vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch eines polnischen Saisonarbeiters – Unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht eines polnischer Saisonarbeiters mit Familienwohnsitz in Polen nach § 1 Abs. 3 EStG kann nur für die Monatszeiträume eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 b EStG begründen, in denen der Steuerpflichtige die für die fiktive Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG erforderlichen inländischen Einkünfte im Sinne des § 49 EStG erzielt.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 3, § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Kindergeld für seine in Polen lebenden Kinder „T” und „L” für das gesamte Jahr 2009 zusteht.
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Er ist verheiratet und hat 2 Kinder, „T” (geb. „...”.04.1989) und „L” (geb. „...”.05.1993). Der Kläger lebt mit „T”, „L” und seiner Ehefrau „B” – der Kindesmutter – in einem gemeinsamen Familienhaushalt in Polen. In Polen besteht für die beiden Kinder kein Anspruch auf Kindergeld.
Vom 02.04.2009 bis 30.09.2009 war der Kläger bei der Firma „H” in „X-Stadt” sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Einkommensteuerrechtlich ist der Kläger wegen der in dieser Zeit erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auf Antrag als erweitert unbeschränkt steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) behandelt worden.
Im Einspruchsverfahren gegen die (partielle) Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Kinder „T” und „L” vom 30.07.2010 gewährte die Beklagte, die Familienkasse „J-Stadt”, mit Abhilfebescheid vom 28.10.2010 Kindergeld für beide Kinder für den Zeitraum April 2009 bis September 2009 in voller gesetzlicher Höhe. Für die Zeiträume Januar bis März 2009 und Oktober bis Dezember 2009 wies die Familienkasse den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 05.11.2010 als unbegründet zurück. Während dieser Monate hätten die Voraussetzungen von §§ 62 ff. EStG nicht vorgelegen.
Hiergegen hat der Kläger am 03.01.2011 Klage eingelegt. Er macht geltend, gemäß § 1 Abs. 3 EStG sei er – der Kläger – im gesamten Jahr als unbeschränkt steuerpflichtig anzusehen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld hätten daher im gesamten Streitjahr (2009) vorgelegen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids vom 30.07.2010, geändert durch Bescheid vom 28.10.2010, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.11.2010 Kindergeld für die Kinder „T” und „L” auch für den Zeitraum Januar bis März 2009 und Oktober bis Dezember 2009 in Höhe von jeweils 164,00 EUR monatlich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Familienkasse bleibt bei ihrer Auffassung.
Das Gericht hat die Kindergeldakte beigezogen. Auf den Verwaltungsvorgang und auf die Schriftsätze der Beteiligten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
1) Die Klage ist zwar zulässig. Insbesondere ist sie nicht verfristet, weil sie nicht innerhalb der Monatsfrist gemäß § 47 Abs. 1 FGO eingelegt worden ist, denn die Beklagte hat die Rechtsmittelbelehrung ersichtlich – worauf sich der Kläger beruft (Bl. 31 f. GA) – unrichtig erteilt, so dass die Klage innerhalb der Jahresfrist gemäß § 55 Abs. 2 FGO eingelegt werden konnte.
2) Die Klage ist jedoch unbegründet, denn die angefochtene Ablehnung der Kindergeldfestsetzung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
Der Kläger ist im Streitzeitraum Januar bis März 2009 und Oktober bis Dezember 2009 nicht anspruchsberechtigt i. S. des § 62 EStG. Entgegen seiner Auffassung ergibt sich seine Anspruchsberechtigung auch nicht aufgrund § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG.
Nach dieser Vorschrift hat Anspruch auf Kindergeld, wer zwar keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, aber nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen nur hinsichtlich des hier nicht (mehr) streitigen Zeitraums (April bis September 2009). Den nach § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG erforderlichen Antrag hat der Kläger mit Abgabe der Einkommensteuererklärung für 2009 gestellt und für das Streitjahr hat der Kläger unstreitig Einkommensteuer entrichtet. Die unbeschränkte Steuerpflicht entsteht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz EStG allerdings nur, soweit inländische Einkünfte i. S. des § 49 EStG vorliegen, wobei die Konjunktion „soweit” sowohl konditionale Bedeutung hat als auch ein zeitliches Moment beinhaltet mit der Folge, dass die inländischen Einkünfte den Beginn und das Ende der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG markieren (Urteile des Finanzgerichts –...