Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung einer vor dem 1.1.2005 abgeschlossenen Lebensversicherung: Einkünfteerzielungsabsicht bei Altverträgen, Überführung verlustbringender Kapitalanlagen von der Vermögens- in die steuerlich relevante Einkünftesphäre
Leitsatz (redaktionell)
- Der durch eine Veräußerung vor Ablauf der 12-jährigen Laufzeit entstandene Verlust aus einer im Jahr 1999 abgeschlossenen fondgebundenen Lebensversicherung kann nach Einführung der Abgeltungssteuer nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG i. V. m. § 52 a Abs. 10 Satz 5 EStG berücksichtigt werden, wenn die Absicht, mit dieser Kapitalanlage steuerpflichtige Kapitaleinkünfte zu erzielen, weder bei Abschluss des Versicherungsvertrags im Jahr 1999 noch zum Zeitpunkt der Veräußerung der Versicherungsansprüche im Jahr 2009 bestanden hat (entgegen Urteil des FG Nürnberg vom 11.02.2014 1 K 1465/13, EFG 2014, 1671).
- Aus der Sicht des Abschlusszeitpunkts sollten steuerliche zu erfassende Einkünfte aus Kapitalvermögen durch die gewählte Gestaltung gerade vermieden werden, da die Erträge nach Ablauf der Versicherungsdauer ebenso wie im Versicherungsfall nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 und Satz 5 EStG a.F. nicht steuerbar waren.
- Zum Zeitpunkt der Veräußerung der Versicherungsansprüche stand demgegenüber im Streitfall bereits fest, dass die Erzielung eines positiven Ertrages durch den Verkauf der Ansprüche aus der fondgebundenen Lebensversicherung von vornherein ausgeschlossen war, weil die Summe der Versicherungsbeiträge den Wert der Investmentfondanteile weit überstieg.
- Eine verlustbringende Kapitalanlage aus Altverträgen wird durch den Verkauf der Ansprüche nicht allein deshalb von der Vermögens- in die steuerlich relevante Einkünftesphäre des § 20 EStG überführt, weil mit der Einführung der Abgeltungssteuer ab dem 01.01.2009 auch ein negativer Betrag ein „Gewinn” im Sinne des§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG sein kann.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 6, § 52 a Abs. 10 S. 5; EStG a.F. § 20 Abs. 1 Nr. 6
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Verlust in Höhe von ./. 46.198 EUR aus der Veräußerung von Ansprüchen aus einer Lebensversicherung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG i. V. m. § 52 a Abs. 10 Satz 5 EStG) zu berücksichtigen ist.
Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte u.a. als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Klägerin erzielte im Streitjahr (geringe) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen.
Der Kläger schloss vom 01.09.1999 bis zum 01.09.2011 als Versicherungsnehmer bei der A AG eine fondsgebundene Lebensversicherung (Vertragsnummer ...) ab. Versicherte Person war die Klägerin. Nach Angaben der Kläger war die Beitragszahlung (3.706,60 DM pro Monat) auf 60 Monate beschränkt. Die Versicherungssumme im Todesfall betrug ausweislich des Versicherungsscheins 320.250 DM (= 163.741,22 EUR). Im Erlebensfall sollte nach Ablauf der Versicherungsdauer zum 01.09.2011 der Wert der gutgeschriebenen Anteilseinheiten der einzelnen Fonds (sogn. Deckungskapital) in DM/EUR oder Wertpapieren fällig sein.
Zum 28.02.2009 betrug der Wert des Deckungskapitals 67.517,92 EUR. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger Beiträge in Höhe von 113.715,60 EUR (60 Monate x 3.706,30 DM = 222.396 DM) an A geleistet.
Mit schriftlichem Vertrag vom 01.03.2009, auf dessen weiteren Inhalt Bezug genommen wird (vgl. Einkommensteuerakte), verkaufte der Kläger seine Ansprüche aus der Lebensversicherung an die Klägerin zu einem Kaufpreis von 67.517,92 EUR.
In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2009 (Eingang beim Finanzamt am 30.12.2010) machte der Kläger in der Anlage KAP, Zeile 23, den bei der Veräußerung der Lebensversicherung erlittenen Verlust in Höhe von ./. 46.198 EUR (= 113.715,- EUR minus 67.517,- EUR) als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen geltend. Hierzu wurde erläutert, dass dieser Verlust unter die Regelung des § 32 d Abs. 2 und 6 EStG falle und mit allen anderen positiven Einkünften verrechenbar sei. Die Lebensversicherung sei vor 2004 abgeschlossen und im Zeitpunkt des Verkaufs steuerschädlich verwendet worden.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 14.02.2011 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer auf 202.824 EUR fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der Verlust aus der Veräußerung der Lebensversicherung an die Ehefrau wurden wegen Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 AO nicht anerkannt.
Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein. Sie führten aus: Der Kläger habe sich aufgrund der Wirtschaftskrise und den damit einhergehenden dramatischen Wertverlusten bei Wertpapieren aller Art entschlossen, die Versicherung zu kündigen und so den Verlust in der bis dahin erlitten Höhe zu begrenzen. Der Kläger habe seine Ehefrau, die im Jahr 2007 an Krebs ...