Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzungszeitpunkt und Bewertung der Schenkungsteuer bei Schenkung eines Grundstücks mit Nießbrauchsvorbehalt und Übernahme der auf der Immobilie lastenden Schuld
Leitsatz (redaktionell)
- Ist bei einer Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt die Übernahme der auf dem Grundstück lastenden Verbindlichkeiten durch die Beendigung des Nießbrauchs aufschiebend bedingt, während der Nießbraucher bis zu diesem Zeitpunkt die Zins- und Tilgungsleistungen zu erbringen hat, so handelt es sich bei den schlussendlich übernommenen Verbindlichkeiten um eine unverzinsliche Schuld. Sie ist bei der Ermittlung des Wertes der gemischt freigebigen Zuwendung auf den Tag der – mehr als ein Jahr zurückliegenden Schenkung – abzuzinsen.
- Die Abzinsung der übernommenen Verbindlichkeiten führt nicht deshalb zu einer unzulässigen Doppelbelastung, weil bei der Ermittlung des Kapitalwerts des Nießbrauchs im Rahmen der Berechnung der nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu stundenden Steuer die vom Nießbraucher zu tragenden Schuldzinsen grundsätzlich als Aufwand abzusetzen sind.
- Zwischen der Bereicherung des Beschenkten nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und der Berechnung der nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu stundenden Steuer besteht keine gesetzliche Verknüpfung.
Normenkette
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2, §§ 11, 12 Abs. 1, §§ 16, 25 Abs. 1 S. 2; BewG § 12 Abs. 3 S. 1
Streitjahr(e)
1995
Nachgehend
Tatbestand
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 25. Juli 1995 übertrug die Mutter der Klägerin dieser das Grundstück Gemarkung A, Flur ..., Flurstück .... sowie ihren Anteil als Miterbin an den Grundstücken Gemarkung B, Flur ..., Flurstücke .., .., .., .., .. und…. Die Mutter der Klägerin behielt sich an dem übertragenen Grundbesitz mit einem Verkehrswert von 2.625.000 DM den lebenslänglichen Nießbrauch vor. Während der Dauer des Nießbrauchs sollte sie weiterhin die Zins- und Tilgungsleistungen für die auf den Grundstücken lastenden Verbindlichkeiten erbringen. Die Klägerin übernahm die Grundpfandrechte und mit Wirkung ab der Beendigung des Nießbrauchs die diesen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten. Unter V. der notariellen Urkunde vom 25. Juli 1995 ließen die Klägerin und ihre Mutter die Auflassung beurkunden und bewilligten die Eintragung des Eigentumswechsels in den Grundbüchern. Die Mutter der Klägerin sollte die durch die Übertragungen entstehende Schenkungsteuer tragen.
Am 31. Juli 1995 ging beim Finanzamt M, dessen Zuständigkeit mittlerweile auf das beklagte Finanzamt übergegangen ist, die Anzeige des beurkundenden Notars vom 27. Juli 1995 ein, mit der dieser eine Abschrift der Urkunde vom 25. Juli 1995 übersandte. Auf Aufforderungen des Finanzamts M vom 25. August 1998 und des beklagten Finanzamts vom 4. Februar 1999 gab die Klägerin am 30. März 1999 eine Schenkungsteuererklärung ab. Mit Bescheid vom 23. Januar 2001 setzte das beklagte Finanzamt gegen die Mutter der Klägerin Schenkungsteuer fest.
Gegen diesen Bescheid legte die Mutter der Klägerin Einspruch ein, den das beklagte Finanzamt mit Entscheidung vom 6. August 2001 zurückwies. Auf die von ihr erhobene Klage hob der Senat den Schenkungsteuerbescheid vom 23. Januar 2001 und die Einspruchsentscheidung mit Urteil vom 12. Juni 2002 - 4 K 5091/01 Erb - wegen Festsetzungsverjährung auf.
Mit Bescheid vom 29. Mai 2002 setzte das beklagte Finanzamt gegen die Klägerin 36.228 € Schenkungsteuer fest, von der es 18.021 € im Hinblick auf den ihrer Mutter bestellten Nießbrauch zinslos stundete. Das der Klägerin übertragene Grundvermögen setzte es mit 812.350 DM an. Dem rechnete es die übernommene Schenkungsteuer mit 65.007 DM als Erwerb hinzu.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie sich auf Festsetzungsverjährung berief und geltend machte, dass der nach § 10 Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) als Erwerb anzusetzende Betrag unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Januar 2002 II R 15/00, BStBl II 2002, 314 unzutreffend ermittelt worden sei.
Mit Entscheidung vom 20. Mai 2003 setzte das beklagte Finanzamt die Schenkungsteuer auf 35.437 € neu fest, wovon es 17.890 € zinslos stundete. Im Übrigen wies es den Einspruch zurück. Das der Klägerin übertragene Grundvermögen setzte es unverändert mit 812.350 DM an. Dem rechnete es die übernommene Schenkungsteuer mit 47.836 DM als Erwerb hinzu.
Die Klägerin hat am 18. Juni 2003 Klage erhoben. Am 13. Februar 2005 ist ihre Mutter verstorben. An diesem Tage lasteten auf dem am 25. Juli 1995 übertragenen Grundbesitz noch Verbindlichkeiten von insgesamt 1.213.218 DM. Das beklagte Finanzamt setzte die Schenkungsteuer mit Bescheid vom 25. August 2005 auf 21.457 € neu fest. Dabei ging es nunmehr von einer gemischten freigebigen Zuwendung aus, wobei es die übernommenen Verbindlichkeiten nur mit einem auf den 25. Juli 1995 abgezinsten Betrag von 730.357 DM als Gegenleistung berücksichtigt...