Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensteuerhinterziehung auch nach BVerfG 22.6.1995 2BvL 37/91 (Verfassungswidrigkeit des VStG) möglich
Leitsatz (redaktionell)
- Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen auf vor dem 01.01.1997 hinterzogene Vermögensteuer ist trotz der Verfassungswidrigkeit des VStG rechtmäßig.
- Der Wert beschlagnahmter Vermögenswerte ist bei der Berechnung des zu verzinsenden Steuerbetrags nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
AO § 224 Abs. 2, §§ 235, 324 Abs. 1 S. 1, § 327
Nachgehend
Tatbestand
Mit Bescheid vom 23.10.1984 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin Zinsen im Gesamtbetrag von 862.803,- DM wegen der Hinterziehung von Umsatz-, Einkommen- und Vermögensteuern fest.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 19.11.1984 Einspruch. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens änderte das Finanzamt den Bescheid und setzte die Zinsen auf insgesamt 448.049,- DM herab (Bescheid vom 9.3.1989). Hiervon setzte das Finanzamt wegen der weiterhin streitigen Bemessungsgrundlagen 31.112,- DM von der Vollziehung aus. Im Übrigen ließ es das Einspruchsverfahren im Einvernehmen mit der Klägerin ruhen, weil diese gegen die der Zinsfestsetzung zu Grunde liegenden Steuerbescheide Klage erhoben hatte.
Der Streit ging im Wesentlichen darum, ob der Klägerin die für die Jahre 1977 bis 1982 festgestellten verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) jeweils in voller Höhe oder nur anteilmäßig zuzurechnen waren. Über diese Fragen kam es am 25.4.1991 anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht Düsseldorf AZ: 11 K 167/88 E zu einer Verständigung. Die Beteiligten gingen nunmehr einvernehmlich davon aus, dass der Klägerin die für die Jahre 1977 und 1978 festgestellten Gewinne nur noch zu 50 v. H. und die für die Jahre 1979 bis 1982 ermittelten vGA nur zu drei Fünfteln zuzurechnen seien.
Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung in dieser Sache erklärte sich die Klägerin damit einverstanden, dass die (durch die Herabsetzung) freiwerdenden Sicherheiten "den noch endgültig zu klärenden Hinterziehungszinsen dienen". Weiter heißt es:
"Der Beklagte verpflichtet sich, neue Hinterziehungsbescheide entsprechend seiner obigen Zusage zu erlassen. Hierauf erklärt die Klägerin die Rücknahme der Einsprüche gegen die Hinterziehungszinsbescheide". Im Übrigen erklärten die Beteiligten in beiden Verfahren, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen waren, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Im Anschluss hieran änderte das Finanzamt den Bescheid über die Festsetzung der Hinterziehungszinsen entsprechend und setzte die Zinsen mit Bescheid vom 12.9.1991 auf 407.035,- DM herab. Der Zinslauf für die darin im Einzelnen berechneten Zinsbeträge endete spätestens am 8.11.1983. Die im Änderungsbescheid enthaltenen Hinterziehungszinsen zur Vermögensteuer für die Jahre 1972 bis 1982 sowie IV/1983 belaufen sich auf 10.010,- DM.
Gegen den geänderten Hinterziehungsbescheid legte die Klägerin am 19.9.1991 Einspruch ein, mit dem sie sich gegen die Höhe der Hinterziehungszinsen wandte. Sie führte aus, das Finanzamt habe bei der Verhaftung der Klägerin erhebliche Vermögenswerte in Geld oder Geldeswert beschlagnahmt. Aus diesem Grund sei davon auszugehen, dass sie auf die jetzt festgesetzten Steuern mindestens seit August 1982 entsprechende Vorauszahlungen geleistet habe. Dementsprechend seien Hinterziehungszinsen nicht gerechtfertigt. In dem Bescheid sei außerdem nicht berücksichtigt, dass für ausgesetzte Steuern Hinterziehungszinsen nicht erhoben werden dürften.
Demgegenüber vertrat das Finanzamt den Standpunkt, der geänderte Hinterziehungsbescheid entspreche der bei der mündlichen Verhandlung zugesagten Änderung und könne nicht noch weiter herabgesetzt oder gar aufgehoben werden. Da die Klägerin ihren Einspruch gegen den ursprünglichen Bescheid zurückgenommen habe, sei dieser bestandskräftig geworden. Der Änderungsbescheid habe demzufolge einen unanfechtbaren Bescheid zugunsten der Klägerin geändert und könne wegen der Anfechtungsbeschränkung des § 351 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) nicht weiter korrigiert werden. Es verwarf den Einspruch vom 19.9.1991 mit Einspruchsentscheidung vom 28.11.1991 als unzulässig.
Über die hiergegen erhobene Klage (AZ: 18 K 8284/91 AO) wurde mit Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 26.1.1996 entschieden. Das Gericht wertete die in der mündlichen Verhandlung im Verfahren 11 K 167/88 E erteilte Zusage als einen Anspruch der Klägerin auf eine umfassende Neubescheidung mit der Konsequenz, dass gegen den diese Zusage umsetzenden Änderungsbescheid ohne Beschränkung durch § 351 Abs. 1 AO Einspruch eingelegt werden könne. Es hob die Einspruchsentscheidung vom 28.11.1991 auf und verpflichtete das Finanzamt, über den Einspruch vom 19.9.1991 gegen den Bescheid vom 12.9.1991 über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen neu zu bescheiden und dabei die von der Klägerin zusätzlich vorgebrachten Einwendungen über die Leistung von Vorauszahlungen s...