Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Lohnrückzahlung bei Kündigung von Direktversicherungen durch den Insolvenzverwalter und Unverfallbarkeit der Ansprüche der Arbeitnehmer. Austausch der Anspruchsgrundlage
Leitsatz (redaktionell)
Eine Rückzahlung von Arbeitslohn ist nicht gegeben, wenn im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eine Direktversicherung mit widerruflichem Bezugsrecht des Arbeitnehmers bei Unverfallbarkeit der Ansprüche gekündigt und die Rückkaufswerte der Insolvenzmasse zugeführt werden. Durch die Kündigung verletzt der Insolvenzverwalter die arbeitsvertragliche Verpflichtung, die zugesagte Altersversorgung zu sichern, was einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers zur Folge hat. Dieser tritt an die Stelle der ursprünglichen Anspruchsgrundlage, so dass sich beim Arbeitnehmer lediglich die Anspruchsgrundlage ändert und diesem sein bisheriger Anspruch in verändertem Rechtskleid weiter zusteht. Ob dieser Schadensersatzanspruch werthaltig ist oder nicht, ist nicht entscheidend.
Normenkette
EStG 2002 §§ 40b, 19 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger (Kl) ist bestellter Insolvenzverwalter der Firma … (im Folgenden: Firma X.). Auf einen entsprechenden Antrag vom 28. August 2001 hin hatte das Amtsgericht … mit Beschluss vom 1. November 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet, welches bis heute andauert.
Die Firma X. hatte zugunsten ihrer Mitarbeiter über einen am 5. Januar 1977 abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrag Direktversicherungen bei der … (im Folgenden: Firma Y.) abgeschlossen. Nach den Versicherungsvertragsbedingungen stand den begünstigten Arbeitnehmern versicherungsrechtlich lediglich ein widerrufliches Bezugsrecht zu. Im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens hatten sämtliche Mitarbeiter bis auf neun bereits einen unverfallbaren Anspruch auf die jeweils arbeitsvertraglich vereinbarte Altersversorgung erworben.
Die Lebensversicherungsbeiträge waren bei den einzelnen Arbeitnehmern als Arbeitslohn behandelt und nach § 40 b Einkommensteuergesetz (EStG) pauschal besteuert worden.
Der Kl kündigte im Hinblick auf das widerrufliche Bezugsrecht der Versicherten im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 9. November 2001 die Versicherungsverträge und erhielt insgesamt 776.778,92 EUR ausgezahlt, wovon 30.420,80 EUR auf die verfallbaren Ansprüche entfielen.
Der Kl gab am 8. April 2002 in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter beim Beklagten (Bekl) eine Lohnsteueranmeldung für den Monat März 2002 ab, in welcher er einen Lohnsteuererstattungsbetrag von insgesamt 145.137,64 EUR anmeldete. Neben der Lohnsteuer für die laufenden Löhne und Gehälter machte er einen Erstattungsanspruch für die von der Firma Y. erstatteten Beträge von insgesamt 155.355, 78 EUR geltend.
Mit Bescheid vom 29. Juli 2002 setzte der Bekl die Lohnsteuer mit 10.218,14 EUR fest. Im Verlauf des sich daran anschließenden Einspruchsverfahrens minderte der Bekl diesen Betrag auf 4.133,98 EUR, da er die anteilig entfallende pauschale Lohnsteuer in den Fällen erstattete, in denen die Arbeitnehmer noch keinen unverfallbaren Anspruch auf die zugesagte Altersversorgung hatten. Im Übrigen wies er den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 2003 als unbegründet zurück.
Mit seiner hiergegen erhobenen Klage begehrt der Kl die Erstattung der entrichteten pauschalen Lohnsteuer auf die Auszahlung des Rückkaufswerts durch die Firma Y.. Er trägt zur Begründung vor, der Direktversicherungsvertrag zwischen der Firma X. und der Firma Y. sei ein Vertrag zugunsten Dritter gewesen. Da im Zeitpunkt der Insolvenzeröffung das Bezugsrecht der Arbeitnehmer der Firma X. noch nicht unwiderruflich gewesen sei, sei er in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter verpflichtet gewesen, das Bezugsrecht zu widerrufen und den Rückkaufswert der Masse zuzuführen. Dies führe zu einem Ersatzanspruch der Arbeitnehmer, der als einfache Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden, sei. In Fällen eines unverfallbaren Anspruchs im Sinne von § 1 b Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) erfolge aber eine Insolvenzsicherung über den Pensionssicherungsverein (PSV). Dies steile aber keinen Ersatz für den Wegfall des Bezugsrechts dar. Die Insolvenzsicherung decke nur den arbeitsrechtlichen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers ab, der von den Ansprüchen aus dem Versicherungsvertragsverhältnis losgelöst zu betrachten sei. Er entstehe als rein gesetzlicher Anspruch im Übrigen unabhängig davon, ob der Arbeitgeber Beiträge an den PSV abgeführt habe oder nicht.
Die Kündigung und die Auszahlung der Rückkaufswerte sei eine Lohnrückzahlung. Dies führe zu einem Anspruch auf Erstattung der pauschalen Lohnsteuer beim Arbeitgeber. Die Beitragsleistung für eine Direktversicherung sei steuerlich so zu behandeln, als ob sie der Arbeitnehmer geleistet und der Arbeitgeber ein...