rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekanntgabe eines nach Ablauf der Drei-Tage-Fiktion des § 122 Abs. 2 AO an einem Samstag in den Briefkasten eingeworfenen und am Montag aus dem Briefkasten entnommenen Verwaltungsakts
Leitsatz (redaktionell)
Steht nach der Aussage der Sekretärin des Bevollmächtigten zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ein an einem Dienstag vom FA zur Post gegebener Steuerbescheid anders als weitere ebenfalls am Dienstag vom FA an dieselbe Adresse geschickte Bescheide erst am darauf folgenden Samstag in den Briefkasten des Bevollmächtigten eingeworfen und erst am folgenden Montag (als nächstem Arbeitstag) von dort entnommen worden ist, so gilt der Bescheid als an diesem Montag bekannt gegeben.
Normenkette
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1, § 355 Abs. 1, § 108 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
Unter Abänderung des Körperschaftsteuerbescheides vom 10. Juli 2001 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 1. August 2002 wird die Körperschaftsteuer für das Kalenderjahr 1999 auf 0,– EUR festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistungen in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Nachdem die Klägerin keine Steuererklärung abgegeben hatte, schätzte der Beklagte den Jahresüberschuss für das Streitjahr 1999 auf 50.000,– DM und erließ am 10. Juli 2001 einen Bescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag, in dem er die Körperschaftsteuer auf 20.000,– DM und den Solidaritätszuschlag auf 1.100,– DM festsetzte. Die Aktenausfertigung des Bescheides enthält unter Erledigungsvermerke den Vermerk: „Absenden des Bescheides: Tag der Aufgabe zur Post = Datum des Bescheids”.
Den Einspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Entscheidung vom 1. August 2002 zurück. Zur Begründung führte er aus, der Bescheid sei am Sonnabend, den 14. Juli 2001, durch die Post in den Briefkasten eingeworfen worden. Die einmonatige Einspruchsfrist sei deshalb am 14. August 2001 abgelaufen. Der Einspruch der Klägerin, der erst am 15. August 2001 per Telefax bei ihm, dem Beklagten, eingegangen sei, sei deshalb verspätet.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, ihre ehemalige Sekretärin, die Zeugin A…, habe am Freitag, den 13. Juli 2001 um 11.00 Uhr und nach Dienstschluss um 15.30 Uhr turnus- und routinemäßig ihren, der Klägerin, Briefkasten im Geschäftshaus L… Straße 9 geöffnet und festgestellt, dass keine weitere Post vorhanden gewesen sei. Erst als sie am 16. Juli 2001 zu Dienstbeginn gegen 8.30 Uhr den Briefkasten gelehrt habe, habe sie den Bescheid des Beklagten vom 10. Juli 2001 gefunden. Sie habe den Bescheid mit dem Eingangsstempel vom Sonnabend, den 14. Juli 2001, versehen.
In ihrem Terminkalender habe sie für Montag, den 13. August 2001, die Vorfrist für die Einspruchseinlegung eingetragen. Für Donnerstag, den 16. August 2001, habe sie den Ablauf der Hauptfrist wegen Körperschaftsteuer 1999 eingetragen. Entsprechend diesen Eintragungen habe die Zeugin am Montag, den 13. August 2001, den Vorgang zur Bearbeitung vorgelegt. Am 14. August 2001 sei das Einspruchsschreiben von der Zeugin gefertigt und per Telefax und zugleich mit normalem Postumschlag an den Beklagten übersandt worden.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Bescheides vom 10. Juli 2002 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 1. August 2002 den Körperschaftsteuerbescheid für das Kalenderjahr 1999 dahingehend zu ändern, dass die Körperschaftsteuer auf 0,– EUR festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung macht er geltend, nach seiner Auffassung reichen die Darlegungen der Klägerin nicht aus, um Zweifel an der Zugangsvermutung des § 122 Abgabenordnung – AO – zu begründen. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1999 nach den Angaben der Klägerin bereits am 11. Juli 2001 zugegangen sei. Gegen den ebenfalls am 10. Juli 2001 zur Post aufgegebenen Umsatzsteuerbescheid 1999 habe die Klägerin bereits mit Schreiben vom 13. Juli 2001 Einspruch eingelegt. Es widerspräche dem typischen Geschehensablauf, das von mehreren gleich adressierten und am selben Tag (am Dienstag) zur Post aufgegebenen Bescheiden zwei davon abweichend von der üblichen Postlaufzeit erst nach vier Tagen zugehen, während die anderen – wie üblich – schon am nächsten Tag zugegangen seien. Besondere Verzögerungen im Postverkehr, z. B. durch Streik oder Feiertage, habe die Klägerin nicht vorgetragen und seien auch nicht erkennbar. Gerade der Umstand, dass der Klägerin der Umsatz- und Gewerbesteuermessbescheid vom gleichen Tag und das gleiche Jahr betreffend bereits vorgelegen haben, hätte es nahegelegt, für den von der Klägerin behaupteten späteren Zugang des Körperscha...