Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1994
Nachgehend
Tenor
Die Einspruchsentscheidung vom 20. April 1998 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Der Streitwert beträgt 10 662,00 DM.
Tatbestand
Der Beklagte setzte in der zur Einkommensteuer 1994 ergangenen Einspruchsentscheidung vom 20. April 1998 nach vorherigem Hinweis die Einkommensteuer verbösernd auf 303 294,00 DM nach davor zuletzt 292 632,00 DM fest.
Hiergegen richtet sich die isolierte Anfechtungsklage, mit der die Kläger unter Hinweis auf das nach ihrem Vorbringen bereits am 17. April 1998 in den Hausbriefkasten des Beklagten eingeworfene Schreiben vom gleichen Tage, mit dem sie die Zurücknahme des Einspruchs erklärt haben, beantragen,
die Einspruchsentscheidung vom 20. April 1998 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er geht davon aus, dass das Rücknahme schreiben zurückdatiert und erst nach Kenntnisnahme vom Inhalt der Einspruchsentscheidung durch die Kläger verfasst worden sei. Für diese Annahme spreche zum einen, dass das Schreiben vom 17. April 1998 den finanzamtlichen Eingangsstempel erst vom 21. April 1998 trage, zum anderen, dass die Kläger in der Vollziehungsaussetzungssache mit Schreiben vom 22. Mai 1998 zur Begründung selbst auf die „nach” Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung erfolgte Einspruchsrücknahme hingewiesen hätten.
Entscheidungsgründe
Die auf § 362 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung –AO– gestützte Klage ist begründet. Der Einspruch kann bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über den Rechtsbehelf zurückgenommen werden. Das Gesetz stellt nicht auf Kenntnisnahme oder Zugang ab. Da die Einspruchsentscheidung nach § 122 Abs. 2 AO, einer Norm aus den „Allgemeinen Verfahrensvorschriften”, vorliegend als am 23. April 1998 bekannt gegeben gilt, das Rücknahmeschreiben spätestens aber bereits am 21. April 1998 beim Beklagten eingegangen ist, hat der Beklagte im Ergebnis über einen bei ihm nicht mehr anhängigen Einspruch entschieden. Der Fehler führt zur Kassation der Einspruchsentscheidung, wobei hier als nicht entscheidungserheblich offen bleiben kann, ob die Einspruchsentscheidung nichtig ist.
Der Beklagte hält allerdings § 122 Abs. 2 AO auf die Rücknahme von Rechtsbehelfen nicht für anwendbar. Da ein Brief im Regelfall am Tag nach der Aufgabe zur Post dem Empfänger zugehe, hätte dieser noch zwei Tage Zeit, um einen Rechtsbehelf zurückzunehmen und somit rechtsmissbräuchlich einer Verböserung zu umgehen. Dieser Gefahr wie auch der Gefahr, dass ein Steuerpflichtiger den Zugang des Verwaltungsakts wahrheitswidrig in Abrede stellt, kann der Beklagte in begründeten Verdachtsfällen aber jederzeit durch Wahl einer anderen Zustellungsart begegnen. Deshalb verbleibt der Senat bei seiner obigen Rechtsansicht.
Die weiteren Entscheidungen beruhen auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung –FGO–, §§ 13, 25 Gerichtskostengesetz –GKG –,
Fundstellen
Haufe-Index 930841 |
DStRE 2001, 164 |