Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Restschuldbefreiung bei Steuerhinterziehung

 

Leitsatz (amtlich)

Steuerforderungen sind auch dann keine Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung im Sinne von § 302 Nr. 1 InsO, wenn eine Steuerhinterziehung gemäß § 320 AO vorliegt.

 

Normenkette

AO § 251 Abs. 3; InsO § 302

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.08.2008; Aktenzeichen VII R 6/07)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Feststellungsbescheides gem. § 251 Abs. 3 Abgabenordnung (AO).

Mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden vom 31.03.2002 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger für das Jahr 1996 Umsatzsteuer und Gewerbesteuer nebst Zinsen gem. § 233a AO in Höhe von insgesamt 268.557,19 EUR fest (Vollstreckungsakte - VA - II Bl. 103, 106). Mit am 18.06.2002 rechtskräftig gewordenem Strafbefehl wurde der Kläger aufgrund von Verkürzung von Umsatzsteuer für 1996 in Höhe von 47.222,05 DM, Gewerbesteuer für 1996 in Höhe von 13.630 DM und Einkommensteuer in Höhe von 32.412 DM (insgesamt 93.264,05 DM = 47.685,15 EUR) wegen Steuerhinterziehung gem. § 370 AO verurteilt (VA II Bl. 148). Am 15.08.2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet (vgl. VA II Bl. 89). Der Beklagte meldete mit Schreiben vom 21.09.2005 - neben weiteren Steuerforderungen - die vorerwähnten Umsatz- und Gewerbesteuerforderungen nebst Zinsen in Höhe von 268.557,19 EUR, zzgl. Säumniszuschlägen, d.h. in Höhe von 355.517 EUR zur Tabelle an (VA II Bl. 98ff), und zwar unter Bezugnahme auf den Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung als Deliktsforderungen im Sinne von § 302 Insolvenzordnung (InsO). Der Insolvenzverwalter widersprach dem insoweit, als die angemeldete Forderung über einen Betrag von 312.037,19 EUR hinausging (vgl. Insolvenztabelle, Insolvenzakte AG Hamburg 67a IN 326/05 Bl. 95). Im Prüfungstermin stellte der Insolvenzverwalter fest, dass der Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat, und widersprach der Kläger der Einordnung der angemeldeten Forderungen als Deliktsforderungen (Insolvenzakte Bl. 90f). Seine Einwendungen hielt der Kläger auch in einem anschließenden Schriftwechsel mit dem Beklagten aufrecht und forderte den Beklagten auf, das angekündigte Feststellungsverfahren gem. § 251 Abs. 3 AO nicht weiter zu verfolgen (VA II Bl. 129ff, 132).

Nach Teilerlass der Säumniszuschläge erließ der Beklagte unter dem 17.03.2006 einen Feststellungsbescheid, in dem er die Steuerforderungen in Höhe von 268.557,19 EUR zzgl. Säumniszuschläge in Höhe von 43.480 EUR, insgesamt 312.037,19 EUR, gem. § 251 Abs. 3 AO i.V.m. § 184 InsO als Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung i.S.v. § 302 InsO feststellte (VA II Bl. 138).

Hiergegen legte der Kläger am 06.04.2006 Einspruch ein, mit dem er sich weiter gegen die Qualifikation der geltend gemachten Forderungen als solche aus unerlaubter Handlung wendete und zudem auf die geringeren Beträge des Strafbefehls hinwies.

Mit Einspruchsentscheidung vom 03.05.2006 änderte der Beklagte den Feststellungsbescheid dahingehend, dass nunmehr nur noch Forderungen in Höhe von 47.685,15 EUR, und zwar Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und Einkommensteuer 1996 jeweils in der sich aus dem Strafbefehl ergebenden Höhe als Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung gem. § 302 Nr. 1 InsO festgestellt wurden. Im Übrigen wies er den Einspruch als unbegründet zurück. Für die Qualifizierung der Forderungen stützte er sich auf den Beschluss des AG Siegen vom 24.09.2002, 25 IN 203/01. Eine Auslegung des § 320 InsO ergebe, dass sich der Begriff der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht nur auf die §§ 823ff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) beziehe.

Hierauf hat der Kläger am 30.05.2006 Klage erhoben.

Der Kläger trägt vor: Es fehle schon eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des Feststellungsbescheides. Diese ergebe sich insbesondere nicht aus § 251 Abs. 3 AO. Die Feststellung ermögliche dem Gläubiger die Teilnahme an dem insolvenzrechtlichen Verteilungsverfahren. Im Falle des Bestreitens der Forderung durch den Schuldner bestehe die Bedeutung der Vorschrift allein darin, dem Gläubiger die Möglichkeit der Vollstreckung aus der Tabelle nach Beendigung des Insolvenzverfahrens zu ermöglichen. Im Streitfall sei die Feststellung zur Tabelle jedoch unstreitig erfolgt. Sei der als Insolvenzforderung angemeldete Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis selbst unstreitig, berechtige § 251 Abs. 3 AO nicht zur Feststellung allein ihrer Eigenschaft als Forderung aus unerlaubter Handlung mit den Rechtswirkungen des § 302 Nr. 1 InsO. Streitigkeiten hierüber seien in einem regulären Feststellungsprozess außerhalb des insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahrens zu klären. Hätte der Gesetzgeber nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung einen gegenüber der Zeit der Geltung der Konkursordnung erweiterten Anwendungsbereich des § 251 Abs. 3 AO gewollt, so hätte er nach Auffassung des Klägers dies positiv geregelt und angesichts der Tragweite regeln müss...

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