rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines als Einspruch bezeichneten Schreibens als Änderungsantrag. Hineinwachsen des Antrags in die Begründetheit
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein als Einspruch bezeichnetes Schreiben eines zwar ansonsten steuerlich beratenen, in diesem Falle aber allein handelnden Steuerpflichtigen kann im Wege der Auslegung als Änderungsantrag anzusehen sein.
2. Der so verstandene Änderungsantrag kann in die Begründetheit hineinwachsen, wenn er zwar nach Eintritt der Festsetzungsverjährung gestellt wurde, der betreffende Steuerbescheid jedoch zu einem späteren Zeitpunkt unter Durchbrechung der Bestandskraft aus anderen Gründen geändert wird.
Normenkette
AO §§ 169, 171 Abs. 3, § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 347; BGB §§ 133, 157
Nachgehend
Tenor
1. Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 06.05.2004 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheides vom 23.11.2004 wird der Beklagte verpflichtet, einen Einkommensteueränderungsbescheid für 1991 unter Berücksichtigung der Zusammenveranlagung des Klägers mit seiner damaligen Ehefrau zu erteilen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird Vollstreckungsnachlass gegen Sicherheitsleistung gewährt, es sei denn, der Kläger leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 1991 des Klägers ändern und dabei einen Antrag auf Zusammenveranlagung berücksichtigen muss.
Der Kläger gab seine Einkommensteuererklärung 1991 am 20.10.1993 mit dem Antrag auf getrennte Veranlagung ab. Dem ging voraus, dass der Kläger und seine damalige Ehefrau sich im Laufe des Jahres 1991 getrennt hatten. Das anschließende Scheidungsverfahren zog sich einschließlich Vermögensauseinandersetzung und der Frage der Zusammenveranlagung über Jahre hin und fand im Jahre 2001 seinen Abschluss.
Das Finanzamt erteilte zunächst einen Einkommensteuerbescheid unter dem 24.01.1994. Der dagegen eingelegte Einspruch vom 11.02.1994 hatte im wesentlichen Erfolg. Ohne Änderung der Veranlagungsart teilte das Finanzamt dem Kläger mit, dass nunmehr sein Einspruch erledigt sei. Der Kläger war bei Abgabe der Steuererklärung seinerzeit steuerlich beraten. Der Änderungsbescheid erging an die damalige steuerliche Beratung.
Mit Schreiben vom 05.07.1995, beim Finanzamt eingegangen am 07.07., legte der Kläger persönlich „Einspruch” gegen alle Bescheide die ihn beträfen beim damals zuständigen Finanzamt ein. Er wies auf vermögensrechtliche Probleme im Scheidungsverfahren mit der Ehefrau hin, die beim Finanzamt H. veranlagt werde. Dies verdeutlichte er in einem Fax vom 30.08.1995 mit dem Hinweis auf die Ehefrau, eine Schädigung seiner Vermögensinteressen, eine durchgeführte mündliche Verhandlung im Ehescheidungsverfahren sowie ein Revisionsverfahren beim OLG F. Er bitte um Abwarten bis zur Klärung dieses Verfahrens.
Mit Schreiben ohne Datum wandte sich das Finanzamt an den Kläger, wobei es auf die Verfristung des Einspruchs hinwies, gleichzeitig aber auf § 173 AO, wonach jederzeit eine Änderung möglich sei, wenn das Verfahren abgeschlossen sei.
Im Jahr 1996 wurde das Finanzamt D. zuständig. Dieses wandte sich erneut an den Kläger wegen seines verfristeten Einspruchs, worauf dieser am 28.10.1996 seinen Einspruch zurücknahm.
Wegen einer Kontrollmitteilung wurde am 22.12.1997 wegen eines teilweise erlassenen Arbeitgeberdarlehens und entsprechend einem Änderungsantrag vom 09.01.1998 ein Änderungsbescheid erteilt, der zu einer höheren Steuerfestsetzung, wiederum aber mit der Veranlagungsart getrennte Veranlagung führte. Der entsprechende Steuerbescheid wurde an den steuerlichen Berater des Klägers bekannt gegeben. Ein Einspruch erfolgte nicht.
Nach Abschluss des Ehescheidungs- und vermögensrechtlichen Verfahrens zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau im Jahre 2001 beim OLG F. – wegen der im Verfahren gewechselten Schriftsätze und des abschließenden Vergleichs wird auf den Sonderhefter Ehescheidungsverfahren Bezug genommen – beantragte der Kläger, nunmehr durch seine jetzige Prozessbevollmächtigte vertreten, die Änderung der Einkommensteuerveranlagung 2001 mit dem Hinweis, die Zusammenveranlagung durchzuführen.
Das Finanzamt wies den Änderungsantrag mit Bescheid vom 06.05.2004 zurück und bestätigte diese Entscheidung mit Einspruchsbescheid vom 23.11.2004. Er stellte sich auf den Standpunkt, dass wegen Bestandskraft der Änderungsantrag bzw. der Antrag auf getrennte Veranlagung ins Leere gegangen sei. Nunmehr sei zudem Verjährung eingetreten. Eine Änderung komme mithin nicht in Betracht.
Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel der Änderung des Einkommensteuerbescheides 1991 weiter. Wegen der Einzelheit...