Entscheidungsstichwort (Thema)
Taxigewerbe: Schätzung und Benennungsverlangen
Leitsatz (amtlich)
Die Gutachten des Sachverständigenbüros Linne + Krause über die wirtschaftliche Lage des Hamburger Taxigewerbes sind geeignete Schätzungsgrundlagen.
Ein Empfängerbenennungsverlangen für hinzugeschätzte Personalkosten und Reparaturen ist in der Regel gerechtfertigt.
Eine geringere Progression der Zahlungsempfänger ist im Rahmen von § 160 AO in der Regel nur zu berücksichtigen, wenn sie feststeht.
Bei der Ermessensentscheidung über die Versagung des Betriebsausgabenabzugs bei Nichtbenennung (§ 160 AO) kann neben dem Steuerausfall ergänzend auch der Gedanke des Ausfalls von Sozialabgaben bzw. eines Sozialleistungsbetrugs durch die Empfänger berücksichtigt werden.
Normenkette
AO § 160 Abs. 1 S. 1, § 162 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2, § 158; FGO § 96 Abs. 1 S. 1 Hs. 2; Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 3; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3, § 40 a Abs. 1-2, 2 a, 6
Nachgehend
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten bei einer im Anschluss an eine Betriebsprüfung im Taxigewerbe des Klägers vorgenommenen Hinzuschätzung von Umsätzen über die Schätzungsbefugnis dem Grunde nach, die Verwertbarkeit und Plausibilität eines Gutachtens als Grundlage für die Schätzung, einzelne Schätzungsparameter sowie die Berechtigung eines Empfängerbenennungsverlangens für entsprechend hinzuzuschätzende Betriebsausgaben.
I.
Die Kläger sind zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger betreibt ein Taxiunternehmen mit in den Streitjahren fünf Konzessionen und Fahrzeugen, die teils von ihm selbst, teils von angestellten Fahrern gefahren werden, von denen zwei seine Brüder sind. Der Kläger ermittelt seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung und versteuert seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten.
Drei der Taxen wurden in den Streitjahren ohne Funk, zwei mit Funk betrieben, hiervon eines bei der Funkzentrale "A" und eines bei der Funkzentrale "B" (Finanzgerichtsakte - FG-A - Bl. 76, 79). In den Jahren 2005 und 2006 war ein Fahrzeug jeweils zwei Monate von der Betriebspflicht befreit, so dass sich für diese Jahre rechnerisch jeweils 4,83 Fahrzeuge ergeben (FG-A Bl. 73).
Die Kläger erklärten in ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2004 bis 2006 für den Gewerbebetrieb des Ehemannes folgende Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben und Gewinne:
Beträge in € |
2004 |
2005 |
2006 |
Betriebseinnahmen insgesamt |
137.973,28 |
135.539,42 |
154.688,75 |
davon Umsatzerlöse |
120.476,95 |
117.813,17 |
121.624,19 |
Betriebsausgaben insgesamt |
123.322,65 |
116.110,93 |
133.722,53 |
davon Personalkosten |
44.437,32 |
42.890,68 |
49.390,84 |
davon Kraftstoffe |
14.133,21 |
15.794,65 |
15.608,41 |
davon Reparaturen |
9.661,17 |
5.399,05 |
4.607,94 |
Gewinn |
14.650,63 |
19.428,49 |
20.966,22 |
Die Kläger wurden erklärungsgemäß veranlagt. Die Einkommensteuerbescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Aufgrund der persönlichen Verhältnisse, insbesondere der Einkommenslosigkeit der Klägerin, wurde die Einkommensteuer jeweils auf 0 € festgesetzt. Gewerbesteuermessbescheide wurden nicht erlassen, weil die Freibeträge nicht überschritten waren. Umsatzsteuererklärungen galten als Bescheide unter Vorbehalt der Nachprüfung; in 2004 und 2006, wo sich ein Erstattungsanspruch ergab, wurde der Erklärung zugestimmt.
Schichtzettel bewahrt der Kläger erst seit 2007 auf. In den Streitjahren gab er die Tageseinnahmen lediglich in seinen Computer ein; in dieser Weise zeichnete er die Tageseinnahmen in den Jahren 2004 und 2005 (nur) für alle Taxen insgesamt auf, seit 2006 getrennt für die einzelnen Taxen (FG-A Bl. 72, 73). TÜV-Berichte und Werkstattrechnungen hat der Kläger überwiegend ebenfalls nicht aufbewahrt (FG-A Bl. 71, Betriebsprüfungs-Arbeitsakten - Bp-AA - Bl. 81). Er hat teilweise Reparaturen bei Werkstätten vornehmen lassen ohne Rechnung, obwohl man dort eine Rechnung hätte bekommen können, weil es ohne Rechnung billiger war (FGA Bl. 71).
In den Monaten September bis Dezember 2004 weisen die Computeraufzeichnungen des Klägers mehrfach an mehreren Tagen centgenau gleiche Tageseinnahmen aus (Bp-AA Bl. 53).
Bei einer Auswertung von (durch die Betriebsprüfung angeforderten) Hauptuntersuchungsberichten ("TÜV" o. ä.) auf die darin angegebenen Kilometerzählerstände ergeben sich für einen Teil der Fahrzeuge für bestimmte Zeiten auffallend niedrige Jahreslaufleistungen, einmal sogar eine "negative" Laufleistung (späterer km-Stand niedriger als früherer) (im Einzelnen: Bp-AA Bl. 135: bei einem Durchschnitt von rund 55.000 km pro Jahr und Taxe u. a. zweimal unter 20.000 km pro Jahr, einmal 3.411 km pro Jahr und einmal minus 3.517 km pro Jahr).
Im vierten Quartal 2006 standen einzelne Taxen des Klägers gemäß seinen Computeraufzeichnungen an umsatzfreien Tagen am Flughafen (Bp-AA Bl. 61-67).
Eine vom Betriebsprüfer erstellte Geldverkehrsrechnung ergibt für die Streitjahre ein verfügbares Jahreseinkommen zwischen 31 T€ und 38 T€ für...