rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme der von der Klägerin im Finanzprozess bestrittenen strafrechtlichen Feststellungen zur Beteiligung an einer Steuerhehlerei ohne Beiziehung der Strafakten und ohne eigene Beweisaufnahme des FG. strafrechtlich relevantes Verhalten als Maßstab für den Umfang der Haftung nach § 71 AO. volle Haftung nach § 71 AO bei Ankauf und Weiterveräußerung von illegal herstelltem Branntwein trotz Unfähigkeit des Steuerschuldners zur vollen Zahlung der Branntweinsteuer zum Zeitpunkt der Fälligkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Feststellungen aus einem Strafurteil bzw. aus einem Strafbefehl kann sich das FG zu eigen machen, falls nicht die Verfahrensbeteiligten substantiierte Einwendungen erheben und entsprechende Beweisanträge stellen.
2. Hat die Steuerpflichtige im Strafverfahren gegen die dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen zum Vorliegen einer mittäterschaftlichen Steuerhehlerei Einwendungen erhoben und wurden diese Einwendungen auch im strafrechtlichen Revisionsverfahren gegen das Strafurteil geltend gemacht, darauf vom Generalbundesanwalt und vom BGH überprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet, so kann sich das FG im Verfahren betreffend Haftung nach § 71 AO infolge der Beteiligung an der Steuerhehlerei ohne Beiziehung der Strafakten und ohne eine eigene Beweisaufnahme auf die im Strafverfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen stützen, wenn die Klägerin im Finanzprozess lediglich ihre im strafrechtlichen Revisionsverfahren erfolglos geltend gemachten Einwendungen wiederholt, ohne sich mit dem Beschluss des BGH über die Verwerfung der Revision im Einzelnen auseinander zu setzen und im vorliegenden Verfahren substantiiert darzulegen, weshalb (auch) der BGH in seiner Revisionsentscheidung fehlerhaft entschieden haben soll.
3. § 71 AO hat den Charakter einer Schadenersatznorm und auch hier gelten die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung zur anteiligen Tilgung der Umsatzsteuer entsprechend. Bei dem Haftungstatbestand des § 71 AO ist unabhängig vom Maß des Verschuldens für den Umfang der Haftung darauf abzustellen, inwieweit das strafrechtlich relevante Verhalten für den Schaden in Gestalt der Nichtentrichtung der geschuldeten Steuer ursächlich gewesen ist.
4. Hat die Steuerpflichtige illegal herstellten, nicht versteuerten Branntwein angekauft und weiter veräußert, so ist ihre Haftung nach § 71 AO hinsichtlich der Branntweinsteuer nicht deswegen ausgeschlossen, weil dem Hersteller des Branntweins und Steuerschuldner der Branntweinsteuer bei Fälligkeit der Steuer keine ausreichenden Mittel zu deren Tilgung zur Verfügung standen.
Normenkette
AO §§ 71, 44, 374, 369 Abs. 2, § 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4; StGB § 25 Abs. 2; BranntwMonG § 130 Abs. 1 S. 1, § 143 Abs. 1, 2 Nr. 2; FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 76 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin und ihr Ehemann betrieben in A eine Ankaufsstelle für Branntwein für die B-GmbH. An der GmbH war die Klägerin neben ihren Eltern, den Eheleuten C, als Gesellschafterin zu 50 % beteiligt, ab dem Tod des Vaters im Jahr 2005 zu 65 %. Unternehmensgegenstand der GmbH waren der Ankauf und der Verkauf von Abfindungsbranntwein.
Die Klägerin und ihr Ehemann kauften nach den Feststellungen des Zollfahndungsamts X und des Landgerichts Z im Zeitraum von Januar 1999 bis Januar 2003 in mindestens 23 Fällen gemeinschaftlich handelnd von dem gesondert Verfolgten Herrn D insgesamt xx.xxx,xx Liter reinen Alkohol an. Nach den strafgerichtlichen Feststellungen wussten die Klägerin und ihr Ehemann – oder nahmen es zumindest billigend in Kauf –, dass es sich bei den Branntweinlieferungen des Herrn D um illegal hergestellten und unversteuerten Branntwein gehandelt hatte. Herr D gab in seinen Vernehmungen durch das Zollfahndungsamt im Februar und April 2006 an, regelmäßig nach Absprache mit die Klägerin und ihrem Mann aus Kornmaische hergestellten Branntwein nach E an die GmbH geliefert zu haben.
Die Klägerin und ihr Ehemann wurden für die vorbezeichneten 23 Taten im vorgenannten Zeitraum von dem Landgericht Z jeweils zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Die hiergegen eingelegte Revision die Klägerin und ihres Ehemanns verwarf der BGH.
Aufgrund der Ermittlungen des Zollfahndungsdienstes erließ der Beklagte am 16. März 2009 einen Haftungsbescheid gemäß § 71 AO in Höhe von yyy.yyy,yy EUR (Branntweinsteuer für xx.xxx,xx Liter reinen Alkohol). In diesem Haftungsbescheid wurde die Klägerin als Gesamtschuldnerin (§ 44 Abs. 1 AO) mit ihrem Ehemann sowie dem Verkäufer des Branntweins, Herrn D, in Anspruch genommen. Auch die Mutter die Klägerin, Frau F, wurde im Zusammenhang mit den hier maßgeblichen Vorgängen vom Beklagten als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen.
Hiergegen legte die Klägerin am 6. April 2009 Einspruch ein, den der Beklagte mit seiner Eins...