vorläufig nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer auf Bauleistungen: Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung des § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG – Vertrauensschutzregelung des § 176 Abs. 2 AO – Verpflichtung zur Annahme der Abtretung der ausstehenden Entgeltforderung an Zahlungs statt
Leitsatz (redaktionell)
- Bei summarischer Prüfung dürfte die die Vertrauensschutzregelung des § 176 Abs. 2 AO ausschließende Regelung des § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG keine sog. echte Rückwirkung entfalten und nicht gegen das im Grundgesetz verankerte Verbot der Rückwirkung von Gesetzen verstoßen (entgegen Beschluss des FG Berlin-Brandenburg vom 05.06.2015 5 V 5026/15, DStR 2015, 1538).
- Das verfassungsrechtliche Vertrauensschutzprinzip wird durch § 27 Abs. 19 UStG in noch zulässiger Weise im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit zugunsten der Rechtsrichtigkeit eingeschränkt, da hierdurch dem leistenden Bauunternehmer die Möglichkeit eröffnet wird, den zivilrechtlichen Anspruch gegenüber dem Besteller auf die (noch ausstehende) Zahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt an Zahlungs statt abzutreten.
- Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 Sätze 3 und 4 UStG ist das Finanzamt zur Annahme der Abtretung verpflichtet; auf die Werthaltigkeit der Forderung kommt es nicht an.
Normenkette
UStG i.d.F. vom 25.7.2014 § 13 b Abs. 2 Nr. 4; UStG i.d.F. vom 25.7.2014 § 13 Abs. 5 S. 2; UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 9a, § 13 a Abs. 1 Nr. 1, § 27 Abs. 19; AO §§ 47, 164 Abs. 2, §§ 168, 176 Abs. 2; GG Art. 20 Abs. 3; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung von Umsatzsteuerbescheiden für die Jahre 2011 bis 2013 soweit er nach Überprüfung der erklärten Ausgangsumsätze nach § 13 b a. F. UStG in Anspruch genommen wurde.
Mit seinem Unternehmen führte er in der Zeit von 2011 bis 2013 für einen Bauträger verschiedene Bauleistungen aus. Der Bauträger verwendete die Leistungen zur Ausführung eigener – gemäß § 4 Nr. 9a UStG steuerfreier - Umsätze (Bauträgerumsätze).
Nachdem der Bauträger mit Schreiben vom 23.07.2014 (für 2011 und 2012) und vom 17.02.2015 (für 2013) unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (vgl. BFH, Urteil vom 22.08.2013 V R 37/14, BStBl II 2014, 128) die Erstattung der bisher von ihr als Leistungsempfängerin geschuldeten und entrichteten Umsatzsteuer auf Bauleistungen nach § 13 b Abs. 2 Nr. 4 UStG beantragt hatte, ordnete der Antragsgegner eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Jahre 2011 bis 2013 beim Antragsteller an.
Vor Beginn der Umsatzsteuer-Sonderprüfung waren die Umsatzsteuererklärungen für das Jahr 2011 (Eingang am 12.06.2013) und für das Jahr 2012 (Eingang am 27.05.2014) erklärungsgemäß vom Antragsgegner erfasst worden. Die Steuerfestsetzungen ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2013 war bisher noch nicht beim Finanzamt abgegeben worden.
Ausweislich des Berichtes über die vorgenommene Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 19.03.2015, auf dessen weiteren Inhalt verwiesen wird, waren nach Auffassung des Prüfers für die Jahre 2011 bis 2013 in nachfolgend aufgeführter Höhe Nachversteuerungen durch den Antragsteller erforderlich, weil die Vorschrift des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG in der in den Streitjahren gültigen Fassung nicht anwendbar und der Bauträger insoweit für die vom Antragsteller erbrachten Leistungen nicht Steuerschuldnerin gewesen sei.
Mit nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheiden vom 07.05.2015 erhöhte der Antragsgegner die Umsatzsteuer für 2011 und 2012 entsprechend der Prüferfeststellungen. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Für 2013 erließ der Antragsgegner am 27.04.2015 erstmalig ein Umsatzsteuerjahressteuerbescheid und forderte entsprechend der Prüferfeststellungen weitere Umsatzsteuer. In der Erläuterung zu den Bescheiden wurde auf den Prüfungsbericht vom 19.03.2015 hingewiesen.
Hiergegen legte der Antragsteller am 22.05.2015 Einspruch ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2011 bis 2013. Nach Auffassung des Antragstellers könne eine Änderung der bisherigen Steuerfestsetzungen wegen des Vertrauensschutzes nach § 176 AO nicht erfolgen. Die Netto-Rechnungen seien im Vertrauen auf eindeutige Verwaltungsanweisungen erfolgt. Die im Nachhinein eingeführte gesetzliche Regelung in § 27 Abs. 19 UStG könne zu keiner anderen Beurteilung führen, da der Vertrauenstatbestand des § 176 AO aus der Sicht des leistenden Unternehmers bereits verwirklicht worden sei.
Mit Bescheid vom 28.05.2015 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab, da der Gedanke von Treu und Glauben gemäß § 176 AO in Anwendung der Vorschrift § 27 Abs. 19 UStG vorliegend nicht zu beachten sei. Über die Einsprüche hat der Antragsgegner bisher noch nicht entschieden.
Nunmehr begehrt der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht. Er wiederho...