rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendige Beiladung des vormalig berechtigten Elternteils bei rückwirkender Festsetzung des Kindergeldes zugunsten des anderen Elternteils

 

Leitsatz (redaktionell)

Begehrt ein Elternteil nach zivilgerichtlicher Änderung der Berechtigtenbestimmung die rückwirkende Festsetzung von Kindergeld zu seinen Gunsten, so muss der vormalige Berechtigte wegen des hiermit verbundenen unmittelbar gestaltenden Eingriffs in seine Rechtssphäre notwendig zum Verfahren beigeladen werden.

 

Normenkette

FGO § 60 Abs. 3 S. 1; EStG § 64 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

1996

 

Tatbestand

I. Der Kläger und die Beigeladene sind die Eltern des am 28. Juli 1977 geborenen Kindes „T” , das seit dem 28. Juli 1995 bis 31. August 1997 im Rahmen einer fürsorgerechtlichen Betreuung in einem Heim untergebracht war, und für das nur der Kläger Barunterhalt leistete. Der Beigeladenen war Kindergeld gewährt worden, welches aufgrund einer Abzweigung an das Jugendamt ausgezahlt worden war. Nachdem der Kläger beim Amtsgericht „Y” - Az.: „ „ - den Beschluss erwirkt hatte, wonach er anstelle der Beigeladenen zum Kindergeldberechtigten bestimmt wurde, beantragte er mit Schreiben vom 30. Januar 1997 die Gewährung von Kindergeld, rückwirkend ab dem 1. Januar 1996. Mit Bescheid vom 19. März 1998 bewilligte der Beklagte ab Oktober 1996 Kindergeld. Mit seiner nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehrt der Kläger, nachdem der Beklagte den angefochtenen Bescheid während des Klageverfahrens geändert und den Beginn der Kindergeldzahlungen auf August 1996 festgesetzt hatte, nunmehr weiterhin Kindergeld ab Juli 1996, dem Beginn des Verfahrens auf Bestimmung des Kindergeldberechtigten beim Amtsgericht „Y”. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die vom Beklagten vorgelegten Akten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beigeladene ist gem. § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO notwendig beizuladen, da sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich erfolgen kann.

Eine Beiladung hat nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO - über den Wortlaut der Vorschrift hinaus - auch dann zu erfolgen, wenn die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar Rechte Dritter gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt (vgl. BFH Urteile vom 27. Februar 1969 IV R 263/66, BFHE 95, 148, BStBl II 1969, 343 und vom 25. Februar 1993 III R 4/91, BFHE 171, 5, BStBl II 1993, 513; Beschlüsse vom 29. Januar 1980 VII B 34/79, BFHE 129, 536, BStBl II 1980, 303 und vom 12. Januar 2001 VI B 301/98, BFH/NV 2001, 776). Die notwendige Beiladung soll insbesondere sicherstellen, dass die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung (§ 110 Abs. 1 FGO) sich auf alle erstreckt, in deren Rechte die Entscheidung unmittelbar eingreift (BFH Urteil vom 9. April 1991 IX R 78/88, BFHE 163, 517, BStBl II 1991, 809, 811).

Eine Entscheidung darüber, ob dem Kläger auch für den von ihm begehrten Zeitraum April bis Juli 1996 Kindergeld zu gewähren ist, greift unmittelbar in die Rechte der Beigeladenen, der bislang für diesen Zeitraum Kindergeld gewährt worden war, ein. Dies ergibt sich aus § 64 Abs. 1 EStG, wonach für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt wird. Hieraus, wie aus den folgenden Absätzen des § 64 EStG, in denen im Einzelnen geregelt wird, an wen bei mehreren Berechtigten das Kindergeld gezahlt wird, ergibt sich, dass nach dem Gesetz von mehreren Kindergeldberechtigten nur einer für den Empfang der Zahlung zuständig sein soll. Anders als etwa bei dem Streit um die Übertragung eines Kinderfreibetrag (vgl. hierzu BFH Beschluss vom 12. Januar 2001, VI B 301/98 m.w.N. zum Streitstand) berührt die Entscheidung, ob einem Kindergeldberechtigten - hier dem Kläger - das Kindergeld zusteht, unmittelbar die Rechte des anderen Elternteils - hier der Beigeladenen. § 64 Abs. 1 EStG begründet nicht nur einen sachlogischen oder rechnerischen sondern einen rechtlichen Zusammenhang. Die Entscheidung über den angefochtenen, gegenüber dem Kläger ergangenen Kindergeldbescheid greift daher unmittelbar gestaltend in die Rechtssphäre der Beigeladenen ein, indem ihr diese Entscheidung zwangsläufig die Berechtigung zum Empfang der Zahlungen für den betreffenden Zeitraum abspricht (a.A. - jedoch ohne Begründung: FG München Urteil vom 19. August 1998 1 K 5044/97, EFG 1998, 1656).

Die Kostenentscheidung gehört zum Klageverfahren (BFH Beschluss vom 4. August 1988 VIII B 82/87, BFH/NV 1989, 249).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI796956

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Basic enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge