Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungswidrigkeit des besonderen Kirchgeldes
Leitsatz (redaktionell)
Es besteht kein verfassungswidriges Erhebungsdefizit wegen der Nichterhebung des besonderen Kirchgeldes bei nicht veranlagungspflichtigen Ehegatten.
Normenkette
KiStG NW § 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 5
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Verfassungsgemäßheit des besonderen Kirchgeldes.
Die Klägerin gehörte im Streitjahr (2001) der evangelischen Kirche an. Sie wurde mit dem ihrem Ehemann, der keiner Kirche angehörte (sog. glaubensverschiedene Ehe), zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin bezog im Streitjahr Einkünfte i.H.v. 58.103 DM, ihr Ehemann i.H.v. 531.473 DM. Das gemeinsame zu versteuernde Einkommen betrug 566.465 DM.
Mit Bescheid vom … über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer setzte das Finanzamt … für die Klägerin besonderes Kirchgeld i.H.v. 5.880 DM fest. Aus den Berechnungen des Steuerbescheides ist zu entnehmen, dass es sich dabei um besonderes Kirchgeld handelt, das zum Ansatz kam, da die auf die Klägerin entfallende Zuschlags-Kirchensteuer i.H.v. 9 % der auf die Einkünfte der Klägerin entfallenden Einkommensteuer mit 1.033,56 DM niedriger war. Zur Berechnung des besonderen Kirchgeldes zog das Finanzamt das gemeinsam zu versteuernde Einkommen der Eheleute nach Abzug von 2 Kinderfreibeträgen i.H.v. 559.553 DM heran.
Einen gegen die Festsetzung des besonderen Kirchgeldes gerichteten Einspruch beider Eheleute wies der Beklagte mit einer an diese gerichteten Einspruchsentscheidung vom … als unbegründet zurück.
Mit der danach erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass die Festsetzung von besonderem Kirchgeld im angefochtenen Bescheid ohne Rechtsgrundlage erfolgt sei, da die Vorschriften, die die Erhebung von Kirchgeld vorsähen, wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz nichtig seien. Zunächst liege ein Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und damit gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG) vor. Die Ermittlung eines fiktiven Lebensführungsaufwandes des Kirchenmitgliedes unter Einbeziehung des Einkommens des nicht der Kirche angehörenden Ehegatten sei im Ergebnis nichts anderes als die Belastung von Nichtkirchenmitgliedern mit Kirchensteuern. Diese Methode sei insbesondere dann nicht gerecht, wenn – wie vorliegend – das Kirchenmitglied über ein eigenes sehr ordentlichen Einkommen verfüge und bisher stets erhebliche Kirchensteuern bezahlt habe. Die Klägerin habe jedoch seit der Einführung des besonderen Kirchgeldes etwa fünffach mehr Kirchensteuer bezahlen müssen als zuvor. Dies verdeutliche bereits den Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Vorschriften über das Kirchgeld verstießen zudem gegen Artikel 6 Abs. 1 GG. Der Schutz von Ehe und Familie verbiete es, jemanden aufgrund der Tatsache, dass er verheiratet sei, rechtlich schlechter zu stellen als er stünde, wenn er nicht verheiratet wäre. Zu diesem Effekt führten jedoch die Vorschriften über das Kirchgeld. Die Klägerin werde, weil sie verheiratet sei, durch das Kirchgeld mit einer höheren Kirchensteuer belegt, als wenn sie unverheiratet sei. Die Benachteiligung liege damit auf der Hand. Eine verheiratete Frau dürfe nicht schlechter behandelt werden als eine unverheiratete, nur weil sie im konkreten Fall nach Ansicht des Beklagten angeblich ausreichend leistungsfähig sei. Dies verdeutliche auch eine andere Überlegung. Wenn sie sich morgen scheiden ließe und künftig unverheiratet mit ihrem Ehemann zusammen leben würde, bräuchte sie kein erhöhtes Kirchgeld mehr zu entrichten. Klarer könne kaum zum Ausdruck gebracht werden, dass die Kirchgeldregelung gegen das Verfassungsgebot des Schutzes von Ehe und Familie verstoße, da Verheiratete schlechter als Nichtverheiratete und auch schlechter als Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz behandelt würden. Dem könne auch nicht entgegen gehalten werden, dass verheiratete Steuerpflichtige den Vorteil des Ehegattensplittings genössen. Es sei zweifellos nicht der Sinn des Splittings, dass der daraus resultierende Vorteil bei glaubensverschiedenen Ehen über das Kirchgeld wieder abgeschöpft werde. Im übrigen werde damit auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz offenkundig, denn nicht kirchenangehörige Ehegatten dürften den Splittingvorteil behalten. Es komme hinzu, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Splittingtarifs zweifellos im Sinn hatte, Ehe und Familie zu fördern und zu unterstützen. Dies würde durch das Kirchgeld wieder zunichte gemacht.
Eine sachlich nicht gerechtfertige und damit gegen Artikel 3 GG verstoßende Ungleichbehandlung liege auch darin, dass das Kirchgeld nicht von Steuerpflichtigen entrichtet werden müsse, die keine Einkommensteuererklärung abgeben müssten, da das Kirchgeld naturgemäß nicht im Lohnsteuerabzugsverfahren einbehalten werden...