Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung
Leitsatz (redaktionell)
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b Abs. 2 EStG muß unterbleiben, wenn dies die Vorwegnahme der Hauptsache darstellt.
Normenkette
EStG §§ 48, 48a, 48b, 48c; FGO § 114 Abs. 1 S. 2; InsO §§ 81, 91, 129
Nachgehend
Tatbestand
Über das Vermögen der R-GmbH wurde am 1. Januar 2002 wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet. Den Antrag des Insolvenzverwalters und Antragstellers auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung gem. § 48b Einkommensteuergesetz - EStG - lehnte der Antragsgegner durch Bescheid vom 22. Mai 2002 ab, weil sich die R-GmbH im Insolvenzverfahren befinde und ihr Geschäftsbetrieb nicht fortgeführt werde. Den hiergegen eingelegten Einspruch begründete der Antragsteller damit, dass er weitere Zahlungen bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens erwarte und für diese die Freistellungsbescheinigung benötige. Er habe als Abwickler der ehemaligen unternehmerischen Aktivitäten der R-GmbH keinen Einfluss auf illegale Beschäftigungen im Baugewerbe und unterliege bei der Abwicklung des Insolvenzverfahrens gesetzlichen Verpflichtungen sowie persönlicher Haftung, weshalb ein etwaiger zu sichernder Steueranspruch nicht gefährdet sei. Es gäbe aber auch keine zu sichernden Steuern im Sinne des § 48c EStG, weil keine Arbeitnehmer mehr beschäftigt würden und wegen vorhandener Verlustvorträge keine Körperschaftsteuer entstehen werde.
Der Antrag auf Erteilung der Freistellungsbescheinigung gem. § 48b EStG im Wege der einstweiligen Anordnung wird damit begründet, dass eine Kürzung der noch zu erwartenden Zahlungen um den 15%igen Steuerabzug die verfügbare Masse verkürze und das Insolvenzverfahren gefährde. Dies stehe im Widerspruch zur Insolvenzordnung - InsO -. Schuldner der R-GmbH sähen in der Nichterteilung der Freistellungsbescheinigung einen willkommenen Grund, Zahlungen hinauszuschieben. Eine Versagung der Freistellungsbescheinigung wegen der aufgelaufenen Steuerschulden der R-GmbH sei unverhältnismäßig.
Der Antragsgegner ist dagegen der Ansicht, dass eine Existenzgefährdung der R-GmbH nicht gegeben sei, weil diese ihren Geschäftsbetrieb am 1. September 2001 eingestellt habe. Über den endgültigen Verbleib der Bauabzugssteuer werde aber erst im Rahmen der Anrechnung nach § 48c EStG entschieden. Auch sei die Durchführung des Insolvenzverfahrens nicht gefährdet. Nach dem Gutachten der Rechtsanwälte SR vom 1. Januar 2002 ergebe sich ein rechnerischer Überschuss der freien Aktiva über die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten von 265.750,54 Euro. Die Forderungen, die frei von Rechten Dritter seien, und die Forderungen aus Sicherheitseinbehalten beliefen sich nur auf 112.000 Euro. Zudem bestünden gefährdete Steuerrückstände in Höhe von 654.616 Euro. Die R-GmbH sei auch mit Lohnsteuer in Höhe von 612.846 Euro rückständig.
Entscheidungsgründe
Der auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 114 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO - gerichtete Antrag ist unbegründet. Er scheitert bereits daran, dass die Erteilung der Freistellungsbescheinigung die Vorwegnahme in der Hauptsache darstellt. Insofern macht sich der Senat die Ausführungen des Bundesfinanzhofes - BFH - in seinem Beschluss vom 27. Juli 1994 I B 246/93 (Bundessteuerblatt - BStBl - II 1994, 899) unter II.2. zu Eigen. Hinzu tritt im vorliegenden Fall der Umstand, dass bei Erteilung der Freistellungsbescheinigung die noch eingehenden Forderungsbeträge - nunmehr vollständig - zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens, der sonstigen Masseverbindlichkeiten und - in einem wahrscheinlich geringen Umfange - zur quotalen Befriedigung der Gläubiger verwandt werden und damit dem Antragsgegner endgültig verloren gehen können, mithin irreparable Folgen zu Lasten des Antragsgegners eintreten würden.
Abgesehen davon kommt der Senat nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung zu dem Ergebnis, dass das Bestehen zu sichernder Steueransprüche bzw. deren Gefährdung nicht auszuschließen ist, sowie, dass die begehrte einstweilige Anordnung nicht zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig ist.
Die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b Abs. 2 EStG kommt nicht in Betracht, weil - auch nach dem Vortrag des Antragstellers - wegen der erheblichen Steuerrückstände der R-GmbH nicht auszuschließen ist, dass zu sichernde Steuerrückstände im Sinne des § 48c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Höhe von bis zu ca. 61.000 Euro und - trotz der aufgelaufenen Verluste - zu sichernde Steuerrückstände im Sinne des § 48c Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG aus den Vorjahren, in denen die Bauleistungen erbracht worden sind, bestehen. Der Senat ist - anders als der Antragsteller - der Ansicht, dass auch die vor dem Antrag auf Erteilung einer Freistellu...