Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für vollstationär in einem Heim untergebrachtes Kind. Haushaltsaufnahme; Erheblichkeit allein der höheren (Geld-)Unterhaltsrente bei Kindergeldberechtigung beider Elternteile. Kindergeld
Leitsatz (amtlich)
1. Ein (spastisch) behindertes, in einem Behindertenheim vollstationär untergebrachtes Kind ist auch dann nicht in den Haushalt der Mutter aufgenommen, wenn es dort ein Zimmer hat und polizeilich gemeldet ist, ein enger persönlicher Kontakt zur Mutter (durch regelmäßige gegenseitige Besuche) besteht und die Heimunterbringung nur deswegen erforderlich ist, weil die Mutter physisch zur Betreuung und Pflege des Kindes nicht in der Lage ist.
2. Für die Feststellung der Vorrangigkeit eines Kindergeldberechtigten (i. S. von § 64 Abs. 3 EStG) für das in einer Behinderteneinrichtung aufgenommene Kind ist allein die Höhe der von den Elternteilen gezahlten Unterhaltsrenten (Geldrente i. S.v. § 1612 BGB) maßgebend; Unterhaltszuwendungen (z. B. Fahrtkosten, Aufwendungen für Zimmer und Einrichtung usw.) sind in die Vergleichsberechnung nicht einzubeziehen.
Normenkette
EStG § 64 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2; BGB § 1612
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin oder ihr geschiedener Ehemann im Streitzeitraum (April bis Dezember 1997) vorrangig kindergeldberechtigt für ihren minderjährigen behinderten Sohn gewesen ist.
Aus der 1984 geschiedenen Ehe der Klägerin ist ein 1979 geborener Sohn hervorgegangen, der körperlich (spastisch) behindert ist und der seit 1984 in einem Behinderten-(Kinder-)heim vollstationär untergebracht ist und Leistungen nach §§ 39, 40 BSHG (Eingliederungshilfe) erhält (KGA 13).
Die Klägerin, die nach der Scheidung der Ehe das Sorgerecht für den Sohn hatte, kümmerte sich, soweit das neben ihrer Berufstätigkeit als Beamtin möglich war, um den Sohn, der auch stets mit erstem Wohnsitz in ihrer jeweiligen Wohnung gemeldet war, indem sie ihn besuchte oder ihn in ihrer Wohnung betreute. Seit Oktober 1990 hat sie eine behindertengerechte Wohnung in unmittelbarer Nähe des Heims gemietet. In dieser Wohnung hat der Sohn ein Zimmer, in dem er seine persönlichen Dinge verwahrt, soweit er sie nicht für den täglichen Bedarf in der Einrichtung benötigt (GA 22). In dem Zimmer in der Wohnung der Klägerin befinden sich auch die Musikanlage und der Computer des Sohnes. Die Klägerin besucht ihren Sohn regelmäßig. Er hält sich besonders an den Wochenenden häufig in ihrer Wohnung auf. In dem Heim verblieb der Sohn auch nach der kürzlich erfolgten Pensionierung der Klägerin insbesondere deswegen, weil die Klägerin physisch nicht in der Lage war, den inzwischen herangewachsenen behinderten Sohn ausreichend zu pflegen und zu versorgen.
Seit Eintritt der Volljährigkeit des Sohnes ist die Klägerin zu dessen Betreuerin bestellt.
Der Vater, der inzwischen wieder verheiratet ist, zahlte im Streitzeitraum für den Sohn monatlich 520 DM Unterhalt an die Klägerin.
Die Klägerin wurde vom Sozialleistungsträger zu einem Kostenbeitrag von 412 DM (KG 11, GA 53) herangezogen. Sie trug den Krankenkassenbeitrag in Höhe von monatlich 86,60 DM für den Sohn.
Der Beklagte hob – gestützt auf § 70 Abs. 3 EStG – durch Bescheid vom 12. März 1997 die frühere Kindergeldfestsetzung mit Ablauf des 31. März 1997 auf (KGA 16). Zur Begründung wird ausgeführt, der Sohn lebe außerhalb des Haushalts der Klägerin und der geschiedene Ehemann der Klägerin leiste den höheren Barunterhalt und sei mithin nach § 64 EStG vorrangig kindergeldberechtigt.
Den am 4. April 1997 eingegangenen Einspruch (KGA 18) wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 1997, die der Klägerin am 7. Mai 1997 zugestellt worden ist (KGA 25; 28) unter Wiederholung und Erläuterung der Gründe des Bescheides als unbegründet zurück. Mit der am 28. Mai 1997 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter.
Sie trägt vor, daß sie den Sohn in ihren Haushalt aufgenommen habe, wo er seinen Lebensmittelpunkt habe. Er sei nur deswegen in der Behinderteneinrichtung untergebracht worden, weil sie körperlich nicht in der Lage sei, den Sohn mit seiner schweren Spastik täglich in ihrer eigenen Wohnung zu versorgen. Es bestehe jedoch nach wie vor ein enger Kontakt zu dem Sohn. Sie besuche ihn regelmäßig im Heim. Der Sohn halte sich ebenfalls regelmäßig in ihrer Wohnung auf. Die Betreuung in der Einrichtung beschränke sich auf die Aspekte „satt und sauber”. Eine geistige Förderung erfolge in erster Linie durch sie selbst, so daß der Sohn sein „geistiges Zuhause” und damit seinen Lebensmittelpunkt in ihrer Wohnung habe. Gerade um das zu ermöglichen, habe sie die behindertengerechte Wohnung gemietet und ihm dort ein seinen Bedürfnissen entsprechendes Zimmer eingerichtet.
Zudem habe der Beklagte ihre, der Klägerin, Barleist...