Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für behinderungsbedingte Unterbringung in betreuter Wohngemeinschaft als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
Aufwendungen für die behinderungsbedingte Unterbringung in einer betreuten Wohngemeinschaft sind als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Behinderte können dabei zwischen dem Pauschbetrag gemäß § 33b EStG und dem konkreten Einzelnachweis gemäß § 33 EStG wählen.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1, § 33b Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen des Klägers für die Unterbringung in einer betreuten Wohngemeinschaft der Einrichtung X als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.
Der 1949 geborene Kläger ist seit seiner Geburt körperlich und mental behindert. Ihm ist vom Versorgungsamt ein Grad der Behinderung von 60 bescheinigt worden. Seine Defizite sind augenfällig, er ist jedoch nicht hilflos (Merkzeichen "H") oder pflegebedürftig im Sinne von § 15 SGB XI.
Der Kläger lebt seit 1987 oder 1991 in einer betreuten Wohngruppe - Wohneinrichtung Y-Straße -, die der vollstationären Unterbringung volljähriger Menschen mit Behinderungen dient und ein Heim im Sinne des § 1 HeimG ist. Aufgenommen werden Menschen mit geistiger und mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Das Heim ist mit 12,75 Stellen ausgestattet. Neben dem Leiter, einem Diplom-Sozialpädagogen, gehören dazu u.a. 7,33 Erzieher bzw. Heilerzieher/innen, 1,6 Mitarbeiter im Betreuungsdienst, 0,93 Hauswirtschaftskraft und 1 Reinigungskraft.
Der Leistungsplan des Heimes bietet direkte und indirekte Leistungen, deren Zielsetzung in Anlehnung an die §§ 39, 40 BSHG bestimmt ist. Die Kosten werden als Eingliederungshilfe gem. § 39 BSHG vom Landessozialamt getragen. Das Betreuungsgeld betrug im Streitjahr entsprechend der Pflegesatzvereinbarung zwischen Sozialamt und dem Träger des Heimes, der Einrichtung X GmbH (ohne zusätzlichen Barbetrag und Taschengeld für die Bewohner) monatlich 4.781,90 DM. Zu den Einzelheiten wird auf die Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 93 Abs. 2 BSHG verwiesen. Der Heimträger erstellt über den Kläger regelmäßig mehrseitige Folgeberichte für das Landesamt für Rehabilitation. Die Notwendigkeit der Betreuung des Klägers in der Wohngruppe Y-Straße ist durch - undatiertes - ärztliches Zeugnis bescheinigt.
Während alle anderen Mitbewohner in einer beschützenden Werkstatt tätig sind, ist der Kläger seit etwa 30 Jahren bei Fa. A als Abpacker beschäftigt. Seine Aufgaben bestehen darin, Gegenstände aus- oder aufzupacken, wegzubringen, Hilfe zu leisten oder Post im Betrieb zu befördern. Nachdem der Kläger zunächst zwanzig Jahre in Vollzeit gearbeitet hatte, wurde seine Arbeitszeit vor ca. zehn Jahren infolge ärztlichen Verlangens auf halbschichtige Tätigkeit reduziert.
Der Nettoarbeitslohn des Klägers wird vom Sozialamt gem. § 14 BSHG vollständig zur Bezahlung der Heimkosten eingesetzt; im Streitjahr waren dies 11.792,55 DM. Darüber hinaus hat das Sozialamt eine seit 1. Oktober 1995 bezogene Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers - im Streitjahr 17.389 DM - auf sich übergeleitet. Der Kläger erhält andererseits - wie die anderen Mitbewohner auch - vom Heimträger ein Taschengeld und einen zusätzlichen Barbetrag von monatlich 225,75 DM (= 2.709 DM im Jahr).
Im Einkommensteuerbescheid für 1997 vom 15. Januar 1999 berücksichtigte der Beklagte u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von 20.656 DM und sonstige Einkünfte - Ertragsanteil der Erwerbsunfähigkeitsrente - von (34 % x 17.389 DM=) 5.912 DM sowie einen Behindertenpauschbetrag gem. § 33b Abs. 3 EStG von 1.410 DM. Bei einem zu versteuernden Einkommen von 19.662 DM ergab sich eine Einkommensteuer von 2.022 DM.
Mit Schreiben vom 26. Januar 1999 beantragte der Kläger, den Steuerbescheid dahin zu ändern, dass außergewöhnliche Belastungen von 17.182 DM berücksichtigt werden. Der Kläger errechnete diesen Betrag, indem er von der Summe des an das Landessozialamt überwiesenen Betrages - Netto-Arbeitslohn 11.792,55 DM zuzüglich Rente 17.389 DM = 29.181,55 DM - eine Haushaltsersparnis von 12.000 DM abzog.
Der Beklagte behandelte dieses Schreiben als Einspruch und forderte den Kläger auf, den Nachweis der Pflegebedürftigkeit durch einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "H" oder durch einen Bescheid über die Pflegestufe I bis III zu erbringen. Eine vom Landessozialamt unter dem 11. Februar 1999 erstellte "Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt", in der es heißt, dass der Kläger "die Voraussetzung gemäß § 14 SGB" erfülle und einen Teil der Heimkosten selbst trage, wurde nicht anerkannt, weil der Nachweis gem. R 188 Abs. 1 EStR durch eine Bescheinigung des Versicherers zu führen sei und eine genaue Angabe fehle, um welches Sozialgesetzbuch es sich handele. Mangels Nachweises der Pflegebedürftigkeit wurde der Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 27. April 2000 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die am 29. Mai 2000 beim Gericht eingegangene Klag...