Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkünfte aus Kapitalvermögen – Günstigerprüfung – Ausgleich von Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften – Anknüpfung an depotübergreifende Verlustverrechnung
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Veranlagung von abzugsteuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen im Rahmen der Günstigerprüfung nach § 32 d Abs. 4 EStG ist vor dem Ausgleich von Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 23 EStG a. F. mit Veräußerungsgewinnen nach § 20 Abs. 2 EStG eine depotübergreifende Verrechnung der laufenden Verluste nach den Regeln des § 43 a Abs. 3 EStG vorzunehmen (entgegen BMF-Schreiben vom 22.12.2009, BStBl I 2010, 94, Rz. 118).
Normenkette
EStG § 20 Abs. 2, 6, § 23 Abs. 3 Sätze 9-10, § 32 d Abs. 1, 4, § 43 a Abs. 3, § 52 a Abs. 11 S. 11
Streitjahr(e)
2010
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger wird vom Beklagten (dem Finanzamt) für das Streitjahr 2010 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Neben Einkünften aus Gewerbebetrieb und aus Vermietung und Verpachtung erzielte der Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen, deren Berechnung im vorliegenden Verfahren streitig ist.
Der Kläger verfügt zum 31.12.2009 über Verlustvorträge aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 23 des Einkommensteuergesetzes in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (EStG a. F.) in Höhe von über 1,28 Mio. € (Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2009 vom 20.03.2012). Im Jahr 2010 erzielte er Kapitaleinkünfte aus einem Depot bei der A-Bank AG (im Folgenden: A-Bank), aus einem Depot bei der B-Bank AG (im Folgenden: B-Bank) und aus einem privaten Darlehen (Zinsen in Höhe von 545 €). Die (positiven und negativen) Einnahmen aus den Depots stellen sich wie folgt dar [alle Angaben gerundet auf ganze € ]:
|
Depot A-Bank |
Depot B-Bank |
Erträge nach § 20 Abs. 1 EStG (Dividenden u. a.) |
137.899 |
30.836 |
Positive Erträge nach § 20 Abs. 2 EStG (Veräußerungen von Kapitalanlagen) |
11.109 |
194.840 |
Verluste nach § 20 Abs. 2 EStG |
-- |
141.466 |
Für die Berechnung der abzuführenden Kapitalertragsteuer gemäß § 43 a des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) verrechnete die B-Bank die laufenden Verluste nach § 20 Abs. 2 EStG (sog. Verlustverrechnungstopf 2, “VVT 2”) zunächst mit den laufenden Erträgen nach § 20 Abs. 1 EStG, die verbleibenden Verlustbeträge von 110.630 € sodann mit den Veräußerungsgewinnen nach § 20 Abs. 2 EStG, sodass Veräußerungsgewinne (84.210 €) nach Anrechnung ausländischer Quellensteuern (7.801 €) schließlich in Höhe von 76.408 € der Kapitalertragsteuer unterworfen wurden. Die A-Bank berechnete die von ihr abzuführende Kapitalertragsteuer auf der Grundlage der Kapitalerträge von 149.008 € unter Berücksichtigung anzurechnender ausländischer Quellensteuern.
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung beantragte der Kläger für seine Kapitalerträge die Günstigerprüfung, die Überprüfung des Steuereinbehalts und die Festsetzung der Kirchensteuer. Außerdem beantragte er die Verrechnung von Verlusten nach § 23 EStG a. F..
Im Einkommensteuerbescheid 2010 vom 26.04.2012 führte das Finanzamt für die “Einkünfte, die nach § 32 d EStG besteuert werden (Abgeltungsteuer)“ eine Neuberechnung durch, indem es in Anknüpfung an die Verlustverrechnung der B-Bank von Erträgen nach § 20 Abs. 1 EStG in Höhe von 138.444 € (Depot A-Bank + Privatdarlehenszinsen) ausging und von Erträgen nach § 20 Abs. 2 EStG in Höhe von 95.318 € (Depot A-Bank + verbleibender Betrag nach Verlustverrechnung Depot B-Bank). Die Erträge nach § 20 Abs. 2 EStG verrechnete es sodann in vollem Umfang mit dem Verlustvortrag aus privaten Veräußerungsgeschäften, sodass sich nach Abzug des Sparerfreibetrags (801 €) verbleibende Kapitalerträge von 137.643 € ergaben, die das Finanzamt dem Abgeltungsteuersatz (§ 32 d Abs. 1 Satz 1 EStG) unterwarf; nach Abzug eines Viertels der auf die Kapitalerträge entfallenden Kirchensteuer und unter Anrechnung ausländischer Quellensteuern (8.608,88 €) verblieb eine Abgeltungsteuer von 25.234 €. Hierzu wurde erläutert: “Sie haben einen Antrag auf Günstigerprüfung für sämtliche Kapitalerträge gestellt. Die Prüfung hat ergeben, dass die Besteuerung nach dem allgemeinen Tarif nicht günstiger ist.”
Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Er trug vor, bei Berücksichtigung der gesamten erzielten Kapitaleinkünfte (ohne depotbezogene Verrechnung) seien die im Jahr 2010 erzielten Verluste von 141.466 € (VVT 2) mit laufenden Kapitalerträgen nach § 20 Abs. 1 EStG (169.280 €) verrechenbar, so dass letztlich noch 27.814 € an positiven Kapitalerträgen verblieben. Die laufenden Kapitaleinkünfte nach § 20 Abs. 2 EStG seien in vollem Umfang mit dem Verlustvortrag nach § 23 EStG verrechenbar. Dieser Verlustvortrag müsse also statt mit 95.318 € mit 205.948 € berücksichtigt werden. Der Abgeltungsteuer seien danach nur 27.814 € zu unterwerfen. Die Regelung des § 43 a Abs. 3 Satz 2 EStG, wonach auf Ebene der...