom 7.04 2005 in Haftung.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die vorliegende Klage.
Der Kläger trägt vor, dass er mit der Zahlung alles Erforderliche getan habe, um die Steuerschuld zum Erlöschen zu bringen. Nach Zahlung der Verbindlichkeiten habe er keinen Einfluss mehr darauf, ob der Beklagte wegen anderen offenen Steuerschulden einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt und ob im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter Zahlungen wegen Gläubigerbenachteiligung anficht. Auch könne er nicht beeinflussen, ob der Beklagte die Insolvenzanfechtung anerkennt. Erkenne der Beklagte, wie im vorliegenden Fall, die Insolvenzanfechtung an, begründe dies nicht nachträglich das Wiederaufleben der Haftung des Geschäftsführers.
Der Kläger beantragt,
die Einspruchsentscheidung vom 16.06.2005 und den Haftungsbescheid vom 7.04.2005 aufzuheben
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Hinweis auf seine Einspruchsentscheidung trägt er vor, dass die haftungsbegründende Kausalität darin liege, dass bei rechtzeitiger Zahlung durch den Kläger die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung nicht vorgelegen hätten.
Die Firma ASG sei seit Jahren Vollstreckungsschuldner gewesen. Der Insolvenzantrag sei vom Beklagten gestellt worden, nachdem weitere Vollstreckungsvereinbarungen nicht sachdienlich gewesen seien.
Im Klageverfahren fand bereits ein Erörterungstermin statt. Auf die Niederschrift vom 13.12.2007 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Haftungsbescheid vom 7.04.2005 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung verletzen den Kläger in seinen Rechten.
Gemäß §§ 69, 34 AO kann das Finanzamt den Geschäftsführer einer Gesellschaft wegen rückständiger Lohnsteuer und Säumniszuschläge durch Haftungsbescheid nach § 191 AO in Haftung nehmen, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm auferlegten steuerlichen Verpflichtungen nicht erfüllt. Die Haftungsvoraussetzungen sind insbesondere dann...