Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Änderung von Zuordnungen sowie Zurechnung und Erkennbarkeit i.S. von § 174 Abs. 3 AO
Leitsatz (redaktionell)
- Wird durch ein finanzgerichtliches Urteil festgestellt, dass im Rahmen einer doppelten Betriebsaufspaltung (Besitz-GbR, Produktions-KG, Vertriebs-GmbH) ein Grundstück zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen der Besitz-GbR und nicht der beteiligungsidentischen Produktions-KG gehört, der die Gesellschafter es zugeordnet hatten, so können die Mieterlöse nachträglich im Wege der Änderung nach § 174 Abs. 3 AO in der Gewinnfeststellung für die GbR erfasst werden.
- Die auf der falschen Zuordnung beruhende bisherige Nichtberücksichtigung der Mieterlöse bei der GbR ist deren Gesellschaftern aufgrund ihrer Personenidentität mit den Beteiligten der KG i.S.d. § 174 Abs. 3 AO erkennbar.
- An einem erkennbaren Bezug zu der Besitz-GbR fehlt es hingegen, wenn Zinserlöse aus der Vertriebs-GmbH gewährten Darlehen zunächst im Rahmen der Einkommensteuer als Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärt und diese Darlehen sodann von der Finanzbehörde unzutreffender Weise dem notwendigen Sonderbetriebsvermögen II bei der KG zugeordnet werden.
- Der Erlass entsprechender erstmaliger Feststellungsbescheide ist nur zulässig bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist derjenigen Steuer, bei der der Sachverhalt nach der zunächst geäußerten Auffassung hätte berücksichtigt werden sollen. Auf die für die nachzuholende Steuerfestsetzung geltende Frist kommt es nicht an.
- Die Änderung nach § 174 Abs. 3 Satz 1 AO kann auch vor Rechtskraft des die zutreffende Zuordnung beinhaltenden Urteils erfolgen.
- Im Unterschied hierzu ist eine „nachträgliche” Änderung wegen irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhaltes aufgrund Urteils i.S.d. § 174 Abs. 4 AO erst nach der Rechtskraft der Entscheidung zulässig, da erst zu diesem Zeitpunkt eine rechtsgestaltende Änderung des ursprünglichen Bescheides durch das Gericht erfolgt ist.
- Die Verjährungshemmungswirkung für die noch nachzuholenden Gewinnfeststellungen kann nicht wegen der Anknüpfung des Gewerbeertrages an die festgestellten gewerblichen Einkünfte auch auf die Gewerbesteuer erstreckt werden.
- Die Besitz-GbR ist als Subjekt der Gewerbesteuer nicht als Dritte i.S.d. § 174 Abs. 5 AO an einem zur Änderung fehlerhafter Gewinnfeststellungsbescheide für die Produktions-KG führenden Verfahren beteiligt.
Normenkette
AO § 171 Abs. 3a, 10, § 174 Abs. 3-5, § 181 Abs. 1; EStG § 15 Abs. 2 Nr. 1; GewStG §§ 7, 35b Abs. 1 S. 1
Streitjahr(e)
1995, 1996
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob Mieterlöse einer Grundstücks-GbR aufgrund von Änderungsvorschriften der Abgabenordnung (AO) noch bei den gewerblichen Einkünften der GbR erfasst werden konnten und ob bei den gewerblichen Einkünften der GbR auch Zinseinkünfte aus Darlehen zu erfassen sind, die die Gesellschafter im Rahmen einer Betriebsaufspaltung einer Vertriebs-GmbH gewährt haben.
Die seit dem Jahr…tätige…GmbH Co. KG (im Folgenden KG) stellt in ihrem Unternehmen Textilprodukte (...) her. Kapitalmäßig beteiligt an der KG waren die T-GmbH als Komplementärin mit einem Stammkapital von 20.000 DM sowie als Kommanditisten Herr D.S. mit 400.000 DM, Frau N. S. mit 360.000 DM sowie Frau E. S. und Frau F. Z. mit jeweils 120.000 DM. Nach dem Tod von N. S. am 27.07.1994 ging ihr Gesellschaftsanteil zu je 1/3 auf ihre Kinder - die übrigen drei Kommanditisten - über, die nunmehr zu 520.000 DM (D. S., Beigeladener zu 1.) sowie jeweils 240.000 DM (E. S. und F. Z., Beigeladene zu 2. und 3.) an der KG beteiligt waren.
Zuvor, im Jahr 1992, gründeten die Kommanditisten der Klägerin die V-GmbH, an der sie im Verhältnis ihrer KG-Gewinnbeteiligung (52 % - 24 % - 24 %) beteiligt waren. Unternehmensgegenstand der V-GmbH (im Folgenden Vertriebs-GmbH) war der Vertrieb der Erzeugnisse der KG sowie in geringem Umfang auch der Vertrieb von Fremdprodukten. Geschäftsführer war u. a. der Beigeladene zu 1.. Die Betriebsstätte der Komplementärin, der KG sowie auch der Vertriebs-GmbH befindet sich auf dem Grundstück X- Str. 1 in X-Stadt. Dieses Grundstück steht seit dem 01.01.1983 im Eigentum der Klägerin, einer Grundstücksverwaltungs-GbR. Gesellschafter der Klägerin sind die Kommanditisten der KG. Das Beteiligungsverhältnis entspricht dem Verhältnis der Kommanditeinlagen. Das Grundstück wird sowohl der KG als auch der Vertriebs-GmbH gegen Entgelt zur Nutzung überlassen. Hinsichtlich der Vertriebs-GmbH erfolgte die Zahlung einer Miete nach Aktenlage erst aufgrund eines im Jahr 1996 mit Wirkung vom Januar 1996 mit der GbR geschlossenen Mietvertrages.
In den Bilanzen der KG trafen die Prozessbevollmächtigten der KG die Feststellung, dass das Grundstück nach steuerrechtlichen Vorschriften zum notwendigen Betriebsvermögen der Gesellschaft gehöre. Die Mieterlöse der Klägerin (1995: 474.914 DM, 1996: 524.720 DM, 1997: 538.368 DM) wurden als Einnahmen im Sonderbetriebsvermögen bei der Gewinnfeststellung der KG erklärt u...