Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Kindergeldanspruch eines für wenige Monate des Jahres in die Bundesrepublik Deutschland zur Arbeitsaufnahme bei einem Privatunternehmer einreisenden Arbeitnehmers
Leitsatz (amtlich)
§ 1 Abs. 2 S. 2 EStG i.V.m. §§ 63 Abs. 1 S. 3, 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG findet bei unbeschränkter Steuerpflicht im Wohnsitzstaat keine Anwendung. Dies gilt ungeachtet dessen, ob im Ergebnis tatsächlich eine Besteuerung erfolgt oder nicht stattfindet, weil die erzielten Einkünfte nach dem maßgeblichen ausländischen Recht oder der Anwendung des geltenden Doppelbesteuerungsabkommens im Ausland steuerbefreit sind, weil die Einkünfte nicht erklärt wurden oder das Ausland seinem Besteuerungsrecht nicht nachkommt oder weil eine Veranlagung wegen unterschrittener normierter Einkunftsgrenzen nicht stattfindet.
Art. 6 Grundgesetz gebietet es nicht, Kindergeld für im Ausland außerhalb des EU- bzw. EWR-Raumes lebende Kinder zu gewähren, wenn der im Inland kurzzeitig nichtselbständig tätige Vater seine Kinder nicht an den Ort der Beschäftigung mitnimmt, sondern an dem ausländischen Wohnsitz belässt.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 2, § 62 Abs. 1 Nr. 2 a, § 63 Abs. 1 S. 3
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Kindergeld für die Zeit ab Januar 2009.
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger, der mit seiner aus Venezuela stammenden Ehefrau, einer venezolanischen Staatsangehörigen, gegen Ende der 90-iger Jahre nach Venezuela gezogen war. Laut Melderegisterauskunft (Kindergeldakte - KA - Bl. 10f) war der Kläger bis zu seinem Auszug (Abmeldung nach Venezuela) im Februar 1998 unter der Anschrift X-Straße, Hamburg, gemeldet, danach unter derselben Anschrift vom 01.05.2000 bis 07.09.2008 und seit dem 07.09.2008 in der Y-Straße in Hamburg. Die Ehefrau des Klägers und seine im Jahre 2001 geborene Tochter leben in Venezuela. Seine Ehefrau geht dort ihrem Beruf als Architektin nach. Während des überwiegenden Teils des Jahres lebt auch der Kläger bei seiner Familie in Venezuela. Für einige Monate, vorzugsweise gegen Ende des Jahres, reist er jedoch in die Bundesrepublik Deutschland, jedenfalls seit 2008 auch, um hier als Taxifahrer Geld zu verdienen. So war er seit 01.11.2008 als geringfügig Beschäftigter eines Taxiunternehmens tätig (Arbeitgeberbescheinigung vom 02.06.2009 KA Bl. 5). Im Jahr 2009 war er vom 30.10. bis zum 31.12. versicherungspflichtig als Taxifahrer beschäftigt (Anlage K2, monatl. Bruttoeinkommen 830 €). In X-Straße bewohnte der Kläger bis zum Tod seiner Mutter im Jahre 2008 ein Zimmer in dem Einfamilienhaus der Mutter, in der Y-Straße ein Zimmer in der Wohnung eines Bekannten. Im November 2009 erwarb der Kläger eine Eigentumswohnung in Hamburg, die er nunmehr während seiner Aufenthalte in Deutschland bewohnt. Mit Schreiben vom 08.06.2009 beantragte der Kläger rückwirkend für die Zeit ab Januar 2009 Kindergeld für seine Tochter mit der Begründung, er werde sich voraussichtlich weniger als 6 Monate in Deutschland aufhalten und habe keinerlei ausländische Einkünfte mehr. Es gelte daher - bzw. werde beantragt- die unbeschränkte Steuerpflicht. Zudem verwies der Kläger auf die bei dem Finanzamt Hamburg-1 zugeteilte Steuernummer. Mit Bescheid vom 08.07.2009 (KA Bl. 7) lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 62 Einkommensteuergesetz (EStG) seien nicht erfüllt. Den hiergegen am 05.08.2008 eingelegten Einspruch (Schreiben vom 04.08.2009, KA Bl. 13) wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23.11.2009 als unbegründet zurück. Auch wenn der Kläger unbeschränkt steuerpflichtig sei, so erfülle er doch nicht die weiteren Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch gem. § 63 Abs. 1 S. 3 EStG, da sich das Kind weder im Inland, einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat gem. dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum aufhalte noch in den Haushalt eines Berechtigten im Sinne des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG aufgenommen sei. Zu den Personen gem. § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG gehöre der Kläger nicht. Darauf hat der Kläger am 22.12.2009 Klage erhoben.
Der Kläger trägt vor: Zwar halte sich der Kläger nur weniger als 180 Tage in der Bundesrepublik Deutschland auf. Ausweislich des Schreibens des Finanzamts Hamburg-1 vom 18.11.2009 (Anlage K1) sei er aber unter der dort angegebenen Steuernummer als unbeschränkt steuerpflichtig geführt. Die unbeschränkte Steuerpflicht ergebe sich folglich aus § 1 Abs. 3 EStG. Schon hieraus folge der Kindergeldanspruch. In Venezuela verfüge der Kläger nur über Zinseinkommen (Bescheinigung der Bank Anlage K3: 2009 Zinsen in Höhe von 1.514,14 Bs Fuertes). Staatliche Gelder erhielten weder der Kläger noch seine Ehefrau. Die zunächst angekündigte Bescheinigung des Finanzamtes in Venezuela hat der Kläger nicht vorgelegt. Er, so trägt der Kläger weiter vor, werde auch in Zukunft in der Bundesrepublik nur sozialversi...