Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis im Falle der Insolvenz der Gesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

  1. Es spricht keine Vermutung dafür, dass es regelmäßig dem Willen der Gesellschafter entspricht, dass eine einem GbR-Gesellschafter eingeräumte Alleinvertretungsbefugnis ohne weiteres auch nach Eintritt der Insolvenz und Auflösung der Gesellschaft fortbesteht.
  2. Im Falle nur gemeinschaftlicher Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis greift die Klagebefugnis gem. § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO selbst dann nicht, wenn ein Gesellschafter stirbt, die Gesellschaft laut Gesellschaftsvertrag mit den Erben fortgesetzt wird und die Erben unbekannt sind.
 

Normenkette

FGO § 48 Abs. 1 Nr. 2; BGB §§ 728, 730

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 24.03.2011; Aktenzeichen IV B 115/09)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Änderung der Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1996 und 1997 für die Grundstücksverwaltungsgesellschaft X-Straße GbR.

Die Klägerin zu 1) wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 11.01.1996 (Akte Allgemeines Grundstücksverwaltung Bl. 13 ff.) gegründet. Gesellschafter waren neben dem Kläger zu 2) - dieser zu 4/12 - Herr A zu 2/12, davon zu 50 % als Treuhänder für Herrn B (Treuhandvertrag vom 18.10.1996, Akte Allgemeines Grundstücksverwaltungsgesellschaft Bl. 9), sowie die Ärzte Dr. C, Dr. D und Dr. E jeweils zu 2/12. Zur Geschäftsführung und Vertretung der GbR waren gem. § 9 Abs. 1 a, 2 des Vertrages die Gesellschafter F und Dr. C gemeinschaftlich berechtigt. Gem. § 2 Abs. 1 des Vertrages war Zweck und Gegenstand der Gesellschaft die Bebauung, Verwaltung und Vermietung der Grundstücke X-Straße ... zur Erzielung von Überschüssen. Die Gesellschaft war gem. § 2 Abs. 2 des Vertrages nicht berechtigt, gewerblich tätig zu werden. Laut § 5 des Vertrages sollten auf den Grundstücken Gebäude errichtet werden, die in erster Linie der Vermietung an eine ... Gemeinschaftspraxis dienen und im Übrigen an andere Praxen vermietet werden sollten. Die Grundstücke waren von den Gesellschaftern eingebracht worden und wurden mit notariellem Vertrag vom 20.12.1996 zu einem Grundstück vereinigt. Gem. § 15 des Vertrages war die Dauer der Gesellschaft auf unbestimmte Zeit bestimmt und konnte jeder Gesellschafter seine Beteiligung frühestens 10 Jahre nach Fertigstellung des Bauvorhabens kündigen. Gem. § 9 Abs. 8 a des Vertrages bedurfte es für den Erwerb, die Veräußerung und Belastung von Grundstücken eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses. Gem. § 18 des Gesellschaftsvertrages und entsprechend gem. § 5 des Treuhandvertrages sollte die Gesellschaft/das Treuhandverhältnis im Falle des Todes eines Gesellschafters/einer Vertragspartei mit den Erben fortgesetzt werden. Die Gebäude wurden vereinbarungsgemäß errichtet und nach Fertigstellung im September 1999 (Bilanzakte Bl. 68) von den Gesellschaftern Dr. C, Dr. D und Dr. E im Rahmen einer ... Gemeinschaftspraxis bzw. Praxisklinik genutzt.

Mit den ursprünglichen, im Jahr 1998 eingereichten Erklärungen für die Streitjahre (Gewinnfeststellungsakte - GFA - I Bl. 63, 86) wurden für die Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (Verluste) auf der Grundlage einer Einnahme-Überschussrechung ermittelt und erklärt. Mit Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1996 und 1997 vom 02.06.1999 (GFA I Bl. 113, 116) stellte der Beklagte Verluste aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 495.066,24 € für 1996 und von 1.264.908,62 € für 1997 fest. Die Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Mai 2001 wurde ein Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der ... Gemeinschaftspraxis bzw. die Praxisklinik eingeleitet (vgl. Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-1 vom 11.05.2001 Akte Allgemeines Grundstückshandel Bl. 58 f.). Die Gesellschafter Dr. C, Dr. D und Dr. E sind im Jahre 2001 aus der Gesellschaft ausgeschieden (Vereinbarung Juli/August 2001 Akte Allgemeines II Grundstücksverwaltung Bl. 11). Im Rahmen der Gesellschafterversammlung vom 31.08.2001 wurde dem Kläger zu 2) die alleinige Geschäftsführungsbefugnis übertragen (Insolvenzakte AG N ... B l. 48).

Erstmals mit den mit Schreiben vom 22.03.2004 (Akte Allgemeines Anträge gewerblicher Grundstückshandel) eingereichten geänderten Erklärungen für die Streitjahre (lose in Hefter Bilanzakten) wurden für die Klägerin zu 1) auf der Grundlage einer Gewinn- und Verlust-Rechnung Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Grundstückshandel) erklärt, und zwar für 1996 in Höhe von - 721.002 €, für 1997 in Höhe von - 971.061 €. In der Anlage 1 zur korrigierten Feststellungserklärung für 1996 heißt es: "Wir haben erfahren, dass ... bereits in 1998 Verkaufsbemühungen für die X-Straße stattfanden. Da die Herren F, A und B Grundstückshändler sind, liegt insoweit Grundstückshandel vor." Eine Grundstücksveräußerung ist bis zum heutigen Tage nicht erfolgt. Der Beklagte lehnte eine Änderung der Bescheide mit Bescheid vom 08.09.2004 ab (Akte A...

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