rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Geschäftsführers für Umsatzsteuerverbindlichkeiten der später in Konkurs gefallenen GmbH

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Legt der Geschäftsführer sein Amt nicht nieder, obwohl er durch einen zusätzlich neben ihm bestellten weiteren Geschäftsführer faktisch von der Geschäftsführung ausgeschlossen wird, und kümmert er sich weiter nicht persönlich um fällige Umsatzsteuerschulden der GmbH, so handelt er grob fahrlässig.

2. Hat sich der Geschäftsführer nie um eine ordnungsgemäße Buchführung der GmbH gekümmert und können daher die Grundlagen zur Ermittlung des genauen Umsatzsteuerhaftungsbetrags nicht mehr festgestellt werden, so können Haftungsquote und Haftungssumme geschätzt werden. Haftungserhöhend können dabei auch Umsatzsteuerrückstände berücksichtigt werden, für die der Geschäftsführer Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO 1977 beantragt hatte.

3. In den Fällen, in denen sich an den Haftungszeitraum ein masseloses Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft, für deren Steuerschulden gehaftet werden soll, anschließt, besteht die Vermutung, dass die Haftungsquote regelmäßig nicht mehr als 60 v.H. der Hauptschuld beträgt, weil davon auszugehen ist, dass in der Zeit der Krise die Gesellschaftsgläubiger nicht in einem höheren Umfang befriedigt worden sind (Ausführungen zur Bestimmung des Haftungszeitraums).

4. Dass das FA von einer Haftungsinanspruchnahme des Mitgeschäftsführers wegen Aussichtlosigkeit der Beitreibung abgesehen hat, ist nicht ermessensfehlerhaft.

 

Normenkette

AO 1977 § 69 S. 1, § 34 Abs. 1, §§ 258, 191 Abs. 1, § 162 Abs. 1, § 5

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 27.12.2005; Aktenzeichen VII B 268/04)

BFH (Beschluss vom 27.12.2005; Aktenzeichen VII B 268/04)

 

Tenor

1. Der Haftungsbescheid vom 15. September 1994 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. März 2000 wird insoweit aufgehoben, als er den Haftungsbetrag in Höhe von 367.440 DM (187.869 EUR) übersteigt. Im Übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens In Höhe von ⅓ im Übrigen trägt sie der Kläger.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Umsatzsteuer-Haftungsbescheids, den der Beklagte gegenüber dem Kläger erlassen hat.

Der Kläger war bis zum 4. April 1992 zunächst alleiniger Geschäftsführer der im September 1989 errichteten B. (im folgenden: GmbH; siehe Dokumente – Dok –, Bl. 61), an der er ab Februar 1991 mittelbar beteiligt war (Dok, Bl. 95). Ab dem 12. Januar 1992 war neben dem Kläger Herr C zum weiteren alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt worden. Nachdem über das Vermögen der GmbH auf ihren eigenen Antrag hin im Juli 1992 das Konkursverfahren eröffnet worden war (Konkursakte X N XXX – KO –, Bl. 94 a), wurde das Verfahren mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse am 28. Dezember 1999 gemäß § 204 KO eingestellt (KO, Bl. 310 a). Die GmbH wurde daraufhin im August 2000 im Handelsregister gelöscht (Dok, Bl. 129).

Wegen der Umsatzsteuerrückstände der GmbH für die Voranmeldungszeiträume Juli bis November 1991 sowie Januar und Februar 1992 einschließlich einer Sondervorauszahlung für das Jahr 1992 – insgesamt 849.985 DM – hat der Beklagte eine Haftungsquote in Höhe von 65 % ermittelt und den Kläger mit Haftungsbescheid vom 15. September 1994 in Höhe von insgesamt 552.000 DM in Anspruch genommen (Haftungsakte – HA –, Bl. 60); durch nachträgliche Zahlung auf die Hauptschulden hat sich die Haftungssumme auf 487.490 DM ermäßigt (Gerichtsakte – FG –, Bl. 115 f.). Gegen den Haftungsbescheid legte der Kläger am 12. Oktober 1994 Einspruch ein (Rechtsbehelfsakte – Rbh –, Bl. 2). Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 21. März 2000 hat der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen (Rbh, Bl. 75 ff.).

Dagegen richtet sich die Klage, die der Kläger am 25. April 2000 erhoben hat.

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer seien keine Steueransprüche fällig geworden, da sie jedenfalls bis zu seinem Ausscheiden aus dem Geschäftsführeramt gestundet worden seien. Er habe erst im November 1991 davon erfahren, dass Steuerschulden nicht beglichen worden seien, da für die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten ein Steuerberater beauftragt gewesen sei. Außerdem sei er seit dem 17. Januar 1992 von sämtlichen Entscheidungen außer der Auftragsbearbeitung ausgeschlossen gewesen, nachdem die Gesellschafterversammlung Herrn C, zum weiteren Geschäftsführer bestellt hatte. Er – der Kläger – sei seitdem gleichsam von der Vertretung der Gesellschaft bis zur Kündigung am 4. April 1992 ausgeschlossen gewesen. Ab diesem Zeitpunkt sei ohnehin Herr C als einziger Geschäftsführer allein verantwortlich gewesen. Zudem habe der weitere Geschäftsführer im Januar...

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