Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerverstrickung von Darlehensverbindlichkeiten einer beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f S. 2 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Verzichtet die in Großbritannien ansässige Muttergesellschaft des luxemburgischen Alleingesellschafters einer luxemburgischen Kapitalgesellschaft, die im Inland über keine feste Geschäftseinrichtung verfügt, aber mit der Vermietung eines inländischen Objekts originär vermögensverwaltend tätig wird, auf eine Darlehensforderung, die nicht unmittelbar mit der Vermietungstätigkeit zusammenhängt, bewirkt das Entfallen der Darlehensverbindlichkeit keine inländischen Einkünfte.
2. Nach dem das Erfüllen der Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f S. 2 EStG 2009 unstrittig nicht zur Annahme einer Betriebsstätte i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 3 GewStG führt, ist für die steuerliche Verstrickung von Wirtschaftsgütern i. R. d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f S. 2 EStG 2009 maßgebend, durch welche Wirtschaftsgüter die jeweilige Tätigkeit als solche (Vermietung und Verpachtung bzw. Veräußerung) ausgeübt wird; Forderungen und Verbindlichkeiten sind nur insoweit zu erfassen, wie sie unmittelbar mit der jeweiligen Tätigkeit zusammenhängen.
Normenkette
EStG 2009 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f S. 2; GewStG § 2 Abs. 1 S. 3
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid über Körperschaftsteuer für 2011 vom 19. Oktober 2012 wird gemäß § 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung mit der Maßgabe geändert, dass ein Ertrag in Höhe von 50.000 EUR aus einem Forderungsverzicht der B. L.P. vom 23. Dezember 2011 nicht zu berücksichtigen ist.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Steuerverstrickung von Darlehensverbindlichkeiten der beschränkt steuerpflichtigen Klägerin.
Die Klägerin ist eine im Oktober 2006 errichtete Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Luxemburg. Alleingesellschafterin der Klägerin ist die ebenfalls in Luxemburg ansässige C. S.à r.l.. In Deutschland verfügt die Klägerin über keine feste Geschäftseinrichtung. Sie ermittelt ihr in Deutschland zu versteuerndes Einkommen seit 2009 durch Betriebsvermögensvergleich.
Im Jahr 2007 erwarb die Klägerin für einen Kaufpreis von rd. 90 Mio. EUR das vermietete Grundstück D.-straße in E.. Den Erwerb finanzierte sie zu einem geringen Anteil (rund 5,5 Mio. EUR) aus Eigenkapital und im Übrigen durch mehrere Bankdarlehen, die durch Grundpfandrechte an der erworbenen Immobilie abgesichert waren. Außerdem nahm die Klägerin mehrere Darlehen bei verbundenen Unternehmen auf, darunter am 22. Dezember 2006 ein solches der in Großbritannien ansässigen B. L.P., der Muttergesellschaft der C. S.à r.l., in Höhe von 8.412.355 EUR. Dieses Darlehen wurde der Klägerin ohne grundpfandrechtliche oder sonstige Sicherheiten gewährt; es war nach fünf Jahren – am 22. Dezember 2011 – zur Rückzahlung fällig.
Im November 2010 erwog die Klägerin, das Grundstück wieder zu veräußern. Aufgrund der Marktlage zeichnete sich allerdings ab, dass die Klägerin bei einer solchen Veräußerung einen Verlust erleiden und aus dem Erlös nicht sämtliche Verbindlichkeiten würde bedienen können. Sie stellte daher bei dem Beklagten am 26. November 2010 einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft dahingehend, dass (neben dem Grundstücksverkauf und einer anschließenden Verschmelzung der Klägerin auf ihre Muttergesellschaft) auch ein teilweiser oder vollständiger Verzicht von Gläubigern (Banken oder verbundene Unternehmen) auf wertlos gewordene Darlehensforderungen bei ihr, der Klägerin, nicht zu im Inland steuerpflichtigen Erträgen („Entstrickungsbesteuerung”) führen werde.
Am 4. Februar 2011 veräußerte die Klägerin das Grundstück für 72.008.398,21 EUR. Aus dem Erlös konnten die bestehenden Bankdarlehen nur zum Teil, das Darlehen der B. L.P. hingegen gar nicht getilgt werden. Über weiteres Sachanlagevermögen verfügte die Klägerin nicht. Die B. L.P. verzichtete daraufhin am 16. Dezember 2011 gegenüber der Klägerin auf einen Teilbetrag ihrer Darlehensforderung in Höhe von 7.036,989,38 EUR; am 23. Dezember 2011 erklärte sie den Verzicht auf einen weiteren Teilbetrag in Höhe von 50.000 EUR. In ihrer Verzichtserklärung bezog sich die Gläubigerin dabei auf die Verlustsituation bei der Klägerin, die einen Verlustvortrag von rund 38 Mio. EUR aufwies und im laufenden Geschäftsjahr einen handelsrechtlichen Verlust von mehr als 4,6 Mio. EUR erzielt hatte.
Der Beklagte vermochte sich nach Rücksprache mit dem Bundesfinanzministerium (BMF) der im Auskunftsbegehren geäußerten Rechtsauffassung der Klägerin nicht anzu...