Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Aufhebung einer Entscheidung über einen Erlassantrag nur wegen Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit. keine Erlassbedürftigkeit bei Überschuldung. keine Erlasswürdigkeit bei Verletzung der Mitwirkungspflichten
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch wenn sich örtliche Finanzamts-Zuständigkeit infolge des Umzugs des Klägers ins Ausland und des damit verbundenen Wechsels von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht geändert haben sollte, kann gemäß § 127 AO die ablehnende Entscheidung des vor dem Umzug für den Kläger örtlich zuständigen FA über einen Erlassantrag des Klägers nicht allein wegen der möglichen Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit aufgehoben werden, wenn auch das örtlich zuständige FA in der Sache keine andere Entscheidung hätte treffen können.
2. Der Steuerpflichtige ist nicht erlassbedürftig, wenn er nach seinen eigenen Angaben überschuldet ist, sich die Billigkeitsmaßnahme daher auf seine wirtschaftliche Existenz nicht auswirken könnte und nicht mit einem wirtschaftlichen Vorteil für ihn verbunden wäre.
3. Der Steuerpflichtige ist nicht erlasswürdig, wenn er seine Steuerschulden über mehrere Jahre fortwährend anwachsen lassen, sich nicht ausreichend um die Abdeckung der Rückstände bemüht und zudem trotz entsprechender Aufforderung die Gewinnermittlungen für mehrere Jahre nicht eingereicht hat.
Normenkette
AO §§ 5, 19 Abs. 1 S. 1, §§ 26, 127, 227; FGO § 102 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Erlass rückständiger Steuern und Säumniszuschläge hat.
Der Kläger ist Rechtsanwalt und erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Ausweislich einer Forderungsaufstellung des Beklagten vom 28.6.2006 schuldete er dem Beklagten Lohnsteuern, Solidaritätszuschläge zur Lohnsteuer, Einkommensteuern, Zinsen zur Einkommensteuer, Gewerbesteuern zuzüglich Zinsen, Umsatzsteuern zuzüglich Zinsen und Verspätungszuschlag, Kirchensteuern in Höhe von 109.953,86 EUR sowie Säumniszuschläge in Höhe von 54.447,13 EUR.
Mit Schreiben vom 25.4.2007 beantragte der Klägern beim Beklagten, ihm die rückständigen Steuern und Säumniszuschläge insoweit zu erlassen, als sie einen Betrag von 20.000 EUR überstiegen. Zur Begründung führte er aus, dass das Amtsgericht … die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen abgelehnt habe. Er, der Kläger, sei bemüht, sich eine neue Existenz in S. (X.) aufzubauen. Derzeit sei ein Verfahren beim Bundesgerichtshof anhängig, in dem die Rechtsanwaltskammer B. den Widerruf der Zulassung als Rechtsanwalt wegen Vermögensverfalls betreibe. Er, der Kläger, habe die Möglichkeit, bei einem befreundeten Geschäftspartner ein Darlehen in Höhe von 20.000 EUR zu erhalten, wenn die Chance auf eine Rückzahlung bestehe. Weitere Verbindlichkeiten habe er nicht.
Mit Bescheid vom 27.6.2007 lehnte der Beklagte den Erlass aller Steuern und Nebenabgaben wegen fehlender sachlicher und persönlicher Billigkeit ab. Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 29.6.2007.
Im Zuge des Einspruchsverfahrens reichte der Kläger eine Darstellung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse auf den 1.8.2007 ein. Danach stehen monatlichen Einnahmen in Höhe von 1.717,55 EUR monatliche Ausgaben in Höhe von 1.634,85 EUR gegenüber. Weiter gab der Kläger an, Verbindlichkeiten gegenüber verschiedenen Banken in Höhe von 24.460.323 EUR zu haben. Seine mangelnde Leistungsfähigkeit habe er nicht selbst herbeigeführt, weil er infolge des ruinösen Wertverfalls im Wohnungsbau erhebliche Verluste habe hinnehmen müssen. Er verfüge nicht über die nötigen Mittel, um Zwangsmaßnahmen gegenüber seinem persönlichen Schuldner, Herrn F., durchzuführen. Der weiteren Aufforderung des Beklagten, Gewinnermittlungen für die Jahre 2002 bis 2005, die Umsatzsteuererklärung 2004 und eine Kopie der Steuererklärung oder des Steuerbescheides für 2006 einschließlich der Gewinnermittlung für 2006 vorzulegen, kam der Kläger nicht nach.
Mit Einspruchsentscheidung vom 31.10.2007 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Sachliche Billigkeitsgründe lägen nicht vor. Die persönlichen Verhältnisse eines Steuerschuldners könnten zum Erlass führen, wenn dieser erlassbedürftig und erlasswürdig sei. Eine hier allein in Betracht kommende persönliche Billigkeit liege vor, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Schuldners ernstlich gefährde. Lebe ein Steuerpflichtiger – wie der Kläger – in wirtschaftlichen Verhältnissen, die eine Durchsetzung aus dem Steuerverhältnis ausschlössen, könne ein Erlass hieran nichts ändern. Bei einer Überschuldung komme deshalb grundsätzlich weder eine zinslose Stundung noch ein Erlass aus Billigkeitsgründen in Betracht. Auch der Vorteil, der bei Erlass der Schuld aus deren Erlöschen folg...