Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltendmachung eines Verlustes bei Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft - Einkünfteerzielungsabsicht - Gestaltungsmissbrauch
Leitsatz (amtlich)
1. Die Geltendmachung eines Verlustes nach § 17 Abs. 2 EStG aus der Veräußerung eines zuvor innerhalb der letzten fünf Jahre unentgeltlich erworbenen Anteils an einer Kapitalgesellschaft setzt voraus, dass der Rechtsvorgänger den Anteil mit Einkünfteerzielungsabsicht erworben und gehalten hat.
2. Bei der Einkünfteerzielungsabsicht des unentgeltlichen Erwerbers von Anteilen im Sinne von § 17 Abs. 1 EStG sind im Rahmen der Totalgewinnprognose die gemäß § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG zugerechneten Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers nicht zu berücksichtigen.
3. Eine unentgeltliche Übertragung von Anteilen im Sinne von § 17 Abs. 1 EStG, um dem Erwerber durch eine Veräußerung zu ermöglichen, den durch die Zurechnung der Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers entstehenden Veräußerungsverlust zum Verlustausgleich im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu nutzen, stellt keinen Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 AO dar.
Normenkette
EStG §§ 17, 18 Abs. 1 Nr. 3; AO § 42; BGB § 516
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Berücksichtigung eines Verlustes aus der Veräußerung einer Beteiligung des Klägers an einer Kapitalgesellschaft.
Der Kläger war im Streitjahr 2010 für einen kurzen Zeitraum Gesellschafter der A Holding GmbH. Gegenstand der Gesellschaft ist die Verwaltung und langfristige Anlage eigenen Vermögens, insbesondere das Halten und die Verwaltung von Beteiligungen an anderen Gesellschaften. Sie hielt im Jahr 2010 unter anderem einen Anteil von 66,6 % an der B GmbH, die wiederum zu 100 % beherrschende Gesellschafterin der C AG war. Die A Holding GmbH war 2001 als Finanzholding durch den Zeugen D als Alleingesellschafter gegründet worden. Zu Beginn des Jahres 2010 hielt der Zeuge 75,8 % der Gesellschaftsanteile (... € des Stammkapitals von ... €). Darüber hinaus verfügte er über eine unmittelbare Beteiligung an der B GmbH in Höhe von 16,7 %.
Der Kläger ist seit Mai 2010 Vorsitzender des Aufsichtsrates der C AG. Über seine Tätigkeit für das Jahr 2010 rechnete er am 30. November 2011 in Höhe von ... € ab. Der Kläger war bis Mitte 2010 in leitender Funktion im E-Konzern tätig und schied dort gegen eine Abfindung von ... € aus dem Arbeitsverhältnis aus. Die Familie D und die Familie des Klägers verbindet ein langjähriges, aus der Nachbarschaft gewachsenes freundschaftliches Verhältnis. Der Kläger kennt den Zeugen D seit dessen Kindestagen.
Mit notariellem Vertrag über die Schenkung und Übertragung eines Geschäftsanteils vom ... Dezember 2010 übertrug der Zeuge einen zuvor durch Teilung hergestellten Geschäftsanteil an der A Holding GmbH im Nennwert von ... € (0,8 % des Stammkapitals von ... €) auf den Kläger. Die Anschaffungskosten des Zeugen für diesen Geschäftsanteil betrugen - ermittelt nach einer Außenprüfung bei der Gesellschaft - ... €.
Mit notariellem Vertrag vom ... Dezember 2010 veräußerte der Kläger den Geschäftsanteil an der A Holding GmbH zu einem Kaufpreis von ... € an die F GmbH, die er zuvor am ... Dezember 2010 gegründet hatte und deren alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer er ist. Gesellschaftszweck dieser GmbH ist die Beratung der XX ... sowie die Beratung und Vermittlung der Finanzierung. Die F GmbH war und ist in diesem Bereich geschäftlich aktiv. Die Gesellschafter der A Holding GmbH hatten vorher sowohl der Übertragung des Geschäftsanteils auf den Kläger als auch der Weiterübertragung zugestimmt.
Der gemeine Wert des streitgegenständlichen Geschäftsanteils an der A Holding GmbH betrug zum Zeitpunkt der Übertragung auf die F GmbH ... €. Schenkungsteuerlich ist der Anteil mit ... € angesetzt worden. Dieser Wert wurde auf der Basis der Bilanz der Gesellschaft zum 31. Dezember 2009 ermittelt.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für 2010 machte der Kläger aus der Veräußerung einen Verlust von ... € steuerlich geltend. Dieser Betrag entspricht einem Anteil von 60 % der Differenz zwischen dem Veräußerungspreis von ... € und den ursprünglichen (vor der Außenprüfung) angesetzten Anschaffungskosten des Zeugen D in Höhe von ... €.
Der Kläger trug vor, dass die Schenkung ausschließlich aus einer persönlichen freundschaftlichen Beziehung zwischen dem Zeugen und ihm, dem Kläger, resultiere. Dabei habe seine, des Klägers, wirtschaftliche Kompetenz auch eine Rolle gespielt. Der Zeuge habe ein Interesse daran gehabt, ihn als Gesellschafter der A Holding GmbH zu gewinnen. Dazu habe er den Geschäftsanteil mit einem geringen wirtschaftlichen Wert von nur noch ... € schenkweise übertragen wollen. Eine Veräußerung sei nicht beabsichtigt gewesen. Der Zeuge habe auch selbst über erhebliche Verlustvorträge verfügt, so dass eventuelle weitere Verluste keine materiellen Konsequenzen gehabt hätten. Alle...