Entscheidungsstichwort (Thema)

Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen – Zwangsläufigkeit der Aufwendungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Kosten eines Zivilprozesses entstehen aus rechtlichen Gründen zwangsläufig und sind daher als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat, sondern die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (Anschluss an BFH-Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015).

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1

 

Streitjahr(e)

2010

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.04.2016; Aktenzeichen VI R 38/15)

BFH (Urteil vom 14.04.2016; Aktenzeichen VI R 38/15)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Zivilprozesskosten für Gerichtsprozesse im Zusammenhang mit einem früheren Mietverhältnis des Klägers als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.

Der Kläger hat keine Kinder und wird im Streitjahr einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Seit dem Jahr 2001 war er Mieter einer in A gelegenen Wohnung. Die Vermietung dieser Wohnung fand – ohne dass der Kläger hiervon wusste – baurechtlich illegal statt, da eine Baugenehmigung lediglich für eine landwirtschaftliche Betriebsleiterwohnung erteilt worden war.

Zum 31.10.2005 erklärten die Vermieter die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs für ihren Sohn und setzten diese Kündigung im Wege der Räumungsklage vor dem Amtsgericht B durch. Mit Ordnungsverfügung vom 30.06.2006 war dem Kläger, der zunächst nicht aus der Wohnung ausgezogen war, zudem unter Bezugnahme auf die baurechtliche Illegalität die Nutzung der Wohnung durch die Stadt B untersagt worden. Eine letzte Räumungsfrist wurde dem Kläger durch die Stadt zum 31.05.2007 gesetzt. Am 04.05.2007 zog der Kläger aufgrund einer Zwangsräumung durch die Vermieter in eine andere Wohnung um.

Die ehemaligen Vermieter nahmen den Kläger vor dem Amtsgericht B (… ) auf Miet- bzw. Entschädigungszahlungen für die Monate Juli 2006 bis März 2007 i.H.v. 5.751,99 Euro in Anspruch, da der Kläger nach Ergehen der Nutzungsuntersagung im Juni 2006 keine Mietzahlungen mehr geleistet hatte. Der Kläger machte in diesem Verfahren eine vollständige Mietminderung aufgrund der baurechtlichen Illegalität der Wohnung geltend. Hilfsweise erklärte er die Aufrechnung mit Gegenansprüchen i.H.v. 11.517,45 Euro, da er infolge der Kündigung kurzfristig adäquaten Wohnraum habe anmieten müssen und ihm hieraus ein entsprechender Schaden entstanden sei. Das Amtsgericht B gab der Klage der Vermieter mit Urteil vom 31.05.2007 vollumfänglich statt.

Gegen das Urteil legte der Kläger Berufung bei dem Landgericht B (…) ein und erklärte am 27.06.2007 die Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung durch die Vermieter. Im Berufungsverfahren erklärte er zudem die Aufrechnung eines eigenen Anspruchs auf Mietrückzahlung mit der klägerischen Forderung auf Nutzungsentschädigung. Hilfsweise erklärte er die Aufrechnung mit Ansprüchen auf Ersatz des Vertrauensschadens infolge der Anfechtung des Mietvertrages sowie auf Ersatz von Kosten früherer Rechtsstreitigkeiten, die er in Bezug auf das Mietverhältnis geführt und verloren hatte. Mit Urteil vom 29.07.2009 reduzierte das Landgericht den von dem Kläger zu zahlenden Betrag auf 1.888,62 Euro. Das Gericht erkannte, dass den ehemaligen Vermietern ein Zahlungsanspruch – allerdings nur bis Februar 2007 – zustehe, da der Kläger nach der zulässigen und erfolgreichen Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung Wertersatz gemäß §§ 812, 987 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in Höhe der ortsüblichen Miete zu leisten gehabt habe. Weiter führte das Gericht aus, dass dem Kläger dem Grunde nach ein aufrechenbarer Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens gemäß § 280 Abs. 1 BGB infolge der Anfechtung des Mietvertrages zustehe. Von den diesbezüglich geltend gemachten Schadenspositionen (7.826 Euro) erkannte das Landgericht einen Teilbetrag i.H.v. 3.224,26 Euro zugunsten des Klägers an.

Gegen das Urteil legte der Kläger bei dem Bundesgerichtshof (BGH) Nichtzulassungsbeschwerde (VIII ZR 240/09) ein. Mit Beschluss vom 22.06.2010 wies der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde ohne weitere Begründung zurück.

Im Streitjahr 2010 leistete der Kläger im Zusammenhang mit diesem Prozess Kosten i.H.v. insgesamt 8.188,48 Euro. Hierbei handelte es sich um Kosten für das amtsgerichtliche Verfahren (2.634,39 Euro), das Berufungsverfahren (2.785,81 Euro) und das Beschwerdeverfahren vor dem BGH (2.768,28 Euro).

Zudem betreibt der Kläger gegen seine ehemaligen Vermieter ein derzeit noch anhängiges Klageverfahren vor dem Amtsgericht B (… ) auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 113.360,55 Euro. Zur Begründung seiner Klageforderung machte er geltend, er sei – wie das Landgericht B im Verfahren … festgestellt habe – bei Abschluss des Mietvertrages über die baurechtliche Legalität des Objekts getäuscht worde...

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