Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine abweichende Steuerfestsetzung wegen sachlicher Unbilligkeit bei Entfallen der Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft durch unechte rückwirkende Änderung des zugrundeliegenden Gesetzes
Leitsatz (amtlich)
1. Die Frage, ob die unechte Rückwirkung der Neuregelung des § 8 Abs. 4 KStG 1996 durch das UntStRFoG gemäß der Übergangsvorschrift des § 54 Abs. 6 KStG 1996 i. d. F. des RVFinG verfassungsrechtlich zulässig und wie die Übergangsfrist ggf. zu bemessen ist, ist durch das BVerfG zu beurteilen und rechtfertigt keine abweichende Steuerfestsetzung wegen sachlicher Unbilligkeit für die Veranlagungszeiträume nach 1997.
2. Das auf eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gerichtete Begehren kann grundsätzlich ebenso wenig auf die Behauptung gestützt werden, es sei kein reiner Verlustmantel erworben worden.
3. Die Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft entfällt auch vor Geltung des § 2 Abs. 2 StAuskVO ab dem Zeitpunkt, in dem die Rechtsvorschriften, auf denen die Auskunft beruht, aufgehoben oder geändert werden, bei rückwirkender Gesetzesänderung auch rückwirkend.
4. Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft rechtfertigt deshalb nicht das Vertrauen darauf, das jeweilige Gesetz werde auch in Zukunft nicht geändert.
Normenkette
AO §§ 163, 207, 227; KStG 1996 § 8 Abs. 4, § 54 Abs. 6
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte verpflichtet ist, die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuermessbeträge für die Streitjahre aus Billigkeitsgründen abweichend festzusetzen.
Die am ... 1998 durch Verschmelzung erloschene A GmbH & Co. KG (im Folgenden: A KG) erwarb mit Vertrag vom ... 1996 rückwirkend zum 01.03.1996 von der B AG sämtliche Geschäftsanteile an der Klägerin, die seinerzeit noch als C ... GmbH (im Folgenden: C GmbH) firmierte.
Mit Schreiben vom 13.05.1996 (Anlage K 1, Finanzgerichtsakten -FGA- Anlagenband) beantragte die Klägerin beim Finanzamt für Körperschaften Hamburg-1 (im Folgenden: FA Kö-1) die Erteilung einer verbindlichen Auskunft. Sie teilte mit, dass geplant sei, ihren Geschäftsbetrieb gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auf eine noch zu gründende neue Gesellschaft zu übertragen. Anschließend solle das Stammkapital der Klägerin mittels einer Sacheinlage der A KG erhöht werden; die A KG solle ihren Beteiligungsbesitz in die Klägerin einbringen. Schließlich solle die A KG im Wege der Realteilung aufgelöst werden. Die Klägerin vertrat dabei die Auffassung, dass die zu ihren Gunsten bis dahin festgestellten steuerlichen Verlustvorträge bei dieser Umstrukturierung nicht gemäß § 8 Abs. 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) a. F. untergehen würden, weil der Geschäftsbetrieb nicht eingestellt und wieder aufgenommen, sondern fortgeführt würde.
Mit Bescheid vom 18.06.1996 (Anlage K 2, FGA Anlagenband) erteilte das FA Kö-1 die verbindliche Auskunft antragsgemäß und stellte hierin Folgendes fest:
"Die wirtschaftliche Identität im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz der C ... GmbH (C) wird bezüglich eines verbleibenden Verlustabzugs (§ 10d Abs. 3 Einkommensteuergesetz) infolge der Übertragung des gesamten Geschäftsbetriebs mit sämtlichen Beteiligungsgesellschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auf die (noch zu gründende) D ... GmbH (D GmbH) nicht verändert.
Die C bleibt zur Berücksichtigung der Verluste auch nach Übernahme des gesamten Beteiligungsbesitzes der A GmbH & Co. KG (A KG) - mit Ausnahme der Beteiligungen an der C selbst - mit allen Passiva im Wege der Sacheinlage sowie Änderung ihrer Firma in A GmbH berechtigt.
(...) Diese verbindliche Auskunft tritt außer Kraft, wenn eine Rechtsvorschrift, auf der die Auskunft beruht, aufgehoben oder geändert wird. Die Bindungswirkung erstreckt sich nicht auf die Höhe der Verlustvorträge."
Am ... 1996 übertrug die A KG sämtliche Anteile an der Klägerin auf die Konzernmuttergesellschaft E ... GmbH (im Folgenden: E GmbH). Am selben Tag wurde eine Kapitalerhöhung bei der Klägerin um ... DM im Wege der Sacheinlage (Einlage von Beteiligungen) beschlossen.
Die Klägerin brachte am ... 1996 sämtliche Aktiva und Passiva mit Ausnahme der durch die E GmbH eingebrachten Beteiligungen im Wege der Kapitalerhöhung durch Sacheinlage gegen Gewährung von Geschäftsanteilen in die mit Gesellschaftsvertrag vom ... 1996 von der Klägerin und der A KG gegründete D ... GmbH (im Folgenden: D GmbH) ein.
Die bis zum 11.11.1996 entstandenen körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Verlustvorträge der Klägerin wurden in den Steuer- und Verlustfeststellungsbescheiden für die Jahre 1996 bis 1999 jeweils abgezogen bzw. festgestellt. Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Der nunmehr zuständige Beklagte führte ab 2000 für die Jahre 1996 bis 1999 eine Außenprüfung bei der Klägerin durch und kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Klägerin ihre wirtsch...