Entscheidungsstichwort (Thema)
Abbruch-Abschlag bei Einheitswert für Gebäude auf fremdem Grund und Boden, Rechtsmittelfrist bei Abweichungen von vordatierten Bescheid- und Absendedaten, Vorläufige Vollstreckbarkeit von FG-Urteilen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Abbruchverpflichtung ist für den Mieter nach § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG unbedingt, wenn er sie nicht einseitig abwenden kann. Trotz früherer Vertragsverlängerungen ist ein Nichtabbruch unvorhersehbar, wenn bei der Vermietung neue Umstände zu berücksichtigen sind.
2. Bei Abweichung zwischen den Daten des Absendevermerks und des Bescheids wird für den Beginn des Dreitage-Zeitraums der Bekanntgabe das spätere Datum zugrunde gelegt. Ansonsten wäre Wiedereinsetzung zu gewähren, weil der Empfänger darauf vertrauen darf, dass Bescheide nicht vor dem Datum des Bescheids zur Post gegeben werden.
3. Vor kostenwirksamer Entscheidung über die unterschiedlichen Auffassungen zur Zulässigkeit paralleler Klagen gegen Grundlagen- und Folgebescheid kommt es auf die Auslegung oder Klarstellung der Klage an.
4. Die Neufassung von § 708 Nr. 10 ZPO ("Berufungsurteile" statt "Urteile der Oberlandesgerichte") ist auszulegen als Erweiterung von Urteilen oberer Landesgerichte auf Urteile anderer letztinstanzlicher Tatsachengerichte (Redaktionsversehen).
Normenkette
AO §§ 110, 122, 171, 175, 351; BewG §§ 92, 94; BGB § 546 (i. d. F. ab 2002; BGB § 556 a.F.); FGO §§ 42, 47, 56, 155; ZPO § 708
Nachgehend
Tatbestand
Beim Einheitswert für die Betriebsgebäude der Klägerin auf dem gemieteten Grundstück ist streitig, ob Abschläge wegen vertraglicher Abbruchverpflichtung zu berücksichtigen sind (§ 94 Abs. 3 Satz 3 HS 1 BewG) oder aber vorauszusehen ist, dass die Gebäude trotz der Verpflichtung nicht abgebrochen werden (§ 94 Abs. 3 Satz 3 HS 2 BewG).
I. Mietgrundstück und Mieter-Gebäude
Auf dem gemieteten Grundstück betätigt die Klägerin sich in der industriellen Produktion von Lebensmitteln. Das vermietete Grundstück befindet sich im Hafengebiet, jedoch außerhalb des mit Wirkung ab 2013 aufgehobenen Freihafens. Verwaltet wurde das Hafengebiet früher behördlich und nach Errichtung der Hamburg Port Authority AöR (HPA) seit 2006 durch diese.
Das Grundstück liegt an einem Elbarm mit tideabhängiger Wassertiefe. Letztere reicht im Fahrwasser für Binnenschiffe aus. Das Ufer ist nicht als Kai ausgebaut. Ein bei Anmietung des Grundstücks 19.. ... erwogener Schuten-Anleger wurde nicht realisiert.
Das Hafengrundstück befindet sich im möglichen Überschwemmungsgebiet der Elbe. Bei Sturmflutvorhersagen über NN +6,50 m wird das gesamte Hafengebiet gesperrt. Bei der sogenannten Nikolaus-Sturmflut am 6. Dezember 2013 stand das Hochwasser bis wenige Zentimeter unterhalb der Deichkrone. Der Bau einer 7,80 m hohen Polderwand zwecks besseren Schutzes bei Sturmfluten war zum Feststellungszeitpunkt bzw. Bewertungsstichtag 2013 noch nicht abgeschlossen. Nach dem Stichtag wurde ein sechsgeschossiges Verwaltungsgebäude zum Ersatz bisheriger Pavillons gemäß Bauantrag und Genehmigung aus 2015 errichtet.
Auf dem Grundstück besteht kein Bahn- bzw. Hafenbahn-Anschluss.
Rohstoffe und Fertigwaren werden mit Lkw bzw. Last- oder Sattelzügen an- und ausgeliefert, die Verkehrs-, Rangier- und Abstellflächen benötigen. Einige Container-Wechselbrücken können vor Ort abgestellt werden. Aus Platzmangel werden mit Fertigwaren beladene Container zu einem externen Lager gebracht. Das bisher im Baustufenplan als Industriegebiet ausgewiesene Mietgrundstück ist neben den vorgenannten Flächen, Grünflächen und einem Mitarbeiterparkplatz nur teilweise bebaut.
Die am Stichtag 2013 vorhandenen Baulichkeiten befinden sich in einem gut unterhaltenen und gepflegten Zustand. ... Soweit aus seit 1968 noch vorhandenen Bauakten ersichtlich, liegen der Bebauung, ihren Erweiterungen und Änderungen seit Anmietung bis zum Stichtag mindestens 59 Bauantrags- und -genehmigungs-Vorgänge zugrunde.
Über die vorstehenden sowie die weiteren Einzelheiten der Bauteile einschließlich der Flächen, Raummaße und Baujahre, weiter einschließlich der den Gebäudeklassen und sonstigen Zu- und Abschlägen zugrunde liegenden Bauausführungen, weiter einschließlich der sonstigen Gegebenheiten und Außenanlagen sowie jeweils zusammenfassend über die sich daraus für die Einheitsbewertung ergebenden Bauteilswerte stimmen die Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht überein, mit Ausnahme ab 2013 der Abschläge wegen Abbruchverpflichtung dem Grunde.
II. Mietvertrag
Die Klägerin mietete das Grundstück ursprünglich von der Stadt. ...
Im Wege der gesetzlichen Rechtsnachfolge gingen das vormalige Amt für Strom- und Hafenbau, zwischenzeitlich Amt Port Authority der Wirtschaftsbehörde, sowie das Hafenamt der Liegenschaftsverwaltung der Finanzbehörde der Stadt als Eigentümerin und Vermieterin auf die mit Wirkung ab 2006 als AöR errichtete Hamburg Port Authority (HPA) über. Gemäß HPA-Errichtungsgesetz "§ 11 Wirtschaftsführung" wird die HPA "nach kaufmännischen...