Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Steuerfreiheit für gewerbliche Einkünfte eines Betreuers aus Aufwandsentschädigungen. Verwertungsverbot
Leitsatz (redaktionell)
1. Aufwandsentschädigungen für die Tätigkeit eines Betreuers, der mehr als 10 Betreuungen führt, sind als gewerbliche Einkünfte einkommensteuerpflichtig.
2. Die gewerblichen Einkünfte eines Betreuers aus Aufwandsentschädigungen sind weder nach § 3 Nr. 12 S. 1 EStG noch nach § 3 Nr. 12 S. 2 EStG noch nach § 3 Nr. 26 EStG steuerfrei.
3. Im Besteuerungsverfahren besteht kein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt worden sind.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2 S. 1, § 3 Nr. 12 Sätze 1-2, Nr. 26; AO § 173 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 1896, 1835a, 1908i
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Aufwandsentschädigungen für bis zu 42 gleichzeitige ehrenamtliche Betreuungen, die der Kläger in den Streitjahren übernommen hatte, einkommensteuerbar und -steuerpflichtig sind.
Der Kläger erzielte in den Streitjahren (2001 bis 2004) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Leiter der Finanzabteilung und der Verwaltung bei einem Verband, aus einer hiervon unabhängigen selbständigen Tätigkeit als Aufsichtsrat einer Wohnungsbaugesellschaft sowie aus Kapitalvermögen. Daneben war er zeitweise gleichzeitig in bis zu 42 Fällen als Betreuer i.S. des § 1896 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bestellt. Er erhielt in einigen (und zwar 2001: 5; 2002: 3; 2003: 7 und 2004: 5) Fällen unmittelbar vom Betreuten, aber in der verbleibenden Zahl der Fälle vom zuständigen Amtsgericht (AG) für jede betreute Person eine Aufwandsentschädigung i.S. des § 1835a, § 1908i BGB. Diese betrug für das Jahr 2001 600 DM, von Januar 2002 bis Juni 2004 312 EUR und ab 1. Juli 2004 323 EUR pro Betreutem und Jahr. In Einzelfällen erfolgte die Zahlung anteilig. Zu den Einzelheiten der Zahlungen wird auf Anlagen 1 bis 4 des Berichts über die Prüfung beim Kläger (weißer Hefter) verwiesen.
Die an den Kläger gezahlten Aufwandsentschädigungen verbuchte das zuständige AG unter dem Haushaltstitel Nr. 0503.53601.0007 (in 2001 und 2002: Kapitel 0503 Titel 53601 Unterteil 0007) des Einzelplans 05 des Staatshaushaltsplans des Landes Baden-Württemberg (vgl. Bescheinigung, Bl. 40 Gerichtsakte – GA –). Der zum Kapitel 0503 (Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaften) gehörende Haushaltstitel 53601 trug in allen Streitjahren die Bezeichnung „Auslagen in Rechtssachen (einschließlich Reisekosten)”. Als Erläuterung zu diesem Haushaltstitel hieß es in den Jahren 2002 bis 2004: „… Veranschlagt sind … 7. Aufwand für ehrenamtliche Vormünder, Pfleger und Betreuer …” (gefolgt von dem jeweiligen Betrag). Im Jahr 2001 trug die soeben zitierte Nr. 7 noch die Nr. 6 und enthielt noch nicht die Bezeichnung „ehrenamtlich”. Diesbezüglich wird auf den Inhalt von Bl. 43 f., 47 GA verwiesen.
Die in den Streitjahren vereinnahmten Beträge (xx.xxx EUR – xx.xxx DM – im Jahr 2001, xx.xxx EUR in 2002, xx.xxx EUR in 2003 und xx.xxx EUR in 2004; vgl. Prüfungsbericht, weißer Hefter) erklärte der Kläger in seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre nicht. Nach einer Anzeige und einer vom Finanzamt (FA) u.a. beim Kläger durchgeführten Steuerfahndungsprüfung erhielt der Beklagte (das Finanzamt – FA –) Kenntnis von den vereinnahmten Beträgen und sah den (sich nach einem pauschalen Abzug von 25 % der Einnahmen als Werbungskosten) ergebenden Überschuss in den auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützten Einkommensteueränderungsbescheiden für die Streitjahre vom 4. September 2007 als nach § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtig an.
Die Einsprüche des Klägers, mit denen er geltend machte, die Voraussetzungen des § 173 AO Abs. 1 Nr. 1 AO lägen nicht vor und die Einnahmen seien als pauschaler, nicht steuerbarer Auslagenersatz keiner der sieben Einkunftsarten zuzuordnen, hilfsweise nach § 3 Nr. 12 Satz 1 oder 2 EStG oder § 3 Nr. 26 EStG steuerfrei, hatten keinen Erfolg (siehe Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2008).
Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er hat zunächst sein bisheriges Vorbringen zur Steuerbarkeit und -freiheit vertieft sowie geltend gemacht, in anderen Bundesländern werde die Aufwandsentschädigung steuerfrei belassen.
Der Kläger beantragt, die Einkommensteueränderungsbescheide für die Jahre 2001 bis 2004 vom 4. September 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2008 aufzuheben; hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
Es tritt der Klage unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung entgegen.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 15. Juli 2009 den Sach- und Streitstand erörtert; auf die Niederschrift wird Bezug genommen. Im Rahmen des Erörterungst...