Entscheidungsstichwort (Thema)
Die formwechselnde Umwandlung eines Vereins in eine GmbH stellt keine Vereinsauflösung dar und unterliegt insoweit nicht der Schenkungsteuer
Leitsatz (redaktionell)
- Die Umwandlung eines als Inhaber einer Beteiligung fungierenden Familienvereins in eine GmbH kann nicht mit dem schenkungsteuerlichen Tatbestand der Auflösung des Vereins unter Anfall seines Vermögens bei den Mitgliedern gleichgesetzt werden, da bei formwechselnder Umwandlung weder ein Rechtsträgerwechsel noch ein echter Vermögensübergang erfolgen.
- Eine planwidrige Regelungslücke, die die analoge Anwendung des Auflösungstatbestands auf den Fall des Formwechsels rechtfertigen könnte, ist nicht erkennbar.
- Die zeitliche Nähe der Umwandlung zum Steuerentstehungszeitpunkt des § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG (30-Jahres-Zeitraum) ist kein ausreichender Anhaltspunkt für eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung; dies gilt zumindest dann, wenn wirtschaftliche Gründe für dieses Vorgehen plausibel dargelegt werden können.
Normenkette
ErbStG § 1 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 4; UmwG § 202 Abs. 1 Nr. 1, § 272; BGB §§ 41, 45; AO § 42
Streitjahr(e)
2000
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger war Mitglied des Familienvereins „A X” e. V. (Familienverein). Er wendet sich gegen die Festsetzung von Schenkungsteuer durch den Beklagten wegen der Umwandlung des Familienvereins in eine GmbH.
Am 3. April 1970 gründete A X, der Vater des Klägers, gemeinsam mit seinem Bruder, B X, den „Familien Verein X e. V.”. Durch notariellen Vertrag vom 3. Juni 1970 übertrugen A X und sein Bruder von ihren Geschäftsanteilen an der Y GmbH (Y) von je nominell 500.000,00 DM Teilbeträge in Höhe von je nominell 455.000,00 DM auf den „Familien Verein X e. V.”.
Am 9. Januar 1972 verstarb A X. In der Folgezeit kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Familienstämmen. Dies führte dazu, dass auf der Mitgliederversammlung am 30. November 1973 B X und die übrigen Mitglieder seiner Familie aus dem Verein austraten und einen eigenen Verein gründeten („Familien-Verein C B X e. V”). Der ursprüngliche Familienverein änderte seinen Namen durch Satzungsänderung in „Familien-Verein A X e. V.” (im Folgenden: Familienverein). Durch notariellen Vertrag vom 27. Dezember 1973 übertrug er u. a. den Geschäftsanteil an der Y von nominell 455.000,00 DM auf den Familien-Verein C B X e. V.
Zweck des Familienvereins war die Pflege und Förderung gemeinschaftlicher Familieninteressen der Angehörigen der Familie A X (§ 2 Abs. 1 der Satzung). Der Verein war nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet und nahm nicht am Wirtschaftsverkehr mit Gewinnerzielungsabsicht teil (§ 2 Abs. 3 der Satzung). Dem Verein gehörten ordentliche und jeweils drei außerordentliche - familienfremde - Mitglieder an (§ 4 Abs. 1 der Satzung). Als Familie im Sinne der Satzung galten gemäß § 3 Abs. 1 der Satzung: D X, eheliche, leibliche Abkömmlinge von D X und A X sowie deren eheliche, leibliche Nachkommen sowie die Ehegatten von Abkömmlingen. § 10 der Satzung regelte die Auflösung des Vereins. Nach Abs. 1 fiel das Vermögen des Vereins für den Fall, dass dieser vor Ablauf des 31. Dezember 2019 aufgelöst werden sollte, an die testamentarischen Erben nach A X; D X (Ehefrau des A X) sollte für diesen Fall einen lebenslänglichen Nießbrauch in Höhe der Hälfte der gesamten Erträge am aufgelösten Vereinsvermögen erhalten.
Mit Schreiben vom 15. September 1995 beantragte der Familienverein eine verbindliche Auskunft zu der Frage, ob bei einer Umwandlung des Vereins nach § 272 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) in eine Kapitalgesellschaft Schenkungsteuer anfalle. Ausweislich der Vermögensteuererklärungen bestehe das Vereinsvermögen im Wesentlichen aus einer 44,5 %-igen Beteiligung am Stammkapital der Y.
Nach Beteiligung der Oberfinanzdirektion teilte das Finanzamt M, dessen Zuständigkeit in der Folgezeit auf den Beklagten übergegangen ist, mit Schreiben vom 30. Januar 1996 mit, dass die beabsichtigte Umwandlung Schenkungsteuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) auslöse. Zwar bleibe durch die Umwandlung des Vereins in eine GmbH die Identität des Rechtsträgers als juristische Person gewahrt. Erbschaftsteuerlich seien jedoch der Verein und die GmbH als verschiedene Rechtsträger anzusehen, so dass eine „Auflösung” des Vereins vorliege. Würde man keine Auflösung des Vereins annehmen, könnte durch eine zwischengeschaltete Umwandlung in eine GmbH erreicht werden, dass das Vereinsvermögen ohne schenkungsteuerliche Belastung an die Vereinsmitglieder ausgekehrt werde, weil im Falle der Liquidation einer GmbH durch Übertragung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter kein schenkungsteuerlicher Tatbestand verwirklicht werde. Seine Auffassung werde gestützt durch die Regelung im Erlass des Finanzministers NRW vom 7. Dezember 1983, S 3800-15-VA2.
Auf der Mitgliederversammlung vom 19. April 2000 fassten die Mitglieder des Vereins...