Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1991
Nachgehend
Tenor
1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 1994 wird der Einkommensteuer-Bescheid 1991 vom 29. November 1993 dahingehend geändert, daß die Einkommensteuer auf … DM herabgesetzt wird.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluß errechneten Betrags Sicherheit leisten.
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5. Die Revision wird zugelassen.
6. Der Streitwert wird auf … DM festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen der Kläger (Kl) für den Einbau eines Aufzugschachts mit einer Aufzugsanlage in ihr selbstgenutztes Einfamilienhaus als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig sind.
Die Klägerin (Klin) Ziff. 2 ist durch einen Unfall seit … querschnittsgelähmt und kann sich nur noch im Rollstuhl fortbewegen. In ihr im Oktober 1991 bezugsfertiges Einfamilienhaus (Antrag auf Baugenehmigung: …) ließen die Kl wegen der Behinderung der Klin Ziff. 2 einen Fahrstuhlschacht mit einem Personenaufzug einbauen.
In ihrer gemeinsamen Einkommensteuer (ESt)-Erklärung für das Streitjahr beantragten die Kl, die ihnen hierfür entstandenen Aufwendungen in Höhe von … DM (Aufzugsanlage) sowie … DM (Rohbau/Aufzugsschacht) als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
Im nach § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) teilweise vorläufigen Bescheid für 1991 über ESt, Kirchensteuer (KiSt) und Solidaritätszuschlag vom 29. November 1993 ließ der Beklagte (Bekl) die so geltend gemachten Aufwendungen steuerlich unberücksichtigt, da ihnen ein Gegenwert gegenüberstehen würde und außerdem eine private Mitbenutzung nicht ausgeschlossen werden könne.
Hiergegen richtete sich der Einspruch der Kl vom 30. November 1993, der mit Einspruchsentscheidung des Bekl vom 18. Februar 1994 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage vom 10. März 1994 wird von den Kl im wesentlichen vorgetragen, daß nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dann keine belastenden Aufwendungen im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) vorlägen, wenn ein Steuerpflichtiger für seine Aufwendungen einen wirtschaftlich erfaßbaren Gegenwert erlangt habe. Denn von einer Belastung im Sinne des § 33 EStG könne dann nicht gesprochen werden, wenn Teile des Einkommens für die Anschaffung solcher Gegenstände verwendet würden, die von bleibendem oder zumindest länger andauerndem Wert und Nutzen seien und demnach einen in einer gewissen Marktfähigkeit zum Ausdruck kommenden Verkehrswert besäßen. Der Begriff der Marktfähigkeit stelle eine Konkretisierung der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) getroffenen Aussage dar, wonach § 33 EStG nur bei gewissermaßen verlorenem Aufwand in Betracht kommen solle. Der Beklagte (Bekl) bejahe hier die Marktfähigkeit aus zwei
Gründen:
Zum einen könne der Aufzug auch von Fremden mitbenutzt werden und zum zweiten sei das Vorhandensein einer derartigen Anlage insbesondere bei betagten und gebrechlichen Personen von besonderem Vorteil.
Was das erste Argument betreffe, so werde in der Regel der Schlafzimmer- und Badezimmerbereich in einer Wohnung von Fremden nicht benutzt, von daher werde auch kein Fahrstuhl benötigt. Für alte und gebrechliche Personen sei ein Fahrstuhl sicherlich oftmals eine Erleichterung und deshalb wünschenswert; in einer in sich abgeschlossenen Wohnung sei er jedoch aus Sicherheitsgründen nur benutzbar, wenn sich eine zweite Person innerhalb dieser Wohnung aufhalte, es sei denn, man würde zusätzlich eine gesonderte Notrufleitung installieren, was die Einsatzmöglichkeit und damit auch den Wert eines solchen Fahrstuhls jedoch ganz erheblich reduziere. Es möge zwar bequem sein, in einem „normalen” Einfamilienhaus einen Fahrstuhl zu benutzen, angesichts des hohen Einbauaufwands, des Sicherheitsrisikos sowie der beträchtlichen Folgekosten (TÜV-Prüfung, Reparaturen) werde der durchschnittliche Einfamilienhausbewohner jedoch auf diesen „Komfort” verzichten, auch wenn er bereits alt und gebrechlich sein sollte. Von daher seien ernsthafte Zweifel an der behaupteten „gewissen Marktgängigkeit” angebracht. Könne jedoch der Aufwand nicht durch einen auf dem Markt erzielbaren Gegenwert abgedeckt werden, handele es sich um verlorenen Aufwand, der im Rahmen des § 33 EStG berücksichtigt werden müsse.
Zwar bestimme § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG, daß Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, für eine Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen außer Betracht zu bleiben haben. Entscheidend für den Ausschluß solle dabei aber der objektive Charakter der Aufwendungen sein. Weiter sei es richtig, daß nach herrschender Meinung Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung auch dann unberücksic...