Entscheidungsstichwort (Thema)
Sog. Unlimited TurboBull Zertifikate keine Termingeschäfte i. S. v. § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG. von einer Kapitalgesellschaft gezahlte Gebühr für eine verbindliche Auskunft als nicht abziehbare Betriebsausgabe i. S. v. § 10 Nr. 2 KStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Der gesetzlich nicht bestimmte Begriff des „Termingeschäfts” in § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG ist im Grundsatz nach den wertpapier- bzw. bankrechtlichen Maßgaben zu bestimmen, wobei allerdings aufsichtsrechtliche Gesichtspunkte außer Betracht bleiben (Anschluss an BFH, Urteil v. 21.2.2018, I R 60/16). Nach wertpapier- bzw. bankrechtlichen Maßgaben ist das Termingeschäft vom sogenannten Kassageschäft abzugrenzen, bei dem der Leistungsaustausch (Belieferung Zug um Zug gegen Bezahlung) sofort oder innerhalb der für diese Geschäfte üblichen Frist von zwei (Bankarbeits- oder Börsen-)Tagen zu vollziehen ist „sofortige Erfüllung”). Diese (Negativ-) Abgrenzung zum Termingeschäft wird auch bei der steuerrechtlichen Begriffsbestimmung herangezogen.
2. Bei auf Aktienindizes bezogenen sogenannten Unlimited TurboBull Zertifikaten als sogenannte Knock-out-Zertifikate, die unmittelbar gegen Barzahlung erworben werden, handelt es sich nicht um Termingeschäfte i. S. v. § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG. Die Vertragsgestaltung entspricht eher einem Kassageschäft, bei dem der Leistungsaustausch durch Übertragung der Schuldverschreibung mit der darin wertpapiermäßig verbrieften Forderung Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises vorgenommen wird. Durch die spätere Rückzahlung des Emittenten an den Erwerber wird dabei nicht der Vertrag über den Erwerb des Zertifikats, sondern die durch die Schuldverschreibung begründete Forderung erfüllt. Auch die Tatsache, dass als besonderer Vorteil von Turbo-Zertifikaten die Hebelwirkung aufgezeigt wird, aufgrund derer Anleger mit einem deutlich geringeren Kapitaleinsatz größere Geldsummen bewegen und damit überproportional von der Kursentwicklung des Basiswertes partizipieren können, führt nicht zu einer Qualifikation als Termingeschäft.
3. Hat eine Kapitalgesellschaft eine verbindliche Auskunft im Hinblick auf Körperschaft- und Gewerbesteuer beantragt, gehört die dafür zu zahlende Gebühr (§ 89 Abs. 3 AO) gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 7 AO zu den steuerlichen Nebenleistungen und stellt daher eine nichtabziehbare Aufwendung i.S. des § 10 Nr. 2 KStG dar.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 4 Sätze 1-3, § 4 Abs. 4, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 S. 1; KStG § 8 Abs. 1, § 10 Nr. 2; AO § 89 Abs. 1-4, § 3 Abs. 4 Nr. 7
Nachgehend
Tenor
Das Verfahren betreffend Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag2008 wird eingestellt.
Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2008 vom 25. Oktober 2016 wird dahingehend geändert, dass der zum 31. Dezember 2008 verbleibende Verlustvortrag um 115.117.226 EUR erhöht wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, soweit sie nicht in der Hauptsache erledigt ist.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Die Klägerin ist – seit ihrer formwechselnden Umwandlung durch Beschluss vom 15. Dezember 2015 – eine Vermögensverwaltungsgesellschaft mit Immobiliengeschäft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Als solche war sie auch mit Gesellschaftsvertrag vom 29. August 1997 errichtet worden. Durch Beschluss vom 24. April 2012 wurde die Gesellschaft ebenfalls formwechselnd in eine Aktiengesellschaft (AG) umgewandelt.
Im vorliegenden Verfahren hat sich die Klägerin bei Klageerhebung im Wege einer Anfechtungsklage gegen die Teileinspruchsentscheidung des Beklagten betreffend das Streitjahr 2008 gewandt. Streitbefangen sind insoweit drei Sachverhaltskomplexe gewesen, nämlich die Frage der Anwendbarkeit von § 15 Abs. 4 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) auf Verluste aus sog. Unlimited TurboBull Zertifikaten, die steuerliche Abzugsfähigkeit einer Gebühr für eine verbindliche Auskunft sowie weitere Fehler bei der Körperschaft- und Gewerbesteuerveranlagung, hinsichtlich derer der Beklagte allerdings nach Klageerhebung mit Änderungsbescheiden vom 25. Oktober 2016 dem Klagebegehren in vollem Umfang entsprochen hat. Außerdem hat die Klägerin im Wege einer Feststellungsklage die Feststellung der Reichweite des jeweiligen Tenors der beiden Teileinspruchsentscheidungen betreffend die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2007 und 2008 begehrt. Insoweit ist der Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung in der Hauptsache für erledigt erklärt worden.
Die Klägerin war in den Streitjahren...