Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der Einkunftsgrenze bei fiktiver unbeschränkter Steuerpflicht im Fall der Zusammenveranlagung
Leitsatz (redaktionell)
1) Es ist ernstlich zweifelhaft, ob im Rahmen der Prüfung der Einkunftsgrenzen nach § 1 Abs. 3 EStG auf einer ersten Stufe feststehen muss, dass der Antragsteller in seiner Person ohne die Berücksichtigung der Einkünfte des Ehegatten und ohne Verdopplung des Grundfreibetrags die Voraussetzungen der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht erfüllt.
2) Der Wortlaut der Vorschriften, der Zweck des § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG und europarechtliche Erwägungen könnten dafür sprechen, schon bei der Prüfung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG die "erweiterten" Höchstbeträge nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG zur Anwendung zu bringen, soweit der Steuerpflichtige eine Zusammenveranlagung wählt.
Normenkette
EStG § 1a Abs. 1 Nr. 2, § 1 Abs. 3
Tatbestand
I.
Der Antragsteller ist niederländischer Staatsangehöriger und lebt mit seiner Ehefrau, die ebenfalls niederländische Staatsangehörige ist, in den Niederlanden.
Er erzielte im Kalenderjahr 2011 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Geschäftsführer der Firma A GmbH in Deutschland in Höhe von 83.056 EUR. Ferner erzielte er Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in den Niederlanden in Höhe von 15.000 EUR. Seine Ehefrau hatte keine eigenen Einkünfte. Eine entsprechende Bescheinigung EU/EWR der ausländischen Steuerbehörde legte der Antragsteller vor (Bl. 10 GA).
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 beantragten der Antragsteller und seine Ehefrau als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt zu werden und insbesondere die Zusammenveranlagung.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 05.04.2013 lehnte der Antragsgegner die Zusammenveranlagung ab und führte eine Einzelveranlagung für beschränkt Steuerpflichtige durch. In den Erläuterungen gab das Finanzamt folgende Begründung:
„Für den Veranlagungszeitraum 2011 kommt eine Zusammenveranlagung nach § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht in Betracht, da der Ehemann nicht die Einkommensgrenzen des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG erfüllt. (Die Einkünfte des Ehemannes unterliegen nicht mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer und die ausländischen Einkünfte sind höher als 8.004 EUR).”
Hiergegen erhob der Antragsteller Einspruch und stellte zugleich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.
Mit Schreiben vom 11.04.2013 lehnte das Finanzamt den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Zur Begründung wies der Antragsgegner darauf hin, dass weder der Antragsteller noch seine Ehefrau unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nach § 1 Abs. 3 EStG seien. Wegen der weiteren Begründung wird auf das Schreiben des Finanzamtes vom 11.04.2013 verwiesen. Mit Schreiben vom 11.04.2013 beantragte der Antragsteller erneut die Aussetzung der Vollziehung beim Finanzamt, die mit Verfügung vom 17.05.2013 abgelehnt wurde.
Über den Einspruch ist noch nicht entschieden worden.
Nunmehr beantragt der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz durch das Gericht. Zur Begründung vertritt er die Ansicht, dass bei der Prüfung des § 1 Abs. 3 EStG auf die Einkunftsgrenzen des § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG abzustellen sei (Küster in Korn, § 1a EStG).
Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids vom 05.04.2013 bis zu einer Entscheidung der Hauptsache ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Für die Anwendung der Regelungen zur unbeschränkten Steuerpflicht auf Antrag gemäß § 1 Abs. 3 EStG und der Möglichkeit der Zusammenveranlagung nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG sei eine zweistufige Prüfungsreihenfolge einzuhalten.
Eingangsvoraussetzung sei, dass einer der Ehegatten mit seinen Einkünften die Einkunftsgrenzen des § 1 Abs. 3 EStG selbst erfüllt. In einem zweiten Schritt sei für die Berechtigung der Zusammenveranlagung nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG die Einhaltung der Grenze des § 1 Abs. 3 Satz 2 anhand des verdoppelten Grundfreibetrags unter Berücksichtigung der gemeinsamen Einkünfte der Ehegatten zu prüfen.
Erst wenn beide Voraussetzungen erfüllt seien, komme eine Zusammenveranlagung in Betracht.
Bislang sei zwar in Nordrhein-Westfalen die Auffassung vertreten worden, auf die sich der Antragsteller auch berufe, dass es bereits bei der Berechnung der Einkommensgrenzen des § 1 Abs. 3 EStG zu einer Berücksichtigung der Einkünfte beider Ehegatten unter Berücksichtigung des verdoppelten Grundfreibetrages komme. An dieser Rechtsauffassung werde aber nicht mehr festgehalten. Vielmehr gelte nunmehr die bundeseinheitliche Regelung, die zur zweistufigen Prüfung führe. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass eine pauschale Vertrauensschutzregelung nicht in Betracht komme, da allgemeine Verwaltungsvorschriften und damit auch eine allgemeine Verwaltungspraxis für sich genommen keinen Vertrauensschutz schaffen würden. Insbesondere bei Veranlagungssteuern bedeute die unterschiedliche Behandlung eines gleichartigen Sachverhalts ...